Harz beiseite
Neuer Cheftrainer: Eisenach befördert „Kraudi“
Es ist eine ungewöhnliche Gummersbacher Geschichte. Der 43-Jährige löst beim Zweitligisten seinen bisherigen Vorgesetzten Sead Hasanefendic ab.

Wir schaffen das! Der Gummersbacher Markus Krauthoff-Murfuni freut sich riesig auf seine erste Stelle als Cheftrainer. Trotz des beruflichen Aufstiegs bleibt er aber auf dem Boden der Tatsachen – und weiß, dass die Aufgabe nur im Team zu bewältigen ist. (Foto: sportfotoseisenach)

Sommer 2019. Markus Krauthoff-Murfuni ist Sportlicher Leiter des Mittelrhein-Oberligisten TuS Derschlag und gemeinsam mit Trainer Ralph Weinheimer dabei, die Schienen für eine erfolgreiche nächste Saison zu legen. Ungefähr 300 Kilometer weiter ist Trainer-Legende Sead Hasanefendic dabei, den Zweitliga-Rückkehrer ThSV Eisenach auf das Comeback in der höheren Klasse vorzubereiten. Die Herren kennen sich, die Herren respektieren sich sehr, sie sind fast freundschaftlich verbunden und sie laufen sich regelmäßig über den Weg – weil sie beide eigentlich in Gummersbach leben. Und immer noch kein Klischee, sondern die reine Wahrheit: Gerne laufen die Fäden im Friseur-Salon von Sonia Murfuni zusammen, der Ehefrau von Markus Krauthoff-Murfuni. Das ist ebenfalls bekannt: Hasanefendic (71) bringt den Kollegen, der in der Handball-Welt durchaus selbst schon viel herumgekommen ist, als Co-Trainer der Eisenacher ins Gespräch. Die Verbindung kommt zustande, denn der 43-Jährige wird beim ThSV sowohl Co-Trainer des Zweitliga-Teams als auch Jugend-Koordinator. Ein Jahr später sind beide immer noch Gummersbacher. Und trotzdem ist plötzlich alles anders. Der ThSV Eisenach hat beschlossen, sich nach einer unter anderem coronabedingt schwierigen Zeit neu aufzustellen – und das mit einer Umbesetzung auf der Trainer-Position zu tun. Das Ergebnis in der Kurzfassung: Hasanefendic spielt in den Planungen des Vereins keine Rolle mehr. Dafür wird Markus Krauthoff-Murfuni die Thüringer als Chefcoach in die nächste Zweitliga-Serie führen.

Krauthoff-Murfuni weiß sehr zu schätzen, dass er von Hasanefendic in den vergangenen zwölf Monaten noch einmal richtig viel lernen konnte. Und inzwischen haben sich die Trainer zudem über vieles ausgetauscht – was der Nachfolger seinem Vorgänger ebenfalls hoch anrechnet: „Dafür bin ich ihm dankbar.“ Dass Hasanefendic in einer ersten Reaktion „not amused“ gewesen sei, kann Markus Krauthoff-Murfuni zudem gut verstehen. Dass ihn die Eisenacher als künftigen Chef haben wollten, sieht er trotzdem als „große Ehre“. Und es gibt ihm das Gefühl, nach einer langen Phase als zweiter Mann richtig im Geschäft der Profi-Trainer angekommen zu sein: „Ja, für mich ist ein Wunsch in Erfüllung gegangen. Dafür habe ich gearbeitet.“ In der Schweiz wechselte er einst von Pfadi Winterthur zu den Kadetten Schaffhausen, um dort Co-Trainer der deutschen Handball-Legende Markus Baur zu werden (bis 2016). Baur und Hasanefendic als praktische Ausbilder: Es gibt definitiv schlechtere Referenzen.

Geschichte: Der neue Chefcoach Markus Krauthoff-Murfuni (links) und Manager René Witte (rechts) arbeiten weiter für Eisenach. Der bisherige Cheftrainer Sead Hasanefendic, dessen Vertrag aufgelöst wurde, steht dafür bei den Eisenacher Zweitliga-Handballern nicht mehr im Mittelpunkt des Geschehens. (Foto: ThSV Eisenach)

Eisenach startet als Zweitliga-Aufsteiger fast überragend und belegt nach neun Spieltagen mit 13:5 Punkten den vierten Platz. Der Schwung hält allerdings nicht bis ins Jahr 2020, obwohl die folgenden fünf Aufgaben noch einmal 6:4 Zähler bringen und das Konto auf 19:9 Punkte stellen. Nach dem 28:24 am 30. November 2019 beim Letzten HSG Krefeld wird der ThSV allerdings lediglich eins der folgenden elf Spiele für sich entscheiden – mit dem 28:24 gegen den TSV Bayer Dormagen wieder gegen einen Verein aus dem Harzhelden-Gebiet. „Wir hatten eine kleine Misere“, sagt Krauthoff-Murfuni. Ob der Klassenerhalt vielleicht sogar ernsthaft in Gefahr geraten wäre, wird sich nie seriös beantworten lassen. Auf Grund des Saison-Abbruchs und den Verzicht auf sportliche Absteiger brauchten sie sich allerdings wenigstens darüber in der Stadt von Martin Luther keine Gedanken mehr zu machen.

Krauthoff-Murfuni, den viele im Übrigen „Kraudi“ nennen, kann mit dem vorher zu umfangreichen und nun verkleinerten sowie auf einigen Positionen veränderten Kader sehr gut leben. Wenn in ein paar Tagen die Vorbereitung beginnt, will er natürlich eigene Akzente setzen, aber auf keinen Fall das Handball-Rad neu erfinden. Versprechen kann Markus Krauthoff-Murfuni vor allem ehrliche Arbeit und volle Leidenschaft für die schwierige Aufgabe: „Wir haben eine harte Saison vor uns, in der wir englische Wochen und über Weihnachten spielen werden. Wir müssen eine Einheit werden.“  Und dann wünscht er sich, dass ihm viele nicht – wie jetzt – nur zum Karrieresprung gratulieren, sondern möglichst oft zu einem gewonnenen Spiel. Davon hätten tatsächlich alle was und vermutlich wäre selbst Sead Hasanefendic mit von der Partie. „Wir schauen uns ganz normal in die Augen“, erklärt Krauthoff-Murfuni. Und den Friseur-Salon hat Hasanefendic auch nicht gewechselt. Nicht im Sommer 2019 und nicht im Sommer 2020. Gummersbach und Thüringen – das scheint irgendwie zu passen.