Oberliga Niederrhein
Projekt läuft: Aber wie kommen die Adler ohne Niklas Funke klar?
Das Team um Kapitän Sebastian Bartmann sieht sich auf dem richtigen Weg - und bleibt auf dem Teppich.

Kampf um jeden Ball: Dass die Königshofer um Keeper Florian Lindenau und den jetzt pausierenden Niklas Funke (hinten) vor dem eigenen Tor keinen Zentimeter Raum verschenken, bekam auch schon Jan Jagieniak zu spüren (dunkles Trikot), der Kreisläufer des inzwischen in die 3. Liga aufgestiegenen TuS 82 Opladen. (Foto: Thomas Ellmann)

Das sind die Adler im Frühling 2019: Die Mannschaft steigt ausgerechnet im Jahr ihres sehr runden Jubiläums (100) im Mai als Tabellenletzter aus der Regionalliga in die Oberliga ab. Es ist das Ende einer enttäuschenden Saison – und der Beginn eines größeren Umbaus. In Krefeld heben sie das Projekt Adler 2.0 aus der Taufe – ein Paket, in dem vieles personell anders wird. Eine Mischung aus bodenständiger Sachlichkeit und hundert Prozent Leidenschaft für den Handball soll es werden. Und das ist dann die DJK Adler Königshof im Frühjahr 2020: Das Team von Trainer Marius Timofte steht am 7. März mit 24:14 Punkten auf dem fünften Rang. Was niemand ahnt: Es ist schon die Abschluss-Tabelle, denn die Saison wird erst unterbrochen und ein paar Wochen später coronabedingt abgebrochen. Darüber sind die Adler genauso traurig wie die anderen und alle hätten die restlichen neun Partien lieber über die Bühne gebracht. Mit der eigenen Bilanz können Timofte und seine Spieler trotzdem zufrieden sein. Sie haben die Erwartungen voll erfüllt – und dabei sowohl Höhen und Tiefen als auch Stärken und Schwächen gezeigt.

Was die Adler zu leisten vermögen, beweisen sie unter anderem mit dem 34:29 beim späteren Dritten Borussia Mönchengladbach oder beim 28:31 gegen den späteren Meister und Regionalliga-Rückkehrer HC Wölfe Nordrhein, als sich die Waage erst spät zugunsten der Gäste neigt. Ins Jahr 2020 startet Königshof mit makellosen 10:0 Punkten – wobei der 33:28-Erfolg über den TV Lobberich der vorerst letzte Sieg überhaupt sein wird. Es folgen drei zum Teil überraschende Niederlagen – 31:38 bei der HSG Hiesfeld/Aldenrade, 30:35 gegen Borussia Mönchengladbach, 31:34 bei Mettmann-Sport. Es ist wohl vor allem der Beweis, dass die Adler insgesamt noch nicht beständig genug sind. Und es ist definitiv der Beweis dafür, wie viel offensives Potenzial in der Mannschaft steckt. Die 603 Tore in 19 Spielen bedeuten einen Schnitt von 31,73 Treffern pro Auftritt – was Rekord in der Oberliga Niederrhein ist und mehr als die 31,33 Tore des Vizemeisters LTV Wuppertal. Über die 30er-Marke kommen tatsächlich nur diese beiden Mannschaften.

Erfolgreichster Werfer der Adler ist Kapitän Sebastian Bartmann, der es in 18 Spielen auf 144 Tore bringt – auf genau acht pro Einsatz. Er lässt damit starke Konkurrenz hinter sich – etwa David Kreckler (140/18/7,78) vom LTV Wuppertal und Fabian Bednarzik (134/15/8,93) vom TV Krefeld-Oppum, der den besten Quotienten erzielt. Bartmann geht also mit gutem Beispiel voran – was ein Teil des Plans war, weil er einst bei der SG Ratingen unter anderem in der 3. Liga Erfahrung gesammelt hat. Dort stellte Bartmann gemeinsam mit Damian Janus (jüngst vom Zweitliga-Absteiger HSG Krefeld nach Ratingen zurückgekehrt) einen herausragenden Innenblock, sodass er die Adler-Abwehr von 2019/2020 durchaus kritisch sehen dürfte. Mehr als jene 560 Gegentreffer der Krefelder kassieren lediglich der Vorletzte TSV Aufderhöhe (570) und der Letzte HSG Düsseldorf II (596), die bei einem normalen Saisonverlauf abgestiegen wären.

Wir finden eine Lösung: Trainer Marius Timofte (rechts) und  Kapitän Sebastian Bartmann wissen, dass die Adler bis zum Saisonstart noch viel Arbeit haben – und sie sind entschlossen, ihr Programm durchzuziehen. (Foto: Herbert Mölleken)

Bei Sebastian Bartmann sind manche Dinge besonders bemerkenswert. Erstens: Er ist sportlich ein Schwergewicht und mit seiner körperlichen Präsenz eine auffällige Erscheinung – vorne als Kreisläufer kaum zu bremsen und hinten als Abwehrkraft ein echtes Bollwerk. Zweitens: Er ist ein klassischer Teamplayer, der den Erfolg des Ganzen über den persönlichen Triumph stellt. Deshalb nimmt er den Titel eines Torschützenkönigs ganz gerne mit, hätte ihn allerdings auch jedem seiner Mitspieler gegönnt. Drittens: Bartmann ist außerdem für den Klub als Königshofer aus tiefster Überzeugung ein Schwergewicht neben der Platte. Intern trägt er unverändert den schwer angestaubt wirkenden Titel „Zeugwart“. Vielleicht lässt es sich so übersetzen: Bartmann erledigt halt eine Menge Zeug. Irgendwie muss er selbst grinsen: „Ich glaube, ich bin bei allen Mannschaften in allen WhatsApp-Gruppen.“

Einer der Bereiche dabei ist es, die Adler in einer nicht einfachen Zeit zukunftssicher aufzustellen. „Der Verein wächst, es geht voran“, sagt Bartmann, der als Kapitän auf natürlichste Art der verlängerte Arm seines Trainers Timofte ist, „wir finden Zuspruch ohne Ende in Krefeld.“  Weiter voran soll nicht zuletzt die Entwicklung der ersten Männer gehen, die zurzeit nach einigen Wechseln erneut als U 24 durchgehen könnte. Den Altersschnitt verderben alleine Bartmann mit 29 und erst recht Torhüter Florian „Colt“ Lindenau, der sich erstens mit ihm das Kapitänsamt teilt und zweitens mit 40 unverändert zu den Top-Keepern am Niederrhein gehört. Die beiden führen ein Aufgebot an, in dem 20-Jährige wie Jonathan Steinkuhl oder Titus Kuhlen zu den Jüngsten gehören und der von Treudeutsch Lank zu seinem alten Klub zurückgekehrte Rückraumspieler Fabian Vogel mit 27 praktisch das Mittelfeld in der Alters-Pyramide bildet. Auf der anderen Seite mussten die Adler bei den Abgängen eine besonders bittere Pille schlucken, weil ihnen Niklas Funke künftig nicht mehr zur Verfügung steht oder als Standby-Spieler allerhöchstens in der größten Not (Master-Studium). „Es wird schwer, ihn zu ersetzen“, weiß Bartmann – und baut zugleich aufs gesamte Team: „Ich hoffe, dass wir es ohne ihn schaffen.“

Dieses „Es“ sieht relativ zurückhaltend aus. Die Mannschaft hat in den vergangenen komplizierten Monaten ihre Hausaufgaben gemacht und viel für die Fitness getan – zum Teil erst im „Home Office“, später als Mannschaft. Den noch vorhandenen Sand im handballerischen Getriebe wollen die Königshofer bis zum Saisonstart in einer Reihe von Tests so weit wie möglich herausgekehrt haben – um am 5. September mit Volldampf loszulegen. Und obwohl selbst viele der jungen Adler flugtauglich sind, geht der Blick nicht zu hoch hinaus. Bartmann: „Wir wollen zu allererst die Klasse halten. Ein einstelliger Tabellenplatz wäre schön.“ Das passt trotz aller Vorsicht inhaltlich zu einer Äußerung aus dem vergangenen November: „Wenn wir zusammenbleiben, können wir in zwei oder drei Jahren vielleicht wieder an die Regionalliga denken.“ Und es widerspricht auch nicht jener Forderung: „Wir brauchen eine junge Mannschaft, die Spaß macht.“ Beides haben sie in Königshof im Sommer 2020.