29. Oktober 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Seit Mittwoch ist klar, dass ab dem kommenden Montag nicht mehr alle Handballer weitermachen dürfen. In einem von der Bundeskanzlerin zusammen mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder gefassten Corona-Beschluss sind zahlreiche Maßnahmen aufgeführt – die zum Teil weit über die bisher gültigen Regelungen hinausgehen. In Punkt 5 heißt es: „Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind, werden geschlossen.“ Absatz d führt aus: „Dazu gehören der Freizeit- und Amateursportbetrieb.“ Alles klar? Jein. Richtig kompliziert macht es Punkt 6: „Profisport-Veranstaltungen können nur ohne Zuschauer stattfinden.“ Niemand wird abstreiten, dass der Handballer aus der 1. Kreisklasse einem reinen Freizeitvergnügen nachgeht, dem er sich natürlich mehr oder weniger ernsthaft widmen kann. Und keiner wird bezweifeln, dass die Erst- und Zweitligisten im Hauptberuf überwiegend Sportler sind. Deshalb hat der Deutsche Handball-Bund diese beiden Klassen ja unter dem Dach „HBL“ zusammengefasst. Irgendwie zwischen den Stühlen sitzt die 3. Liga – ein Zwitter, eine Mischform aus unterschiedlichen Bausteinen. Genau hier müssen sich die Beteiligten schnell über sich selbst klar werden: Wer oder was sind wir denn eigentlich? Die Antwort darauf wird mit darüber entscheiden, wie die Saison weitergeht und ob überhaupt.
Aus dem Harzhelden-Gebiet gehören sechs Mannschaften zur Gruppe Mitte: HSG Krefeld Niederrhein, Longericher SC, Bergische Panther, TuS 82 Opladen, Leichlinger TV, VfL Gummersbach II. Sie alle wären am kommenden Wochenende im Einsatz gewesen – und sie alle werden gleichwohl untätig sein, also jedenfalls nicht um Meisterschaftspunkte kämpfen. Krefeld pausiert, weil die HSG Bieberau-Modau noch nicht wieder kann, der Longericher SC, weil in dieser Woche zwei positive Corona-Tests aus dem Umfeld der eigenen Mannschaft vorlagen, die Panther und die Leichlinger, weil der LTV vor dem Derby weiter seine Spielunfähigkeit nachgewiesen hat, die Gummersbacher nicht, weil sich die komplette Mannschaft noch in Quarantäne befindet – und die Opladener aus demselben Grund. Der ursprünglich neun Partien umfassende Spielplan bietet (Stand Donnerstag, 13.30 Uhr) nur noch die Duelle SV 64 Zweibrücken gegen TV Hochdorf, TSG Haßloch gegen TuS Dansenberg und HSC Bad Neustadt gegen HG Saarlouis. Angesichts der komplizierten Lage steht fest, dass der für die 3. Liga Mitte zuständige Spielleiter Andreas Tiemann im Grunde eine außergewöhnliche Fähigkeit braucht – denn er müsste die Quadratur des Kreises beherrschen. Zunächst stellt er fürs Wochenende etwas klar: „Der Spieltag bleibt.“
Schlechte mathematische Voraussetzungen für die gesamte Problematik bringt Tiemann nicht mit, weil er sich als Prokurist bei einer Bank im Umgang mit Zahlen und Berechnungen auskennt. Als leidenschaftlicher Kämpfer für den Handball hat er sich schon zuletzt massiv dafür eingesetzt, so lange wie möglich die Meisterschaft fortzusetzen und nicht etwa vorauseilend den Sport freiwillig auf Eis zu legen. Das hat ihm in seiner Tätigkeit als für den Spielbetrieb zuständiger Vizepräsident des Handball-Verbandes Westfalen nicht nur Freunde eingebracht. Die Kritik, neben der durchaus auch Zuspruch eintraf, vermag allerdings nicht seine feste Einstellung zu verändern: „Wir als Verbände sind dazu da, die Interessen des Handballs zu vertreten. Wenn wir es nicht tun, wer sonst?“
Weil die aus den vier Gruppen Nord-Ost, Nord-West, Mitte und Süd bestehende 3. Liga eine bundesweite Lösung braucht, wird sich der Deutsche Handball-Bund mit dem Vorstands-Vorsitzenden Mark Schober federführend einklinken. „Der DHB wird klären, wie sich die 3. Liga selbst sieht“, erläutert Tiemann. Am Ende wird das Meinungsbild der Vereine im besten Fall eine klare Antwort bieten. Erster Standpunkt: Drittliga-Handballer sind Berufsspieler, weil sie feste Verträge haben und Geld verdienen. Und es gibt sicherlich Drittligisten wie den VfL Eintracht Hagen aus der Gruppe Nord-West oder die HSG Krefeld aus der Gruppe Mitte, die für sich professionelle Strukturen in Anspruch nehmen. In einer vergleichbaren Kategorie sehen sich ein paar andere angesiedelt, wie gerade die SG Menden Sauerland Wölfe erklärt haben. Der Trainings- und Spielbetrieb sei zwar eingestellt, aber man erkenne eine Ausnahme: „Wir gehen davon aus, dass unsere 1. Herrenmannschaft nicht betroffen ist, da es sich laut Definition nicht um Amateursport handelt.“ Wiederum andere sind in Umfang und Ausstattung weit von Profi-Handball entfernt. Sehr gesicherte Erkenntnis dürfte jedoch sein, dass kein Spieler ohne entsprechende finanzielle Zuwendung unterwegs ist.
Wie die Meinung aller Drittligisten ausfällt, mag Andreas Tiemann nicht prophezeien. In einen Beschluss zur Fortsetzung der Saison als Profi-Liga müsste außerdem einfließen, dass wenigstens bis Ende November keine Zuschauer zugelassen sind – die Vereine also eine Reihe von „Geisterspielen“ zu absolvieren hätten. Festlegen kann sich Tiemann allerdings darauf, dass die Saison definitiv nicht nach dem bisherigen Modus/Modell weitergeht: „Ich habe jetzt schon 20 Nachholspiele ohne Termin. Es ist undenkbar, nur mit englischen Wochen weiterzumachen.“ Also wird sich was ändern – wobei viele Modelle denkbar sind. Diese Themen sollen ebenfalls in Abstimmung mit den Beteiligten erst vorgestellt und dann besprochen/behandelt/diskutiert werden. Damit hätten die Drittligisten ihr Schicksal an dieser Stelle tatsächlich selbst in der Hand. Wer oder was sind sie denn eigentlich?