Harz beiseite
Jan Schäper: Kanada ist klasse und Köln ein Gefühl
Der ehemalige Torhüter der TSV Bonn rrh. kommt in der nächsten Woche nach Deutschland zurück. Ein Grund: Der Handball lässt ihn nicht los.

Natürlich: Jan Schäper fand auch am Moraine Lake im Banff Nationalpark (Alberta) eine traumhaft schöne Umgebung, (Foto: JS)

Er ist kein Aussteiger. Aber Jan Schäper hat auch keinen geraden Lebenslauf – weil er gerne Ideen umsetzt, die manche für verrückt halten dürften, weil er gerne Umwege nimmt, weil er nach rechts und links abbiegt, weil er einfach Lust am Leben hat. Deshalb bricht Jan in der Stufe 12 das Gymnasium ab und macht anschließend Zivildienst. Später absolviert er eine Ausbildung zum Speditionskaufmann und arbeitet anschließend auch in diesem Beruf. Dass andere darin ihre Erfüllung finden, respektiert er natürlich. Aber irgendwann wird jenes Gefühl zu stark: „Das ist nicht das, was ich immer tun möchte.“ Jan Schäper macht sich auf den Weg und er verabschiedet sich – von seinen Eltern, von seinen Freunden, vom Handball. Zuerst bleibt Jan in Europa, ehe er noch einmal zurück ins Rheinland kommt und sogar wieder für die TSV Bonn rrh. im Tor steht. Vor einem Jahr wagt er den Sprung über den großen Teich – um auf eigene Faust Kanada und Alaska zu erkunden. „Ich bin ohne großen Plan rübergeflogen“, erzählt der 29-Jährige, der sich trotzdem voller Leidenschaft ins Abenteuer stürzt und den Entschluss keine Sekunde bereut. Ein paar Tage bleiben ihm noch, denn in der kommenden Woche hebt das Flugzeug ab, in dem der Kölner sitzen und die Rückreise antreten wird.

In Aktion: Wenn Jan Schäper seine 2,01 Meter einsetzt, wird das Tor für gegnerische Angreifer manchmal immer kleiner. (Foto: Thomas Schmidt)

Dass Jan Schäper den Job zwischen den Pfosten liebt, mag manches erklären: Torhüter gelten im Handball hin und wieder als besondere Geister, die ihre eigenen Vorstellungen haben. Und gegnerische Angreifer können schon mal Bedenken bekommen, wenn sie vor Jan auftauchen – weil der 2,01-Meter-Mann schon besonders viel Raum in seinem Tätigkeitsfeld abdeckt. Sieben Jahre spielt er für die Bonner – die in ihrem besten Jahr dicht am Aufstieg in die 3. Liga sind. Nach acht Siegen zum Auftakt lässt Bonn im Laufe der Rückrunde zwar nach, bleibt jedoch lange in Schlagdistanz und tritt am 28. April 2018 zu einer Art Finale bei der SG Langenfeld an. Dass die TSV verdient mit 21:27 verliert und der SGL endgültig die Meisterschaft überlassen muss, tut Jan Schäper weh. Noch mehr schmerzt es ihn aber, dass er ausgerechnet in dieser entscheidenden Partie zusehen muss. Trainer David Röhrig hat sich diesmal für die Torhüter Michael Rieder und Moritz Meißenburg entschieden. Am Urteil über Röhrig ändert das am Ende wenig: „Er ist der beste Trainer, den ich je hatte.“

Bei der Arbeit: Auf einer Weihnachtsbaumfarm war der richtige Umgang mit einer Kettensäge für Jan wichtiger als jeder Reflex im Tor. (Foto: JS)

Der Entschluss, eine Pause von der großen sportlichen Liebe einzulegen, steht allerdings schon vorher fest – nach rund 18 Jahren Handball beim SV Union Rösrath (inzwischen HSG Rösrath/Forsbach),  bei der SG MTVD Köln (jetzt MTV Köln/Jugend-Oberliga, Herren-Landesliga) und zuletzt durchgängig bei den Bonnern. Nun tauscht Jan Schäpfer das alles ein, um sich in den Schweizer Bergen nicht nur umzuschauen, sondern auch den Lebensunterhalt zu verdienen. In der Gastronomie kann er als Kellner mit seiner Sechs-Tage-Woche immerhin eine Rücklage bilden, zumal er sich um Unterkunft und Verpflegung nicht selbst kümmern muss. „Kost und Logis haben sie direkt vom Gehalt abgezogen. Das war in der teuren Schweiz praktisch“, erzählt Jan, „das war insgesamt wirklich ein superschöner Sommer.“ Ganz klar: In einer Welt voller Kommunikations-Möglichkeiten hält er immer den Kontakt nach Bonn, das er fünf Monate später wiedersieht. Natürlich ist Jan direkt Gast beim Training und selbstverständlich steht er bald wieder auf der Platte – in der zweiten und dritten Mannschaft bestreitet er im Winter 2018 sechs Spiele. Als die Saison im Mai 2019 endet, ist Jan allerdings längst wieder unterwegs. Er verwirklicht seinen nächsten Traum: Kanada.

Wenn schon, denn schon: Wo er schon mal in Nordamerika war, überquerte Jan auch die Grenze zum 49. Staat der USA. (Foto: JS)

Dies ist vorab sicher: Vor ein oder zwei Generationen hätte er einen Dia-Abend der ganz besonderen Art anbieten können – abgerundet mit tollen Bildern und vielen Geschichten von Begegnungen mit Menschen. Manchmal ist Jan selbst überrascht, wie unkompliziert das eine oder andere Puzzleteil an den richtigen Platz fällt. Die Stelle in einer Weihnachtsbaumfarm findet er über Facebook und die Kellner-Stelle in einem französischen Restaurant füllt er selbst ohne tiefere Sprachkenntnisse ganz gut aus. „Die Arbeitsabläufe waren da ganz klar getrennt“, sagt Jan, „ich brauchte nur das Essen an den Tisch zu bringen.“ Hier hilft ihm mal wieder, dass er keine Angst vor Neuem hat: „Ich mag es, mich ins Unbekannte zu stürzen.“ Auf eins muss er dann trotz aller Bemühungen, etwas Geeignetes zu finden, zum eigenen Bedauern verzichten: Handball gibt es zwar in Kandada, doch es führt ein Nischendasein. „Das Problem ist tatsächlich, dass es Vereine und Mannschaften nur in den ganz großen Städten gibt“, erzählt Jan. Und da kommen schnell echt große Entfernungen zusammen. Für die rund 115 Kilometer, die Bonn in der Regionalliga zum TV Aldekerk zurücklegen muss, hätten sie in Kanada ein vergleichsweise mildes Lächeln übrig. In Alaska, das Jan in seine Reiseroute aufnimmt, ist das auch so. Handballer hat Schäper dort zwar gar nicht getroffen, dafür aber aufsehenerregende Beobachtungen in der Natur der Nationalparks gemacht.

Weil er die Berge liebt, fühlt er sich am Fuße der Rocky Mountains besonders wohl: „Ich habe mir unheimlich viel erwandert.“ In Calgary, der größten Stadt der Provinz Alberta im Westen Kanadas, genießt Jan gerade die letzten Tage seiner langen Reise. Er hat auch drüben Freunde gewonnen und wird vielleicht irgendwann erneut nach Kanada kommen. Trotzdem zieht es ihn jetzt zurück: „Ich mag es hier wirklich, aber in Deutschland gefällt es mir noch besser. Wenn du hier in einen Supermarkt gehst, kriegst du alles – aber nur in Riesenpackungen.“ Es ist nur halbernst gemeint, denn Jan weiß, dass er von einem Luxus-Problem spricht. Ganz nebenbei: Englisch spricht Jan Schäper inzwischen, als sei er damit aufgewachsen. Ob er das beruflich einsetzen kann? Mag wohl sein. Muss aber nicht. Jan bleibt Jan und will alles auf sich zukommen lassen: „Ich habe noch keinen genauen Plan.“ Natürlich nicht.

Mützen-„Pflicht“: Jan Schäper hat in Kanada offensichtlich nicht nur sommerliche Temperaturen erlebt. (Foto: JS)

Zwei Dinge stehen dennoch unverrückbar fest: In der kommenden Woche geht es nach Hause. Auf jeden Fall: „Am 1. Juli heiratet mein bester Freund.“ Jan hat vorsichtshalber einen zwei Wochen früher liegenden Rückflug gebucht, um für den coronabedingt möglichen Fall einer Quarantäne (14 Tage) vorbereitet und dennoch pünktlich zu sein. Außerdem will sich der Torhüter unbedingt wieder verstärkt dem Handball widmen – gerne als Keeper mit Leistungsanspruch und immer mit ausreichendem Spaßfaktor. Denkbare andere Aufgabengebiete: Trainer in der Jugend, für Torhüter, Co-Trainer. Jan lebt die Begeisterung für den Handball, über den er sich in Kanada immer bei den Harzhelden auf dem Laufenden gehalten hat. Wo er spielen wird? Vielleicht am Mittelrhein, vielleicht am Niederrhein: „Erst mal werde ich jetzt nach Köln zurückkommen.“ Das wundert einen nicht wirklich. „Ich bin hier geboren und Köln ist meine Heimat. Das wird immer so bleiben. Das ist das Schöne: Köln ist ein Gefühl. Das wirst du nicht los.“ Aussteigen geht damit sowieso kaum. Und es passt es wohl zu einem, der gerne mal Umwege nimmt oder abbiegt.