Bundesliga-Testlauf
Endlich mit Fans: Der Feiertag in Essen
Für Aufsteiger TuSEM und den Bergischen HC war das Ergebnis beim 26:28 fast unwichtig.

Hoch, höher, Firnhaber: TuSEM-Linkshänder Lucas Firnhaber erzielte innerhalb von zehn Minuten sechs Treffer – was vor allem die Essener unter den 300 Fans großartig fanden. (Foto: Thomas Schmidt)

Sicher. Die Halle „Am Hallo“ ist nicht der „ISS-Dome“ zu Düsseldorf, in dem die HBL mit der Partie der beiden Erstligisten TuSEM Essen und Bergischer HC einen Testlauf für die neue Saison durchführen wollte, die in gut zwei Wochen beginnen soll. Die aktuelle Corona-Schutzverordnung des Landes NRW ließ/lässt aber nur 300 Zuschauer zu, sodass eine Partie in der riesigen Arena in der Landeshauptstadt mit einem Fassungsvermögen von rund 13000 Fans ziemlich sinnfrei gewesen wäre. Also folgte die Absage an den Standort Düsseldorf und es drohte die komplette Streichung – was die Vereine ebenso verwundert wie betroffen zurückließ. Deshalb machten der Aufsteiger TuSEM und der BHC aus der Not eine Tugend und testeten die in intensiver Arbeit erstellten Hygienekonzepte eine Nummer kleiner im TuSEM-Wohnzimmer, das mit einer Kapazität von knapp 3000 Fans mühelos Raum für die 300 erlaubten bot. Und genau die demonstrierten hinterher, was sie vom Auftritt der künftigen Erstliga-Rivalen hielten: Es gab Applaus für beide Teams – und sicher nicht in erster Linie, weil Essen oder der BHC eine herausragende Leistung geboten hätten. Herausragend war vor allem, dass ein Hauch von Spitzenhandball durch die Halle zog. Die Atmosphäre: Entspannt auf der Tribüne, wo sich alle genau an die Regeln hielten, und zupackend auf dem Feld, wo sich naturgemäß nicht alle an die Regeln hielten. Die beiden Unparteiischen Christian Hannes/David Hannes (Aachen/Frankfurt) hatten bisweilen viel Arbeit, weil es oft herzhaft zur Sache ging. Und in Ordnung ging unter dem Strich der Sieg des BHC, der den geglückten Test mit 28:26 (14:13) zu seinen Gunsten entschied.

Der neue TuSEM-Trainer Jamal Naji hätte sich für den ersten Saison-Auftritt seiner Mannschaft ein günstigeres Resultat gewünscht, fand aber etwas anderes wichtiger: „Ich habe vorher gesagt, dass es um mehr geht als das, was wir spielerisch und taktisch probieren. Wir wollten so spielen, dass die Menschen hinterher sagen, dass es sich gelohnt hat, die wollen wir bald wieder sehen.“ Übersetzung: Es sollte nach Monaten der Abstinenz eine Werbung für den Handball allgemein sein und natürlich besonders für die Gastgeber. Der Plan ging in der durchaus ernsthaft geführten Co-Produktion mit der Mannschaft von BCH-Trainer Sebastian Hinze voll auf – ohne dass sich daraus viele Schlüsse für die am 1. Oktober beginnende Saison 2020/2021 ziehen lassen. Beide Seiten machten allerdings Appetit auf mehr und die Beteiligten hoffen jetzt inständig, dass sie bald vor mehr als jenen 300 Zuschauern starten können. Für den Bergischen HC geht es mit dem dicken Brocken beim SC Magdeburg los, während TuSEM das Abenteuer Bundesliga gegen Frisch Auf Göppingen beginnt.

Du zuerst: TuSEM-Trainer Jamal Naji ließ seinem BHC-Kollegen nach dem Spiel bei der Analyse den Vortritt am Mikrofon. (Foto: Thomas Schmidt)

Die Trainer-Kollegen Naji und Hinze waren sich in ihrem Urteil einig: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns, wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen.“ Der BHC – kein Wunder – hinterließ den routinierteren Eindruck. Essen, das kämpferisch ohnehin zu überzeugen wusste, deutete in manchen Szenen ebenfalls seine Bundesliga-Tauglichkeit an. Erster Beleg: Torhüter Sebastian Bliß zeigte einige überragende Paraden. Zweiter Beleg: Zweimal gelang TuSEM ein Treffer per Kempa-Trick, als Felix Klingler zum 11:10 (25.) vollendete und als Dimitri Ignatow zum 19:21 (43.) verkürzte. Dritter Beleg: Es gibt Spieler, die kräftige Akzente setzen können – wie Linkshänder Lucas Firnhaber, der vom 3:5 (12.) bis zum 9:8 (22.) sechs Treffer erzielte. 

Logisch: Als sich der BHC, der Firnhaber zunächst gar nicht auf der Rechnung zu haben schien, konzentrierter um den Rückraumspieler kümmerte, war die Leichtigkeit des Seins deutlich schwerer. Unter dem Strich konnten jedoch sowohl TuSEM als auch der BHC mit den erkennbaren Aufs und Abs leben. Stimmung in der Halle, Handball vor Fans – das waren die Puzzleteile, nach denen sich alle so lange gesehnt haben.