18. Juni 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Halbe Sachen findet vermutlich kein Trainer richtig prickelnd. Nur zehn Spieler, die sich um einen versammeln? Davon ein bis zwei Torhüter? Vermutlich würde jeder verantwortliche Mann an der Linie im normalen Meisterschaftsbetrieb die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: „So kann ich nicht arbeiten.“ Zurzeit ist jedoch manches anders. Und besonders in diesen Tagen freuen sich hier und da in der Regel junge, aber erwachsene Menschen wie kleine Kinder. Weil sie wieder in die Halle dürfen. Mit Kontakt. Weil das zumindest im Ansatz nach richtigem Handball aussieht. Als einer der Schnellstarter legte dabei am Montagabend der Drittliga-Aufsteiger TuS 82 Opladen los, der die Bielerthalle in Beschlag nehmen konnte. Trainer Fabrice Voigt war ebenso begeistert wie seine Spieler: „Wir sind echt erleichtert. Es ist wichtig, dass die Jungs jetzt neue Impulse kriegen.“ Vorbei sind die Zeiten des Cyber- und Outdoor-Trainings, der individuellen Lauf- und Krafteinheiten. Der Regionalliga-Meister der Saison 2019/2020 legt im Rahmen des Erlaubten und Sinnvollen mit Leidenschaft los.
Erlaubt ist seit Montag „die Ausübung von nicht-kontaktfreien Sportarten auch in geschlossenen Räumen für Gruppen bis zu zehn Personen“. Dieses „Problem“ des begrenzten Zugangs, das nach den Einschränkungen der vergangenen Wochen/Monate eher eine Erlösung war, konnten die Opladener locker lösen – bei denen deutlich mehr als die offiziell zugelassenen zehn Spieler mitmachen wollten. Voigt: „Das zeigt, wie heiß die Jungs sind.“ Ein Teil des Teams durfte direkt rein und sich einen Ball nehmen, der andere musste zuerst raus an die Luft. Nach knapp einer Stunde gab es dann den fälligen Rollentausch, sodass unter dem Strich ziemlich jeder auf seine Kosten kam. Drinnen gab es sowieso keinen Voll-Power-Abend, sondern das mehr oder weniger vorsichtige Herantasten an die notwendigen Bewegungs-Abläufe. Dank der intensiven Arbeit unter der Federführung der Fitness- und Athletik-Experten Jonas Gördes und Marlon Horvath sind die TuS-82-Handballer körperlich sowieso voll auf der Höhe. Nun müssen „nur“ noch die handball-spezifischen Bestandteile hinzukommen.
Es wird ein Herantasten an die enormen Belastungen der Gelenke stattfinden und die Opladener haben das vom DHB entworfene Papier für die Profis sehr genau studiert. Erstens halten sie die dort enthaltenen Vorschläge für sinnvoll. Zweitens haben sie einen direkteren Bezug dazu, weil jene Task Force zum Thema „Return to competition“ unter der Federführung von Patrick Luig getagt hat – der einst mal Trainer des TuS 82 war, inzwischen mit einem Doktortitel ausgestattet und beim Verband als Bundestrainer Wissenschaft und Bildung angestellt ist. Teil eins weist unter anderem darauf hin, dass die kommende Saison „besonders hohe Anforderungen an die Belastungs-Resilienz von Athleten stellt“. Dafür gibt es eine klare Übersetzung: Wer es am Anfang etwa mit dem Wurftraining übertreibt, ruiniert vielleicht seine Schulter. Opladens Trainer Voigt und sein Trainerteam wissen das: „Wir müssen vorsichtig sein. Und was wir da gemacht haben, war auch noch kein Männer-Handball.“
Sollte der TuS 82 in den kommenden Wochen ohne größere Unterbrechungen trainieren können, wird er bis zum geplanten Meisterschaftsstart einen guten Teil des für die 3. Liga erforderlichen Pensums erledigt haben. „Wir werden aber nicht ganz durch sein“, glaubt Voigt, „aber das geht den anderen ja auch so.“ Nach der aktuellen Entwicklung erwartet er grundsätzlich, dass die Saison 2020/2021 tatsächlich Ende August/Anfang September starten wird. Sein nächster Wunsch: Ab Juli sind vielleicht die ersten Testspiele möglich – wobei die Opladener mit dem jeweiligen Gegner abstimmen wollen, ob eine erhöhte Wettkampf-Belastung bereits sinnvoll ist. Dass sie bislang überhaupt nicht wissen, wie die vier Drittliga-Gruppen genau eingeteilt werden, kümmert die Beteiligten im Moment eher wenig. Dass sie damit den Auftakt-Gegner vorerst ebenfalls nicht kennen, steht ebenfalls hinten auf dem Themenzettel. Gerade genießen die Opladener lieber den Moment, dass sie allmähliche ihre große Leidenschaft zurückbekommen. Voigt beschreibt es treffend: „Am Ende des Tages sind wir alle keine Leichtathleten, sondern Handballer.“ Deshalb hat er sich für den Augenblick sogar mit den halben Sachen arrangiert: „So kann ich arbeiten.“