Pixum Supercup in Düsseldorf
Sander Sagosen: Kiels Superstar ist auch nur ein Mensch
Der Handball ist zurück und der THW setzt sich gegen Flensburg verdient mit 28:24 durch.

Wir packen ihn!? Kiels Sander Sagosen (mit Ball) konnten die Flensburger (links Hampus Wanne, rechts Franz Semper) allerdings nicht immer aufhalten. (Foto: HBL/Klahn)

Du bekommst eine Gänsehaut, denn der Handball lebt. Und wie. Irgendwo in den vergangenen sechs Monaten ist er sogar derselbe geblieben – obwohl gerade so vieles anders ist. THW Kiel gegen SG Flensburg-Handewitt und der ISS Dome in Düsseldorf beim Supercup nicht ausverkauft? Passt nur auf den ersten Blick nicht. Genau 2640 Fans hätten an diesem Abend kommen dürfen – und 2100 waren tatsächlich live dabei, um nach der wie eine Ewigkeit wirkende Corona-Zwangspause mit einer Ansammlung von Weltklasse-Spielern zu feiern. Dass rund 500 Plätze unbesetzt blieben – geschenkt, weil die Ausweitung der Kapazität von 999 auf jene 2640 erst drei Tage vorher erlaubt worden war. Die Botschaft war diesmal viel wichtiger – wichtiger sogar als das Ergebnis. Hier gibt es in Duellen zwischen den beiden Rivalen aus dem Norden sowieso kein unwichtig. Deshalb feierte der THW seinen 28:24 (14:13)-Erfolg auch nicht wie selbstverständlich. Da bleibt eher jene Feststellung: Wer das Team von Trainer Filip Jicha als Favoriten für den Titel in der Saison 2019/2020 ansieht, liegt vermutlich nicht ganz falsch.

Was den Titelverteidiger noch stärker macht, ist mehr als seine ohnehin herausragende Besetzung. Erster Beleg: In Niklas Landin fehlte zwar die etatmäßige Nummer eins zwischen den Pfosten, aber in Dario Quenstedt hatte Jicha einen starken Ersatz – der später zum „Man of the match“ gewählt wurde. Zweitens: Der defensive Block mit den Nationalspielern Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Holger Weinhold lässt gegnerische Angreifer gerne mal vor eine Wand laufen. Dritter Beleg: Der Norweger Sander Sagosen und der Kroate Domagoj Duvnjak sind wohl das neue Traumpaar in der Bundesliga.

Beider Arbeitsplatzbeschreibung lautet: Rückraum Mitte und Rückraum links. THW-Coach Jicha beginnt in Düsseldorf mit dem 25 Jahre alten Sagosen, während sich Duvnjak (32) die Dinge zunächst relativ lange von der Bank aus ansehen darf. Was er beobachtet: Sagosen, den viele als den derzeit besten Handballer der Welt bezeichnen, ist der Dreh- und Angelpunkt. Sein Anspiel auf Kreisläufer Patrick Wiencek bringt das 1:0 (1.) und keine 60 Sekunden später erzielt er mit dem 2:1 (2.) das erste seiner insgesamt sieben Tore. Die Szene, die viel mehr sagt, spielt sich allerdings in der neunten Minute ab. Da wird Weinhold auf dem Feld behandelt und Sagosen begibt sich zur Bank, um seine Trinkflasche zu suchen. Wer ihm dabei behilflich ist: Domagoj Duvnjak. Klar. Er lebt den Handball offensichtlich mit jeder Faser seines Herzens und ist sich für die kleinen Dinge nicht zu schade. Deshalb ist er ein ganz Großer – und der THW mit der Paarung Duvnjak/Sagosen schwierig zu packen.

Konfetti und Laser-Schau: Der Deutsche Meister THW Kiel wusste den Erfolg im Supercup nach der Niederlage gegen Flensburg vor einem Jahr zu genießen. (Foto: HBL/Klahn)

Flensburg, der Titelverteidiger von 2019, hält trotzdem intensiv dagegen und vor allem in der ersten Halbzeit auf Augenhöhe mit. Erkennbares Handicap hier schon: Die SG lässt die eine oder andere durchaus sehr freie Wurfchance zu viel aus. Rückraumspieler Magnus Rød, der leer ausgeht, fasst es später treffend zusammen: „Das war nicht die optimale Leistung von unserer Seite. Wir haben viel Verbesserungspotenzial in Abwehr und Angriff, aber wir haben auch Sachen gut gemacht. Am Ende reicht das aber nicht, wenn du gegen eine Mannschaft wie den THW nicht über das ganze Spiel hundert Prozent zeigst.“ Die Richtung der Partie stand nach dem 13:13 (28.) fest, als zweimal Sagosen und Harald Reinkind auf 16:13 (34.) für Kiel stellten. Die SG kam nicht mehr näher als auf zwei Tore heran und mit dem Weinhold-Tor zum 25:21 (56.) durften sich alle auf der Bank des THW zurücklehnen. Längst vergessen war damit im Übrigen jene Szene kurz vor der Pause, als ausgerechnet Sander Sagosen den Ball wie ein Kreisliga-Spieler verlor. Der Superstar ist also auch ein irdisches Wesen.

Die Verantwortlichen der HBL um Geschäftsführer Frank Bohrmann wirkten vor allem sehr erleichtert – weil die Veranstaltung mit einem ausgefeilten Hygienekonzept nahezu perfekt funktionierte. „Unter diesen Umständen bin ich sehr zufrieden mit dem Spiel und der Veranstaltung. Alle Vorgaben wurden eingehalten. Wir hatten uns mit der Politik und den örtlichen Gesundheitsbehörden abgesprochen. Ich glaube, kein Funktionär, kein Spieler und kein Zuschauer hat hier irgendein Gesundheitsrisiko eingehen müssen“, sagte Bohrmann, „die beschränkte Quote führt natürlich zu einem anderen Charakter als beim Handball in einer ausverkauften Halle. Es kommen die Masken dazu, die wir hier in der Halle als notwendig erachtet haben. Es sind Umstände, die wir uns anders wünschen würden. Und es ist auch in gewisser Weise eine Zumutung für den Handball-Fan, doch unter den gegebenen Voraussetzungen haben wir leider keine andere Möglichkeit. Wir werden es so in den kommenden Wochen in jeder Arena der Handball-Bundesliga so sehen.“ 

Und wer wird Deutscher Meister? Vielleicht der THW Kiel, vielleicht die SG Flensburg-Handewitt, vielleicht die Rhein Neckar Löwen, vielleicht ein Überraschungs-Team. Irgendwie sitzen im Moment erst mal alle in einem Boot.  Das ist ja tatsächlich die Kernbotschaft des Abends: Der Handball lebt. Da bekommst du direkt eine Gänsehaut. 

THW Kiel: Saggau, Quenstedt – Ehrig, Duvnjak (2), Sagosen (7), Reinkind (1), M. Landin (4), Weinhold (1), Wiencek (2), Ekberg (7/4), Wäger, Dahmke, Zarabec (3), Calvert, Horak, Pekeler (1).

SG Flensburg-Handewitt: Buric, Bergerud – Hald, Svan (4), Wanne (4), Jøndal, Steinhauser, Larsen (2), Søgard (2), Gottfridson (1), Semper (3), Pelko (3), Möller (5), Rød.