Oberliga Mittelrhein
Die Hornets: Zwei Neue und viele offene Fragen
Dem Vizemeister Pulheimer SC läuft die Zeit davon. Trainer Kelvin Tacke wäre ein späterer Saisonstart lieber.

So hoch! Trainer Kelvin Tacke scheint seinen Spielern gerade zu erläutern, dass eine Menge Arbeit vor den Pulheimern liegt – die diese Herausforderung aber annehmen wollen. (Foto: Thomas Schmidt)

Er lässt sich grundsätzlich nicht locken. In diesen Wochen und Monaten lehnt sich Kelvin Tacke eher noch vorsichtiger aus dem Fenster als sonst. Dass der Pulheimer SC in der vergangenen Saison zum Zeitpunkt des Abbruchs die klare Nummer zwei in der Oberliga Mittelrhein war? Schnee von gestern. Dass sich im HC Gelpe/Strombach die am besten besetzte Mannschaft als Meister in die Regionalliga verabschiedet hat? Sagt wenig. Rein rechnerisch ließe sich daraus aber viel ableiten: Der Meister mit 34:4 Zählern und die Hornets mit 28:6 lagen deutlich vor dem Rest des Feldes mit zehn oder mehr Minuspunkten. „Dass wir Potenzial haben, steht außer Frage“, findet der Pulheimer Coach, „und Platz zwei in der vergangenen Saison war ein megageiles Ergebnis.“ Aber eine Favoritenrolle für 2020/2021? Die Abwehrhaltung ist deutlich zu spüren: „Da sind andere Kandidaten mit mehr Mitteln.“ Was in erster Linie auf die Finanzen gemünzt sein dürfte, hat in zweiter auch mit den Möglichkeiten in der Vorbereitung zu tun.

„Die Jungs haben in der handballfreien Zeit ihre Hausaufgaben gemacht“, berichtet Tacke, der das in dieser Form nicht anders kennt von seiner Mannschaft. In diesem Zusammenhang stellen die Hornets und ihr Coach im Übrigen gerade eine Rekordmarke auf: Die Ehe geht bereits in ihr 15. Jahr – mindestens eine halbe Ewigkeit, in der Tacke in Pulheim fast alles erlebt hat. Selbst ihn trafen jedoch der coronabedingte Abbruch der Serie 2019/2020 und die permanenten Zweifel, wie es weitergehen werde, vollkommen unvorbereitet. Und wieder kommen die Hornets für einen Rekord in Frage, auf den sie in diesem Fall vermutlich gerne verzichten würden: Weil er ihnen die Arbeit zusätzlich erschwert. Länger als die Hornets wird schließlich keiner der Vereine aus dem Harzhelden-Gebiet aus dem Rhythmus gekommen sein.

Schon lange her: Im Spitzenspiel gegen Gelpe/Strombach (beim Wurf Sean-Pascal Borgard) waren Torhüter Oliver Middell und die Hornets chancenlos und anschließend hatten sie gar kein Spiel mehr. (Foto: Thomas Schmidt)

Am 15. Februar gab es im Gipfeltreffen der jeweils mit vier Minuspunkten ausgestatteten Top-Teams der Oberliga eine krachende Niederlage gegen Gelpe/Strombach – 19:31. Tacke sieht es längst sehr gelassen: „Da hat uns Strombach eine Lektion erteilt und wir haben gesehen, dass wir noch viele Dinge brauchen. So etwas gehört aber dazu.“ Was damals niemand ahnen konnte: Mit dem ernüchternden Resultat war nicht nur der Kampf um den Titel entschieden, sondern für die Pulheimer bereits die ganze Saison vorbei – während andere rund drei weitere Wochen im Einsatz waren. Am 22./23. Februar folgte die Karnevalspause, ehe die ersten coronabedingten Einschränkungen folgten. Die Hornets durften am 29. Februar nicht mehr beim TV Birkesdorf antreten und am 7. März nicht mehr beim HC Weiden II. Erst danach wurde die Saison unter- und später abgebrochen. Unter dem Strich hat sich die Mannschaft demnach bis heute über vier Monate höchstens provisorisch-aktiv um ihren Lieblingssport gekümmert.

Die Rückkehr in den Meisterschaftsbetrieb wird für den Pulheimer SC ganz sicher zu einem Wettlauf gegen die Zeit, denn bis zum durch den Verband vorgelegten Auftakt am 29. August gegen Weiden II bleiben keine zweieinhalb Monate mehr. Ein Nachteil bei dem Versuch, es trotzdem hinzubekommen: „Wir in Pulheim dürfen noch nicht in die Halle.“ Damit würde dann nach dem Stand von Sonntagabend die Theorie, wieder mit Kontakt die nächsten vorsichtigen Schritte auf dem Weg zurück ins Normale hinter sich zu bringen, an der Wirklichkeit scheitern. Die Hornets klammern sich zwar an die Hoffnung, bald doch das Hallen-Comeback zu erleben, aber Tacke zweifelt: „Ob es Sinn macht, nach ein paar Trainingseinheiten schon ein für Juli vereinbartes Testspiel durchzuziehen?“ Unter dem Strich ist der Pulheimer Trainer eher dafür, den Start in die neue Saison ein Stück zu schieben: „Es wäre sinnvoller, wenn man uns noch einen Monat mehr Zeit gibt.“

Die Hornets wären trotzdem nicht die Hornets, wenn sie sich die Leidenschaft für den Handball und den Spaß daran durch die zahlreichen Unwägbarkeiten und die offenen Punkte nehmen ließen. Personell sind die Dinge sogar längst geklärt und die Konkurrenz muss auf jeden Fall wieder mit den Hornissen rechnen. Erstens: „Die Mannschaft bleibt komplett zusammen.“ Nicht mehr zur Verfügung steht nur Routinier Christoph Schaaps (hört auf), während Fabian Bleckat und Julian Bleckat ihre Verletzungs-Probleme komplett überwunden haben und wieder voll einsteigen dürfen. Zweitens: Die Hornets konnten zwei vielversprechende junge Spieler für sich gewinnen. Jonathan Leven (20) kommt vom Oberliga- Nachbarn TK Nippes, Ole Romberg (21) vom Verbandsliga-Aufsteiger TuS Königsdorf. „Beide waren unsere absoluten Wunschkandidaten“, betont Kelvin Tacke. Daraus folgt: Der ohnehin nicht schlechte Kader der Hornets hat vermutlich an Qualität gewonnen. Davon geht natürlich auch der Trainer aus, weil genau das ja der Plan war. Locken lässt er sich trotzdem nicht. Grundsätzlich nicht.