Regionalliga Nordrhein
Rheinhausen reagiert: „Handball braucht eine Stimme“
Der OSC kämpfte gegen die Hallensperrung und hätte gegen Neuss spielen dürfen. Ausgerechnet sein Verband Handball Nordrhein grätschte aber mit der Saison-Unterbrechung dazwischen.

Noch die Nummer 1: Der Regionalligist OSC Rheinhausen macht sich Gedanken um seine eigene Heimat und die des Handballs allgemein. (Foto: Herbert Mölleken)

Handball Nordrhein ist ein eingetragener Verein, gegründet am 22. Juni 2016 von den Verbänden Mittelrhein und Niederrhein. Er kümmert sich seitdem um die neue Regionalliga, zusammengesetzt aus den alten Oberligen der beiden Mitgliedsverbände. Einer der folgenreichsten Beschlüsse des relativ jungen Konstrukts: Am vergangenen Donnerstag erklärte Handball Nordrhein den Spielbetrieb in der Saison 2020/2021 coronabedingt bis zum 14./15. November für unterbrochen. Widerspruch gab es zwar, aber überwiegend nur hinter vorgehaltener Hand. Und klassischen Widerstand schien erst recht keiner leisten zu wollen. Fast keiner. Denn zumindest einer hat seinen Unmut öffentlich gemacht und denkt nicht daran, die Richtung von „oben“ ohne Weiteres abzunicken. Der Regionalliga-Aufsteiger OSC Rheinhausen aus Duisburg mit dem Vorsitzenden Klaus Stephan an der Spitze fasst zusammen, wie er die Lage sieht: „Der Handball braucht eine Stimme.“ Er spricht Handball Nordrhein einerseits die Zuständigkeit für derartige Entscheidungen ab und hält sie andererseits sogar für geeignet, dem Handball Schaden zuzufügen. Die Duisburger wollen lieber alles in ihrer Macht stehende tun, um den Meisterschafts-Betrieb gerade in dieser schwierigen Zeit aufrechtzuerhalten – und ihn nicht etwa in einer Art des vorauseilenden Gehorsams freiwillig stillzulegen. Geht nicht? Offensichtlich doch.

Die für den vergangenen Sonntag vorgesehene Partie der Rheinhausener gegen den Neusser HV hätte stattfinden können – obwohl die Stadt Duisburg am Mittwoch die Hallen für Kontaktsport gesperrt hatte. Der OSC wollte das so eben nicht im Raum stehen lassen. Und weil er wie ein paar andere betroffene Vereine den Stadtsportbund als Interessen-Vertreter auf seiner Seite hatte, war der Einsatz erfolgreich. Der Corona-Krisenstab der Stadt modifizierte letztlich seine neueste Verordnung und gestattete mehreren bundes- und landesweit aktiven Klubs der Stadt, ihre Trainingseinheiten und Spiele uneingeschränkt fortzuführen. Einzige Vorschrift: Keine Zuschauer. Dass die Stadt zuvor den Stadtsportbund als Anwalt des Sports nicht bei der Entscheidungsfindung ins Boot geholt hatte, war damit ebenfalls wieder vom Tisch. Gemeinsam erarbeiteten die Beteiligten rund um Duisburgs Sportdezernenten Ralf Krumpholz und den Sportbund-Geschäftsführer Uwe Busch ein zunächst bis zum 31. Oktober gültiges neues Modell im Sinne des Sports: „Wegen der besonderen Bedeutung des Wettkampfbetriebs von Duisburger Sportvereinen in bundes- und landesweiten Ligabetrieben.“

Beim OSC wurden sie erst auf dem falschen Fuß erwischt, ehe sie sich über die Wende zum Positiven freuten – und kurz darauf erneut aus allen Wolken fielen. Dass ihnen dann ausgerechnet Handball Nordrhein einen Strich durch die Rechnung machte, kann OSC-Chef Stephan, dem die Erlaubnis des Gesundheitsamtes für die Austragung des Spiels schriftlich vorliegt, nicht mal im Ansatz nachvollziehen. Den Standpunkt des Vereins hat er inzwischen auch an einem Schreiben an den Nordrhein deutlich gemacht. Inhalt: Dessen Vorstand möge künftig bitte ausschließlich den Handball vertreten und die Einschätzung des Infektionsgeschehens sowie sich daraus ergebenden Maßnahmen den in diesem Punkt kompetenteren (und zuständigen) Gesundheits- und Ordnungsämtern überlassen. Fast überflüssig zu betonen, aber an dieser Stelle hilfreich: Falls jene Ordnungsbehörden oder das Land NRW oder sonstige legimitierte Institutionen umfangreiche Verbote für Training und Spiele ausgesprochen hätten oder aussprechen würden, wäre die Sachlage eine andere – und die Saisonpause aus der Sicht des OSC nachvollziehbar. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es allerdings so, dass die zuständigen Behörden den Handball nicht zu den Infektionstreibern zählen.

Wie ist das zu erklären? Rheinhausens Trainer Thomas Molsner (rechts) und seine Spieler (links Yannik Kamp) können wenig damit anfangen, dass sie zurzeit nicht spielen dürfen. (Foto: Herbert Mölleken)

Die Rheinhausener sorgen sich um den Handball allgemein und über den in der Regionalliga besonders, weil diese 4. Liga eben keine Klasse mehr sei, in der Sport als lupenreine Freizeitbeschäftigung gilt. Niemand wird bestreiten können, dass Geld fließt – hier etwas weniger, dort etwas mehr oder sogar deutlich mehr. Klaus Stephan macht eine Rechnung auf, die für die 15 Vereine der Regionalliga nicht völlig unwahrscheinlich ist: „Wir treiben schon einen hohen Aufwand, wir bewegen zusammen eine bis zwei Millionen Euro pro Saison.“ Daraus folgt: Eine Unterbrechung der Saison oder gar deren Abbruch drohen wenigstens einen Teil der Vereine früher oder später hart zu treffen. Stephan treibt die Sorge um, dass sich auf Dauer der eine oder andere Sponsor eines Vereins die Sinnfrage stellt: Warum soll ich etwas unterstützen, für das ich keine Gegenleistung bekomme oder jedenfalls keine in der vereinbarten Form? Drastisch durchgerechnet: Mancher Klub könnte durchaus Schwierigkeiten bekommen (oder die bereits vorhandenen sich vergrößern). Diesen Punkt konnten die Entscheidungsträger in Duisburg offensichtlich nachvollziehen. Von ihrem Verband hätten sich die Rheinhausener da eine ähnliche Unterstützung gewünscht und nicht zuletzt ein Plus an Kommunikation in dieser Frage – die nach Stephans Aussage gar nicht stattfand. „Wir brauchen einen verbindlichen Rahmen, sonst geraten wir alle ins Schlingern“, meint der OSC-Vorsitzende. Was über den eigenen Verein hinausgeht: Stephan glaubt an weitere gravierende Folgen, falls sich der Handball möglicherweise sogar selbst schadet: „Wir haben ein großes Problem, denn wir haben so viele junge Leute. Der Sport gibt ihnen eine gute Wiese und einen guten Rahmen, um sich auszutoben.“ Wenn diese „Zielgruppe“ dem Sport fernbleibe und vielleicht noch mehr Zeit vor dem Rechner verbringe, leide darunter nicht nur der Handball. 

Klaus Stephan steht im Übrigen ziemlich außerhalb jedes Verdachts, die Dinge auf die zu leichte Schulter zu nehmen. Er ist kein Verschwörungsthoretiker und kein Verharmloser, erlaubt sich allerdings einen eigenen Standpunkt: „Ewige Angst und Hysterie bringen keinen weiter.“ Als 61-Jähriger gehört Stephan selbst zu dem Kreis an Menschen, die im neueren Deutsch die Bezeichnung „Risikogruppe“ tragen. Ganz nebenbei ist er dann noch Leiter einer großen Duisburger Schule – was eine Menge Verantwortung für über 1000 Schüler und die Lehrerkollegen mit sich bringt. Der Pädagoge mit einer Leidenschaft für die Mathematik kennt sich aus im schwierigen Umgang mit Corona: „Natürlich müssen wir immer das Risiko abwägen.“ Das gehört zum täglichen Geschäft des Lehrers Stephan und der Handballer Stephan sieht das nicht anders. In beiden Bereichen tritt er als Interessen-Vertreter auf – wie er es sich so ähnlich von Handball Nordrhein wünschen würde. Dass er mit dieser Einstellung und dem Versuch, den Handball lieber fortzuführen, nicht überall auf Beifall stoßen wird, ist ihm klar. Trotzdem bleibt Klaus Stephan dabei: „Gerade in der Krise musst du Haltung zeigen.“