15. September 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Wer früher im Erdkunde-Unterricht aufgepasst hat, der weiß es: Als Pendler werden Menschen beschrieben, die des Berufs wegen eine Stadtgrenze überschreiten. Der Weg eines Pendlers zur Arbeit kann dabei nur wenige Meter oder eben einige Kilometer betragen. Das lässt sich auf den Handball übertragen: Viele Sportler pendeln zwischen der geliebten Halle und dem geliebten Zuhause. Eine Luftlinie zwischen Aachen und Zürich ergibt dabei 419,04 Kilometer. Fürs Pendeln unmöglich? Andreas Heyme und der Regionalligist BTB Aachen werden in der kommenden Saison 2020/2021 versuchen, das Gegenteil zu beweisen.
Der gebürtige Aachener lebt heute in Zürich und arbeitet dort als Wirtschaftsprüfer. Mit dem Handball ging es für den 27-jährigen 2002 beim BTB los. Kurze Zeit später traf der noch kleine Andreas dann auf den noch jungen Simon Breuer, der damals die C-Jugend der „Bandits“ trainierte. Breuer, heute Regisseur der Aachener und Sportlicher Leiter, erinnert sich: „Andreas war schon damals kräftig, talentiert und ehrgeizig.“ Nach dem Wechsel zum Birkesdorfer TV wurde der VfL Gummersbach auf Heyme aufmerksam und nahm ihn in seine Jugendakademie auf. Im Jahr 2011 durfte der Kreisläufer schließlich Bundesligaluft schnuppern. „Auf vielen seiner Wege hat er sich mit seinem Fleiß behaupten können“, findet Simon Breuer.
Heyme zog es später in die Schweiz, doch seine Wurzeln hat er nie vergessen. Bestes Beispiel dafür ist ein gemeinsamer Wanderurlaub mit den BTB-Spielern Benedikt Schüler, Peer Dosch und David Bökmann. Daneben sah Heyme seine alten Aachener Freunde auch ohne besonderen Anlass regelmäßig. „Ich hatte schon oft den Gedanken, dort mit dem Handball aufzuhören, wo ich anfangen durfte“, erzählt der Ex-Profi. Aus vielen Gesprächen „Was wäre, wenn…“ wird nun tatsächlich Realität. „Das bedeutet mir sehr viel. Ich kenne fast die ganze Mannschaft und wollte unbedingt noch mal mit ihnen auf dem Feld stehen – speziell mit Peer Dosch“, erklärt Heyme.
Und wie lässt sich mit einem Vollzeitjob eine Strecke von knapp 420 Kilometern wöchentlich überbrücken? Im Grunde fast gar nicht. Aber wo ein Wille ist, ist in diesem Fall gleichzeitig auch ein Weg. Andreas Heyme kann sich in der Woche aufs Leben in Zürich konzentrieren und sich beim Zweitligisten STV Baden (sein letzter Verein in der Schweiz) fit halten. Für einige ausgewählte Spiele wird er sich freitags in ein Flugzeug setzen, um am jeweiligen Wochenende mit seinen Freunden in der Regionalliga Nordrhein auf die Jagd nach Punkten zu gehen. An den Sonntagen geht es zurück nach Zürich und für die Übernachtungen wird sicher immer eine Couch bei den Teamkollegen frei sein, falls Andreas Heyme nicht ohnehin seine in Aachen lebende Mutter besucht.
Der Aufwand insgesamt ist groß. Sollte der Plan jedoch funktionieren, können Heyme und seine Freunde beim BTB eine ihrer vielen „Spinnereien“ tatsächlich schöne Realität werden lassen – und endlich wieder gemeinsam Handball spielen. Dabei wird Heyme sportlich ins kalte Wasser springen: „Ich habe letztes Jahr vielleicht ein Spiel der Nordrheinliga gesehen, aber ich werde versuchen, die Mannschaft noch einen Schritt weiterzubringen.“
An Motivation fehlt es demnach nicht, doch Heyme (in der Saison-Vorbereitung häufiger an Bord) wird aus beruflichen Gründen praktisch jedes Mannschaftstraining verpassen. „Gegnerspezifische Vorbereitung wird nicht möglich sein, doch seine individuelle Stärke kann definitiv weiterhelfen“, glaubt Simon Breuer. Das Zusammenspiel mit dem Kreisläufer-Kollegen David Bökmann sieht er ebenfalls sehr positiv: „Während David ein beweglicher Kreisläufer ist, wird Andreas als stehender Kreisläufer Räume schaffen. Sie werden sich gut ergänzen.“ Den „Joker“ werden die Aachener aber nur in ausgewählten Spielen ziehen (15 insgesamt sind das Ziel) und ganz sicher in den Derbys gegen den HC Weiden. Andere Gegner werden vielleicht mehr Glück haben. So extrem kann selbst Heyme nicht für seine Freunde pendeln.