15. Juni 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Natürlich halten sie sich auch noch relativ bedeckt mit konkreten Zielen. Die Wölfe Nordrhein waren aber in der vergangenen Saison in der später abgebrochenen Saison 2019/2020 sicher das herausragende Team in der Oberliga Niederrhein und unter dem Strich verdienter Aufsteiger in die Regionalliga. Dort könnte das gewachsene Team, in dem viele Strukturen ganz gut passen, vermutlich eine vernünftige Rolle spielen – wie vernünftig, muss sich bald noch zeigen. „Wir bleiben mit beiden Füßen auf dem Boden“, betont Trainer Thomas Molsner. Linkshänder Patrik Ranftler (zuletzt TV Angermund/Rechtsaußen, Rückraum rechts) und Rückraumspieler Moritz Krumschmidt (Borussia Mönchengladbach) verstärken das spielende Personal gezielt, sodass bis zum geplanten Saisonstart am 30. August gegen den letztjährigen Aufsteiger HC Weiden keine größeren Abstimmungs-Schwierigkeiten zu erwarten sind. Klingt bis zu diesem Punkt alles ziemlich normal. Trotzdem herrscht Aufbruchstimmung in Duisburg – ausgelöst durch drei Puzzleteile. Nummer eins war die Rückkehr der ersten Mannschaft in die Regionalliga und Nummer zwei die Rückkehr unter das Dach des OSC Rheinhausen, der einst eine Top-Adresse im deutschen Handball war. Nummer drei: Der OSC, der in der Reihe derjenigen steht, die sich Traditionsvereine nennen, verfügt jetzt im Team hinter/neben dem Team über eine außergewöhnlich prominente Mischung: Trainer Thomas Molsner, der ehemalige Bundesliga-Spieler, arbeitet ab jetzt mit dem Sportlichen Leiter Olaf Mast zusammen, dem ehemaligen Bundesliga- und Champions-League-Spieler. M und M gemeinsam in einem Projekt? Mehr Kompetenz geht kaum. Und der Gedanke daran, dass es ein Gerangel darum geben könnte, wer wann welche Entscheidung trifft, scheint beide zu verwundern.
„Wir sind schon lange dran“, sagt Molsner. Soll heißen: Sie hatten beim OSC die Idee, Olaf Mast (wieder) an Rheinhausen zu binden. Als Identifikationsfigur. Das erklärt sich bei einem Blick in die Vergangenheit sogar von selbst: Mast gehörte 1993 und 1995 zu den OSC-Mannschaften, die den Aufstieg in die Bundesliga schafften. Es gab viele Überlegungen/Gespräche, die Tradition von einst zu neuem Leben zu erwecken – und Mast, bis März noch Trainer beim Regionalligisten TV Jahn Köln-Wahn, saß beizeiten mit im Boot. Eins der Vorhaben war ein Jubiläumsspiel 25 Jahre danach für einen guten Zweck, das dann coronabedingt wieder gestrichen werden musste. „Das hätte ja nur Sinn gemacht, wenn Zuschauer kommen“, stellt Mast fest. Die Kontakte rissen jedoch nicht ab. Im Gegenteil. Am Ende stand auf beiden Seiten die Erkenntnis: Der OSC Rheinhausen hat einen Bedarf, den der Ex-Profi bedienen kann.
Die wichtigste Erkenntnis auf beiden Seiten, bevor sie die Zusammenarbeit besiegelten: Die zwischenmenschliche Chemie stimmt. Dass sie jeweils eine Menge vom Handball verstehen, brauchten sich Mast und Molsner nicht mehr gegenseitig zu bestätigen. Der sportliche Werdegang des jeweils anderen sowohl in der aktiven Karriere als auch in jener als Trainer lässt sich praktisch überall nachlesen. In mittlerweile relativ grauer Vorzeit standen sich M und M sogar mal auf der Platte gegenüber – als Mast für den THW Kiel unterwegs war und Molsner für TuSEM Essen. Besonders viele direkte Zweikämpfe gab es nur wenige. Eines von damals bleibt trotzdem bestehen: „Wir haben beide das Spiel verstanden.“
Olaf Mast gilt als Trainer, der mit Leidenschaft für seine Mannschaft kämpft – wie Molsner. Der wiederum gilt als Trainer, der viel von seiner Mannschaft fordert – wie Mast. Auch das ist eins der Rezepte für die Zusammenarbeit: „Wir verfolgen beide dieselbe Grundphilosophie. Unsere Gespräche waren auch sehr, sehr offen.“ Und beide gelten als Trainer, die gerne Entscheidungen treffen, sodass es in der Theorie Konflikte geben könnte. Olaf Mast stellt klar, wer die Richtlinien festzurrt: „Thomas ist der absolute Bestimmer. Er macht doch als Trainer einen Riesenjob.“ Der Chefcoach wiederum zeigt sich glücklich darüber, einen exzellenten Fachmann an seiner Seite zu wissen und gleichzeitig einen, der ihm mit seinem großen Erfahrungsschatz den Rücken freihält: „Ich wäre dumm, wenn ich mir nicht anhören würde, was Olaf zu sagen hat.“ Mast kann/soll je nach Bedarf/Absprache hin und wieder eine Einheit übernehmen, aber nie eine Art verkappter Co-Trainer werden.
M und M gehen fest davon aus, dass sich beim OSC noch eine Menge bewegen lässt. Mast freut sich zudem auf die Atmosphäre: „Was ich früher an Rheinhausen geliebt habe, war die Reaktion der Zuschauer. Sie haben dich auf Händen getragen, wenn du etwas Gutes geleistet hast – und sie haben dich rausgeschubst, wenn sie sauer auf dich waren. Das ist ehrlich.“ Ob und in welchem Maße die Hallen beim Start in die kommende Saison wieder mit Zuschauern gefüllt sein dürfen, ist bisher offen, doch beim OSC denken sie ohnehin bereits ein Stück weiter. Gesichertes Wissen: Tradition alleine garantiert keinen Erfolg. „Vielleicht können wir in der nächsten Saison angreifen“, sagt Mast, der damit 2021/2022 meint. So richtig konkret ist auch das nicht. Worin er sich mit dem Kollegen Molsner komplett einig ist: „Wir sind gespannt drauf, wie das funktioniert.“ Duisburg dürfte allerdings spätestens jetzt das Kompetenz-Zentrum des Handballs am Niederrhein sein.