Saison-Vorbereitung
Heiße Bielerthalle: Ein Test, der Mut machen sollte
Drittligist TuS 82 Opladen und Regionalligist TV Korschenbroich zeigten, dass sie heiß sind auf die Meisterschaft. Andere testen lieber gar nicht mehr. Vor allem aus dem Mittelrhein kommen Bedenken.

Zwei Mann, ein Ball: Korschenbroichs Mats Wolf (Nummer 20) und Opladens Christopher Göddertz kämpften nicht nur in dieser Szene wie in „alten Zeiten“ um den Ball. (Foto: Thomas Ellmann)

Oben auf der Tribüne sind die Zeichen der Zeit zu erkennen. Am Boden sind schon beim Aufgang in regelmäßigen Abständen gelbe Klebestreifen angebracht. Ebenfalls deutlich gekennzeichnet: Manche Sitzreihen bleiben gesperrt. Trotzdem atmet alles den Handball – gegen den Trend, unter coronabedingten Einschränkungen auf der Stelle zu treten oder in Resignation zu verfallen. Unten auf dem Parkett bestätigen zwei Mannschaften den Eindruck, der nur einen Schluss zulässt: Wir wollen spielen, wir wollen wissen, wo wir stehen. Es wird eine an diesem extrem warmen Tag richtig heiße Angelegenheit, weil sich beide Seiten über die 60 Minuten nichts schenken. Es ist deshalb vom Anpfiff an bis zur Schluss-Sirene ein ganz normaler Test in der Vorbereitung auf eine kommende Saison. Und normal ist auch, dass die Beteiligten die Angelegenheit später mit unterschiedlichen Urteilen versehen. Trainer Fabrice Voigt und der Drittliga-Aufsteiger TuS 82 Opladen sind natürlich etwas weniger begeistert darüber, dass er den Test gegen den Regionalligisten TV Korschenbroich unter dem Strich doch überraschend klar mit 22:29 (13:18) verliert. Und die Korschenbroicher wissen, dass sie den Sieg nicht überbewerten dürfen. Die Genugtuung über den gelungenen Auftritt ist dem Team von Trainer Dirk Wolf dennoch anzumerken.

Die Gastgeber erwischen den besseren Start und sie zeigen starke Szenen. So hätten sich das die Hausherren öfter gewünscht: Den weiten Pass von Torhüter Nils Thorben Schmidt nutzt Christopher Göddertz mit einem Tempo-Gegenstoß zum 3:1 (5.). Nach dem 4:1 (7.) durch den Siebenmeter von Oliver Dasburg und dem 5:2 (8.) von Fynn Johannmeyer scheint es dem TVK allerdings zu reichen – und er ist fortan ein Gegner auf Augenhöhe, später sogar mehr als das. Mit dem 6:5 (13.) für Korschenbroich durch David Biskamp macht sich die Wende zum ersten Mal im Ergebnis bemerkbar, ehe der Regionalligist die Dinge über das 10:7 (20.), 12:9 (22.) und 16:12 (28.) bis zum 18:13 (30.) kontrolliert. 

Der TuS 82 gibt natürlich nicht auf – im Gegenteil. Er hat wenig Lust, sich als Regionalliga-Meister der vergangenen Saison vom damaligen Dritten in eigener Halle abfertigen zu lassen. Unter anderem drei Treffer von Rechtsaußen Markus Sonnenberg verkürzen den Rückstand auf 17:20 (35.), doch eine echte Aufholjagd wird daraus nicht. Ein Grund: Die Opladener lassen viel zu viele Chancen aus. Ein anderer: Gegen die offensive und sehr resolut zupackende Abwehr des TVK tun sie sich schwer. Weil bei den Gästen nahezu alle Rädchen nahtlos ineinandergreifen, behalten sie auch jederzeit die Kontrolle – 25:19 (44.), 26:21 (49.), 27:22 (52.), 29:22 (59.). Bezeichnend für die Ratlosigkeit des jetzt klassenhöheren Drittligisten: Auf der Zielgeraden der Partie nehmen nach einem gescheiterten Angriff oder Ballverlust nicht alle Spieler den zügigen Rückweg auf sich. Auch das ist normal, auch das kann kein Trainer leiden.

TuS-82-Coach Voigt und seine Mannschaft wissen, dass sie bis zum Beginn der Drittliga-Saison noch einige Arbeit vor sich haben – nicht zuletzt mit dem Einbau der Neuzugänge, die – natürlich – menschlich längst im Team zu Hause sind. Kreisläufer Philipp Krefting (TuS Derschlag) etwa kann sich auf der Tribüne nur um die alles aufnehmende Videokamera kümmern und Rückraumspieler Tim Schröder (Rhein Vikings) lediglich zuschauen. Ansonsten wirken die Aktionen immer wieder holprig. „Uns fehlt noch die Abstimmung“, räumt Voigt ein, „in der zweiten Halbzeit haben wir wenigstens die Abwehr zusammenbekommen. Aber wir haben ja noch Zeit.“ In knapp zwei Monaten soll am 4. und 11. Oktober mit den Derbys beim Longericher SC und gegen den Leichlinger TV das große Abenteuer 3. Liga beginnen.

Wo wird er hinspielen? Korschenbroichs Hendrik Schiffmann (rechts) sucht hier offensichtlich nicht seinen Kreisläufer Philipp Schneider. Den haben die Opladener Fynn Johannmeyer (links) und Jan Jagieniak (Nummer 18) gerade gut zugedeckt. (Foto: Thomas Ellmann)

Deutlich knapper ist das Zeit-Budget für den TVK, der am 30. August um 17 Uhr bei TuSEM Essen in die Serie 2020/2021 starten soll – und will. Beim Testsieg in Opladen hinterlässt Korschenbroich den Eindruck, dass es direkt losgehen könnte. Dirk Wolf hat seinen kompletten Kader aus 14 Spielern dabei und die Mannschaft hinterlässt einen homogenen Eindruck. Er kann es sich sogar leisten, in beiden Halbzeiten nach rund 15 Minuten einen kompletten Blockwechsel vorzunehmen – sechs Feldspieler raus, die anderen sechs rein. Ein Bruch entsteht dadurch nicht und die drei Zugänge sehen aus, als wären sie schon immer dabei. Rückraumspieler Hendrik Schiffmann (zuletzt HSG Krefeld) zeigt seine Qualitäten ebenso wie die aus der A-Jugend des TSV Bayer Dormagen gekommenen Lukas Bark (Linksaußen) und Marcus Neven (Rechtsaußen). Das schönste Tor des Tages erzielen allerdings zwei „Alt-Korschenbroicher: Regisseur Mats Wolf bedient Sascha Wistuba zum Kempa-Trick, der das sehenswerte 22:17 bringt (38.). Auch deshalb trifft das Urteil von Trainer Dirk Wolf voll zu: „Bei uns hat viel gepasst heute.“ Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass – wenn nichts Gravierendes dazwischenkommt – mit dem TVK in der nächsten Saison zu rechnen sein wird. Und zwar im Kampf um die Spitzenplätze.

TuS 82 Opladen: Nils Thorben Schmidt, Eric Prützel – Rachow, J. Sonnenberg (1), Johannmeyer (2), Dasburg (5/3), Ellmann (1), Bachler (1), Felix Barwitzki (4/1), Christopher Göddertz (2), Jagieniak, Welter (1), M. Sonnenberg (4), Adams, Rinke, Gremmelspacher (1).

TV Korschenbroich: Jäger, Krüger – Wistuba (3), Jennes (1), Brinkhues, Zidorn (1), Wolf (1), Neven (3), Schiffmann (5), Bark (2), Kauwetter (3), Biskamp (3/2), Schneider (3), Franz (4).

Für ihn klar: Trainer Philipp Krüger (Mitte) geht mit Longerich II ohne Testspiel in die Saison. (Foto: Thomas Schmidt)

Während sich Opladener und Korschenbroicher unter den aktuell erschwerten Bedingungen mit Volldampf auf die nächste Saison hinarbeiten, herrscht in einem Teil des Harzhelden-Gebietes deutlich weniger Euphorie. Insbesondere am Mittelrhein gibt es offensichtlich komplett andere Standpunkte, die zum Teil den frühen Beginn in Regionalliga und/oder Oberliga in Frage stellen. So haben sich die Verantwortlichen und die Spieler des Mittelrhein-Oberligisten Longericher SC II bei einem Mannschafts-Abend dazu entschieden, bis zum ersten Meisterschafts-Auftritt am 29. August gegen den ASV SR Aachen auf alle zunächst vorgesehenen Testspiele zu verzichten – als Vorsichtsmaßnahme aufgrund aktueller Corona-Fälle beim einen oder anderen Verein aus der Gegend. Die Longericher wollen so jede Gefahr der Ansteckung oder Quaratäne-Maßnahme vermeiden. „Das möchten wir einfach für uns verhindern“, betont Trainer Philipp Krüger, „wie wir dann mit der Saison umgehen, wissen wir noch nicht. Nach dem Stand jetzt werden wir ganz normal in die Saison starten – dann nur ohne Spielpraxis.“ Gleichzeitig betonen die Longericher, dass sie ihren Schritt keineswegs als Handlungs-Anweisung für andere verstehen, sondern als interne Reaktion auf die aus ihrer Sicht zu diffuse aktuelle Lage.

Noch sehr viel entschlossener äußert sich in einer Mitteilung der Regionalligist TV Rheinbach. Auslöser war das vor Kurzem absolvierte Testspiel gegen den Oberligisten TV Birkesdorf, in dem ein infizierter Birkesdorfer mitgewirkt habe. Danach ließen die Rheinbacher ihr gesamtes Trainerteam und die Mannschaft testen – mit durchweg negativem Befund, also ohne Infektion. Trotzdem sei nun die Verunsicherung im Kader groß – und „eine weitere Quarantäne können und wollen sich die Spieler berufs- oder studienbedingt nicht leisten“. Deshalb sahen auch die Rheinbacher als einzigen Ausweg, bis zum Saisonstart am 29. August bei der HSG Siebengebirge ebenfalls alle Test aus dem Terminkalender zu streichen. Gleichzeitig ergibt sich für den TV daraus die Frage, ob ein Beginn in drei Wochen überhaupt noch Sinn mache. „Für uns ist das ein riesiger sportlicher Nachteil. Stopp der Vorbereitung, mindestens eine Woche kein Training und Absage der Testspiele. Die Spieler sind verunsichert und in drei Wochen soll es losgehen“, sagt Trainer Dietmar Schwolow. Er würde ein Verschieben des Saisonstarts in den Oktober, so wie unter anderem in der 3. Liga praktiziert, begrüßen.

Beschlossen: Auch der TV Rheinbach mit den Trainern Dietmar Schwolow (rechts) und Jan Hammann (links) nimmt eine Testspiel-Auszeit. (Foto: Thomas Ellmann)

Dass es dazu kommt, gilt allerdings als äußerst unwahrscheinlich. Sowohl die Verbände Niederrhein und Mittelrhein als auch der für die Regionalliga zuständige Handball Nordrhein haben gerade erneut bekräftigt, grundsätzlich am Saisonstart Ende August festhalten zu wollen – mit kompletter Hin- und Rückrunde. Eingebaut sind verschiedenen Modelle für verschiedene Entwicklungen. Punkt eins: „Sollte es coronabedingt nicht möglich sein wie geplant zu beginnen, wird der Saisonbeginn verschoben. Die ausgefallenen Spieltage werden nach hinten an die absolvierten Spieltage der Hinrunde angehängt.“ Punkt zwei: „Alternativ wird bei einem sehr späten Saisonbeginn eine Hinrunde gespielt. Im Anschluss daran wird statt einer Rückrunde eine Meister -und Abstiegsrunde ausgespielt und so die Meister bzw. die Absteiger ermittelt.“ Punkt drei: „Ist es gar nicht möglich, eine Saison in der oben beschriebenen Form zu spielen, wird lediglich eine Hinrunde gespielt. Kann diese nicht zu Ende gespielt werden, gilt, dass alle Mannschaften die gleiche Anzahl an  Spieltagen absolviert haben. Aus diesen entstandenen Tabellen werden dann die Meister bzw. Absteiger ermittelt.“ Der Verband Niederrhein legt in einer Mitteilung  vom Freitag zusätzliche Details dar: „Wenn Hallenbetreiber einzelne Spielstätten schließen, läuft der Rest des Spielbetriebs davon unberührt weiter und die ausgefallenen Spiele werden gegebenenfalls nachgeholt. Sollten Mannschaften Angst haben, wegen Corona zu spielen, dann wird gegen die absagende Mannschaft gemäß Bestimmungen gewertet. Wie der DHB auch vorschlägt, soll dann allerdings auf die finanzielle Strafe verzichtet werden.“

Der Haken – natürlich aus Harzhelden-Sicht – an der Idee der Start-Verschiebung in allen August-Plänen sind vor allen Dingen drei Fragen. Erstens: Wer kann abschätzen, ob die Situation Ende September oder Anfang Oktober günstiger ist als jene Ende August? Was geschieht, wenn es Mitte November oder Anfang Dezember vielleicht einen Langenfelder, einen Dinslakener, einen Korschenbroicher oder Opladener trifft? Glaubt allen Ernstes jemand, dass sich das Virus in der näheren bis mittleren Zukunft ins Nichts verabschiedet? Aus allem ergibt sich wiederum eine ganz andere Frage: Bietet nicht der frühere Beginn eher Chancen auf mehr Flexibilität und ein Plus an Terminen für eventuell erforderliche Verschiebungen?