Regionalliga Nordrhein/Oberliga Niederrhein
Ein Rücktritt mit Folgen: Wie geht es weiter?
Michael Girbes hat sein Amt als TK-Vorsitzender am Niederrhein niedergelegt, weil er im Präsidium keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit sah. Was aus der Saison wird, ist unklar.

Abpfiff: Michael Girbes, der ehemalige Drittliga-Schiedsrichter, hat sich durch seinen Rücktritt selbst aus der Partie genommen – und das nicht nur für zwei Minuten. (Foto: MG)

Er gehört sicher nicht zu denen, die Dinge leichtfertig entscheiden. Wenn Michael Girbes einen derartig spektakulären Schritt geht, dann hat er sich das gut überlegt. Und er war lange mit den Gedanken beschäftigt, ob er es wirklich und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in die Tat umsetzen soll. Jetzt war es aber so weit – und es muss in der Summe Gravierendes vorgefallen sein. Das für den Sport auf jeden Fall betrübliche Ergebnis: Girbes ist mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Vorsitzender der Technischen Kommission und damit als Mitglied des aus sechs Personen bestehenden Präsidiums im Handball-Verband Niederrhein zurückgetreten. Hört sich möglicherweise im ersten Moment relativ unspektakulär an, hat jedoch durchaus gravierende Folgen. Der HVN verliert in der Organisation des Spielbetriebs seinen ersten Mann und ausgerechnet in der von Corona geprägten und kritischsten Phase seiner Geschichte muss der Verband einen Ersatz finden. Geht es nach dem intern festgelegten Weg, übernimmt der stellvertretende TK-Vorsitzende Peter Monschau (gleichzeitig Männer-Spielwart) zumindest vorübergehend die Tagesgeschäfte. An Arbeit wird es ihm nicht fehlen, zumal die Saison 2020/2021 derzeit nur bis zum 15. November unterbrochen ist. Wie es danach weitergeht, steht zurzeit in den Sternen.

Michael Girbes gehört auch sicher nicht zu denen, die in der Öffentlichkeit eine Art Schlammschlacht vortragen oder schmutzige Wäsche waschen wollen. Wichtig ist ihm dafür die Feststellung, dass sein Rücktritt nichts mit der aktuell fast jede Diskussion bestimmenden Corona-Lage und den zahlreichen daraus entstehenden Schwierigkeiten mit einer hohen zeitlichen Belastung zu tun hat: „Es war klar, dass Corona für uns alle eine riesige Herausforderung wird. Das war für mich kein Problem, denn ich liebe Herausforderungen.“ Den Kontakt zu den Vereinen, deren unermüdlicher Einsatz und Leidenschaft für den Handball in schwieriger Zeit ihm eine Menge Respekt abnötigen, hat er trotz hin und wieder unterschiedlicher Standpunkte immer geschätzt. Weniger glücklich schien Girbes allerdings seit einiger Zeit die allgemeine Stimmung in der Führungsebene zu sein. Der Entschluss, nach dieser Legislatur-Periode aufzuhören und nicht mehr anzutreten, stand schon länger fest. Nun kam wohl jener Tropfen hinzu, der das Fass zum Überlaufen brachte. Girbes nennt ihn den i-Punkt und drückt es so aus: „Die Zusammenarbeit ist nicht so gelaufen, wie ich es mir vorstelle. Es ist in den vergangenen Wochen einiges aufgelaufen.“ Aus seiner Sicht „stehen da bei einigen die Interessen an der falschen Stelle und gehören nicht dem Handball“. 

Michael Girbes hat selbstverständlich nicht vor, dem Handball komplett den Rücken zu kehren. Der 47-Jährige zieht sich „nur“ aus der Arbeit für den Verband Niederrhein zurück, während er für den Handball-Kreis Wesel im bisherigen Umfang als TK-Vorsitzender und Männer-Spielwart weitermacht. Dort können sie sich darüber freuen, dass ihnen einer erhalten bleibt, der den Handball mit seinen vielen Facetten von innen heraus auch als einstiger Aktiver und Drittliga-Schiedsrichter kennt und nicht nur in Sachen Spielbetrieb ein Experte ist. Die Einführung des elektronischen Spielberichts und der Ergebnis-Plattform Nu-Liga waren/sind mit seine Kinder, die er federführend angepackt und vorangetrieben hat. Im Verband verlieren sie einen leidenschaftlichen Kämpfer und Öffentlichkeits-Arbeiter, der eins verstanden hat: Der Handball muss sich darstellen, der Handball muss Standpunkte und seine Interessen mit Nachdruck vertreten, der Handball darf nicht auf der Stelle treten, der Handball muss agieren und er darf nicht nur reagieren. Weil es Handelnde im Übermaß mit diesen Eigenschaften nicht gibt, wiegt der Abgang von Girbes doppelt schwer. 

Auch so kennen ihn viele: Michael Girbes ist im zivilen Leben als Berater von Unternehmen und Dozent in den Bereichen Ladungssicherung, Gefahrgut und Qualitäts-Management tätig. (Foto: MG)

Das Aufgabenfeld für den HVN und auch den die Regionalliga organisierenden Handball Nordrhein ist momentan ausgesprochen kompliziert. Beide hatten am 22. Oktober erklärt, die Saison 2020/2021 bis zum 15. November zu unterbrechen – ehe Bund und Länder in der Woche darauf neue Corona-Vorgaben beschlossen. Kernpunkt: Amateur- und Breitensport ist bis zum 30. November untersagt/unmöglich. Während die 3. Liga gerade in einer Art Selbstfindungsprozess steckt und die Frage beackert, ob sie eher dem professionell orientierten Handball zuzuordnen sei, ist die Antwort für die Klasse darunter klar. Daraus ergibt sich, dass bei konsequenter Einhaltung der Verordnung die Regionalligisten und die Oberligisten im November nicht einmal trainieren dürfen. Das wiederum bedeutet, dass niemand ernsthaft eine Fortsetzung der Meisterschaft ab dem 1. Dezember einplanen darf.

Beispiel Regionalliga Nordrhein und TuSEM Essen II: Der Tabellenführer, der seine bislang letzte Partie am 10. Oktober beim BTB Aachen II absolvierte, würde am 6. Dezember mit dem Spitzenspiel gegen den Dritten OSC Rheinhausen weitermachen sollen, der dann eine identisch lange Pause hinter sich hätte. Ähnlich ist es in der Oberliga: Dort würde der Erste Borussia Mönchengladbach nach dem 23:22 am 10. Oktober im damaligen Spitzenspiel bei der DJK Adler Königshof am 5. Dezember bei Mettmann-Sport antreten. Ein paar Wochen kein Training und dann direkt zurück aufs Feld? Das ist ein angesichts der hohen Gefahr von Verletzungen bei einem Kaltstart ein absurder Gedanke. Wir bieten die folgende Wette an: Handball Nordrhein und der Handball-Verband Niederrhein werden demnächst verkünden, dass die Saison am 9./10. Januar 2021 (Regionalliga/15er-Staffel) beziehungsweise am 16./17. Januar (14er-Staffel) weitergehen soll. Das hätten sie natürlich früher festlegen können. Im Idealfall gibt es bald sogar die Vorlage einer denkbaren Modus-Änderung. Ein bisschen Klarheit wäre schön. Der Handball braucht eine Perspektive.