Harz beiseite
Was denn sonst? Königsdorf will in die Bundesliga!
Der Verband führt die A-Jugend nur vorsichtshalber im Regionalliga-Spielplan. Die bevorstehende Quali wird aber ein Stresstest - weil bloß drei Plätze frei sind. Und weil Moritz Köster geht.

Zielstrebig: Königsdorfs Moritz Köster (beim Siebenmeter) wird demnächst auf jeden Fall in der A-Jugend-Bundesliga spielen, weil er nach Dormagen wechselt. Seinem alten Team drückt er beide Daumen, dass es mit der Quali selbst ohne ihn klappt. (Foto: Karla Mertes)

Es ist Samstag, der 8. März 2020. Die A-Jugend des TuS Königsdorf gewinnt mit 30:23 beim Vierten ATV Biesel und zeigt noch einmal ihre Überlegenheit in der Regionalliga Nordrhein. Das Konto steht bei 36:0 Punkten und alle freuen sich jetzt auf das Wochenende darauf. Doch es kommt nicht mehr zum Gipfeltreffen mit dem Zweiten TV Ratingen (33:3), weil die Saison coronabedingt erst unterbrochen und dann abgebrochen wird. Dass der Verband die Mannschaft von TuS-Trainer OIe Romberg später zum Meister erklärt, nehmen sie in Königsdorf gerne hin – aber angesichts der ungewöhnlichen Situation ohne die ganz große Euphorie, die beim passenden Fest in der Halle entstanden wäre. Viel wichtiger als der Titel: Der kleine TuS Königsdorf hat zum Zeitpunkt des Abbruchs längst ein Ticket zur Teilnahme an der Bundesliga-Qualifikation in der Tasche. Der Traum davon, in der kommenden Saison im Konzert der Großen mitzumischen, könnte wahr werden. Deshalb dürfte manchen kürzlich der Atem gestockt haben, als der Verband die ersten Spielpläne veröffentlicht hat. Demnach soll der TuS ja am 19. September in die Serie 2020/2021 starten. Gegen die HSG Siebengebirge. In der Regionalliga Nordrhein. Nicht in der Bundesliga. Ein Fehler, der alle Träume zerstört, bevor sie es überhaupt richtig versucht haben?

Aufklärung verschafft Florian Fenzel, der für die Regionalliga verantwortliche Spielleiter: „Wir haben sie erst einmal mit aufgeführt, weil nicht sicher ist, dass sie die Bundesliga-Quali schaffen.“ Ganz klar: Der Meister der vergangenen Saison hätte auf jeden Fall selbst bei einem Verzicht auf die Qualifikation ein Startrecht in der Regionalliga der folgenden Serie gehabt. Der Verband beschloss sogar, die Regionalliga-Quali komplett abzusetzen und allen fristgerecht gemeldeten Mannschaften die Teilnahme zu ermöglichen. Gut für den TuS Königsdorf: Er kann sich nun mit der ihm eigenen Leidenschaft voll in die weitere Vorbereitung und aufs alte Ziel stürzen: „Natürlich bleibt es dabei. Dieser Plan steht. Wir sind immer noch heiß darauf.“ Was sicher ist: Das Unternehmen Bundesliga-Aufstieg wird Abenteuer und Stress-Test zugleich. Terminlich wie personell.

Nach dem aktuellen Stand der Dinge soll die Jugend-Bundesliga den Meisterschafts-Betrieb 2020/2021 Anfang September aufnehmen. Das ist in knapp zweieinhalb Monaten. Und wie passt die Qualifikation rein? Der DHB hat sich so festgelegt: „Eine Qualifikation wird zeitnah am Saisonbeginn liegen und in verkürzter Form durchgeführt.“ Der richtige Ansprechpartner als Spielleiter ist hier ebenfalls Florian Fenzel, der immerhin zwei Termine bereits kennt: „Wir müssen am 22./23. August und am 30. August spielen.“ Eine andere Kröte, die alle Teilnehmer zu schlucken haben: Dem Westen stehen nur drei Tickets für die Bundesliga zur Verfügung – zunächst jeweils eins für die Sieger am Niederrhein und in Westfalen. Die Zweiten dieser (Vorrunden-) Gruppen spielen anschließend den dritten Aufsteiger aus. Zu ermitteln, wer genau wann und wo gegen wen spielt, ist derzeit eine organisatorisch aufwändige Beschäftigung für die Verantwortlichen. Die erforderlichen Unterlagen und Infos sollen den Klubs immerhin so bald wie möglich zugehen.

Bereit zum Kampf: Trainer Ole Romberg zweifelt nicht daran, dass seine Mannschaft in der Bundesliga-Quali alles aus sich herausholen wird. (Foto: Karla Mertes)

Der TuS Königsdorf ist unverändert bereit, sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für seinen Traum einzusetzen. Die Mannschaft konnte sofort mit dem Training beginnen, als es offiziell wieder erlaubt war – und seit der vergangenen Woche gehört auch der Körperkontakt dazu. Kein Zweifel: Dieser nächste Schritt im Programm „Return to play“ hat einen Euphorieschub ausgelöst. Eine Top-Stimmung werden die Königsdorfer allerdings auch brauchen – weil sie eine der wichtigsten Säulen aus der Meister-Mannschaft verloren haben: Moritz Köster wechselt zum Nachwuchs des Zweitligisten TSV Bayer Dormagen. „Das tut uns unheimlich weh, das trifft uns super hart, denn Moritz hinterlässt menschlich und sportlich eine große Lücke“, sagt Romberg, „er ist einfach ein cooler Typ.“ Gleichzeitig betont er den guten Kontakt zu seinem Dormagener Kollegen David Röhrig: „Da ist alles ganz sauber gelaufen. Moritz musste dieses Angebot wahrnehmen. Und uns zeigt es doch, dass sich unsere Arbeit hier lohnt.“ Der bevorstehende Wechsel hat viel mit der weiteren Perspektive für den jungen Rückraumspieler zu tun, dem sich in Dormagen vielleicht ganz andere Karriere-Chancen eröffnen.

Obwohl Köster dem TuS sowohl vorne wie hinten arg fehlen wird, rückt keiner auch nur einen Millimeter vom Traum der Träume ab. „Das ändert überhaupt nichts an unserer Ausrichtung. Wir werden das als Mannschaft kompensieren“, verspricht Romberg – der den wechselnden Rückraumspieler im Übrigen persönlich besonders gut verstehen kann. Der Trainer Romberg wird mit Herz und Seele Königsdorfer bleiben, doch der Spieler Romberg nimmt tatsächlich eine Luftveränderung vor. Begründung: „Ich hatte das Gefühl, dass ich noch einmal eine neue Herausforderung brauche. Ich wollte raus aus meiner Komfortzone.“ Den Zuschlag bekam der Mittelrhein-Oberligist Pulheimer SC mit dem erfahrenen Trainergespann Kelvin Tacke und Manfred Zybarth, die den 21-Jährigen liebend gerne schon viel früher zu sich gelotst hätten. „Von den beiden kann ich eine Menge lernen“, glaubt Romberg, der sich sehr auf die neue Umgebung freut – und die zusätzlichen Impulse natürlich in seinem Einsatz für den TuS gewinnbringend einsetzen will. Vielleicht klappt das alles. Wenn dann die Saison in der Jugend-Bundesliga vielleicht sogar mit einem Duell gegen Dormagen beginnt, wäre das Königsdorfer Glück komplett. Ob es dann ein halbes Jahr nach dem 8. März erneut zu einem Sieg reicht, ist dabei eine ganz andere Frage.