3. Liga
Null Bewegung: Denn sie wissen nicht, was sie sind
Profis oder Amateure? Der Status ist noch immer ungeklärt und eine Fortsetzung der Saison am 9./10. Januar praktisch ausgeschlossen.

Flugschule: Für Kreisläufer Julian Renninger (mit Ball) ist seine Berufsbeschreibung beim VfL Eintracht Hagen aus der 3. Liga Nord/West völlig logisch: „Ich bin Handball-Profi.“ (Foto: Eintracht Hagen)

Es ist der 30. Oktober 2020. An jenem Freitagabend erklären Präsidium und Vorstand des Deutschen Handball-Bundes, dass der Spielbetrieb in der 3. Liga bis einschließlich 15. November unterbrochen wird. Auslöser dafür ist der zwei Tage zuvor verkündete Beschluss von Bund und Ländern, dass ab dem 2. November der Trainings- und Spielbetrieb untersagt sei – jedenfalls im Amateur- und Breitensport. Nun ist der 10. November 2020. Bei einer Online-Staffeltagung mit Vertretern der Klubs aus allen vier Drittliga-Gruppen verständigen sich die Teilnehmer darauf, die Meisterschaft für den kompletten November und Dezember auszusetzen – um dann möglicherweise den Knopf für einen Neu-Start am Wochenende 9./10. Januar 2021 zu drücken. Die DHB-Mitteilung am Tag darauf bietet wenig bis nichts Neues. Eine Absichtserklärung findet sich immerhin. „Unser oberstes Ziel ist es weiterhin, verantwortungsvoll Möglichkeiten für Handball zu schaffen. Priorität haben dabei Wiederaufnahme und Fortführung des Trainings“, erklärt da Mark Schober, der Vorstands-Vorsitzende des DHB, „insgesamt ergibt sich für die 3. Liga ein heterogenes Bild – auch, was die Einordnung als Amateur- oder Profisport betrifft.“ Inzwischen ist Donnerstag, der 26. November 2020. Was hat sich in der Zwischenzeit getan? Wenigstens in NRW nichts. In der 3. Liga wissen sie immer noch nicht, was und woran sie sind oder sein wollen. 

Trainieren und spielen dürfen trotz der Beschränkung durch die jüngsten Corona-Maßnahmen jene Klassen, die Profi-Sport betreiben – was im Handball nach herrschender Meinung und unbestritten für die 1. Bundesliga und die 2. Bundesliga mit Vereinen wie dem THW Kiel, der SG Flensburg-Handewitt  und TuSEM Essen oder dem VfL Gummersbach und dem TSV Bayer Dormagen gegeben ist. Die Etage darunter? Es prallen gerade in diesen Wochen und Monaten total gegensätzliche Positionen aufeinander. Fragst man nach bei der HSG Krefeld Niederrhein in der Gruppe Mitte oder beim VfL Eintracht Hagen aus der Gruppe Nord/West, fällt die Antwort klar und deutlich aus: „Sicher betreiben wir professionellen Handball. Was denn sonst?“ Andere scheuen dieses Etikett nicht nur, sie gehen weiter – und lehnen die Einordnung vehement ab, als läge darin etwas Verwerfliches. Manche erklären über ihre digitalen Medien sogar bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass sie mindestens hundertprozentig dem Amateurbereich zuzuordnen sind, nur eben sportlich etwas ambitionierter. Ob das der Sache dient oder ob nicht etwas weniger mehr gewesen wäre, ist eine spannende Frage.

Folgendes soll sich momentan in NRW zutragen beziehungsweise zugetragen haben, um eventuell ein bisschen Licht ins Definitionsdunkel zu bringen. Dem Vernehmen nach ist/war zunächst die Staatskanzlei in Düsseldorf mit dem Thema beschäftigt – jene rechte Hand, die den Ministerpräsidenten unterstützt. Vermutlich hatten die Damen/Herren sogar irgendwie eine Ahnung vom Handball. Vermutlich haben sie die Frage nach Profi-Dasein oder Amateur-Status zur Einschätzung trotzdem lieber an den Landes-Sportbund weitergegeben. Vermutlich hatten die Damen/Herren sogar irgendwie eine Ahnung vom Handball. Vermutlich haben sie aber die Frage nach Profi-Dasein oder Amateur-Status zur Einschätzung lieber an den Westdeutschen Handball-Verband gegeben. Ergebnis mit dem Stand von heute, 26. November 2020? Nichts, gar nichts, überhaupt gar nichts. Das gehört in der Kette der unterschiedlichen Standpunkte quer durch die Republik zu den erstaunlichsten Entwicklungen. Einige Bundesländer ordnen den Drittliga-Handball dem Bereich Profi-Sport zu, anderen dem Lager der Amateure. Unabhängig davon, ob das eine oder andere voll zutreffend, teilweise richtig oder komplett falsch ist: Sie haben wenigstens eine Idee von dem, was der Handball sein könnte. Und Nordrhein-Westfalen? Ist dafür bisher nicht entscheidend weitergekommen. Es scheint offensichtlich nicht so eilig zu sein. Daraus folgt jedoch: Ein geregelter Trainingsbetrieb ab dem kommenden Dienstag (1. Dezember) wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden. Ausnahme: Es geschieht bis dahin ein Wunder.

Damit stößt gleichzeitig der Wille, die Fortsetzung der Saison am 9./10. Januar 2020 durchzuziehen, ziemlich ins Leere. Wer ernsthaft Drittliga-Handball ausüben will, braucht schließlich nach einer längeren Pause die eine oder andere Woche der Vorbereitung im Training. Andreas Tiemann, der für die 3. Ligen zuständige Spielleiter, hatte es kurz vor dem Mittwoch-Treffen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten mit dem Beschluss zur Fortsetzung und Teil-Verschärfung von Kontakt-Beschränkungen so skizziert: „Bevor die Politik nicht den Weg beschreibt, können wir keine Entscheidung treffen.“ Klar war ihm allerdings längst, dass ohne ein flächendeckendes Dezember-Training der Januar als Spielmonat praktisch ausfallen dürfte – obwohl es wohl grundsätzlich eine Mehrheit dafür zu geben scheint, die Saison fortzusetzen, und demgegenüber eine Minderheit für den Abbruch/die Annullierung. Über eine andere Idee oder einen neuen Modus mag sich Tiemann noch nicht auslassen, weil dazu die Vereine ihren Teil beitragen sollen/müssen/werden.

Am Freitagabend wird sich jetzt erneut die Spielkommission der 3. Liga zusammenschalten, um die Lage zu beraten: „Da werden wir schauen, was wir machen können.“ Mitglied in diesem Gremium sind neben dem Vorsitzenden Horst Keppler (Spielleitende Stelle Frauen) und dem stellvertretenden Vorsitzenden Tiemann (Spielleitende Stelle Männer) unter anderem Matthias Kohlstrung (HSG Rodgau Nieder-Roden) und Thorsten Barteldrees (VfL Eintracht Hagen) als Vereinsvertreter Männer. Vielleicht gelingt ihnen ja die Quadratur des Kreises. Und die läge wohl bereits vor, wenn die 3. Liga im späten Dezember oder frühen Januar komplett wieder mit dem Training beginnen könnte. Ob sie dann wirklich wissen, was und woran sie sind oder sein wollen? Irgendwann werden sich die handelnden Personen entscheiden müssen. Vielleicht braucht es sogar eine ganz neue 3. Liga.