27. November 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Zahlen lügen nicht. Oder doch? Die Diskussionen um Infektionszahlen zeigen uns ganz aktuell, dass Statistik auch immer eine Frage der Interpretation ist. Im Sport galt dazu mal eine Regel: „Wer am Ende der Saison oben steht, steht da auch verdient.“ Seit dem Jahr 2020 ist alles anders. Die Angst, eine Spielzeit nicht regulär beenden zu können, ist allgegenwärtig und der Blick auf eine Tabelle fast immer schief. Es gibt kaum ein besseres Beispiel als die 2. Handball-Bundesliga. Von den 81 Partien, die bis heute Morgen (27. November) hätten ausgetragen sein sollen, sind 63 über die Platte gegangen. Das ist eine Quote von rund 78 Prozent. Und leider hat es die beteiligten Teams nicht gleichmäßig erwischt, sodass die aktuelle Rangliste recht verzerrt daherkommt. Oder doch nicht?
Zuerst einmal die gute Nachricht für alle Fans des VfL Gummersbach: Die Oberbergischen sind in der aktuellen Tabelle Erster (12:2 Punkte) – und wären es nach einer derzeit einfach mal unterstellten Quotienten-Regel weiter. Die zwölf Punkte aus sieben Partien ergeben einen Schnitt von 1,71 Punkten pro Spiel. Auch Liga-Spitze. Dass die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson wegen eines positiven Coronatests im Team auf die in dieser Woche geplanten Spiele bei den Rimpar Wölfen (Mittwoch) und in Ferndorf (morgen) verzichten muss, wird sie trotzdem ärgern. Nach zuletzt fünf Siegen in Serie war der VfL richtig in Schwung. Keine Frage: Der derzeitige Spitzenreiter ist auch der „gefühlte“.
Hinter Gummersbach gibt es dann selbst in der „bereinigten“ Tabelle nur wenige Verschiebungen – allerdings eine, die echt entscheidend wäre. Der Überraschungs-Aufsteiger Dessau-Roßlauer HV belegt mit 12:6 Punkten derzeit Rang zwei, wäre aber nach Quotienten-Regel (1,33 Punkte pro Spiel) nur Sechster. Den „echten“ Zweiten sucht man im Top-Feld aktuell vergeblich. Das wäre der EHV Aue, der aus seinen erst vier Partien starke 6:2 Punkte (1,5 pro Spiel) aufweist und derzeit Zwölfter ist. Eine hypothetische Quotienten-Regel würde die Sachsen um zehn Plätze nach vorne katapultieren. Dass der EHV irgendeine Ambition in Richtung Aufstieg hat, gilt dabei eher als ausgeschlossen.
Noch härter als Aue hat es die SG BBM Bietigheim getroffen, die erst drei Partien absolviert hat und mit 2:4 Zählern derzeit Vorletzter (Rang 18) ist. Immerhin: Der Schnitt von 0,67 Punkten pro Spiel würde in einer entsprechenden Tabelle einen Sprung um vier Plätze nach vorne und damit weg von den Abstiegsrängen bedeuten. Ganz am Ende ist es dann wieder wie ganz vorne: Der TuS Fürstenfeldbruck ist mit 2:12 Punkten (0,28 pro Spiel) sowohl in der echten als auch in der „bereinigten“ Tabelle Letzter.
Irgendwo dazwischen kann der TSV Bayer Dormagen als zweiter Vertreter aus dem Harzhelden-Gebiet ganz zufrieden sein. Das Team von Trainer Dusko Bilanovic kam nicht ungeschoren durch die bisherige Saison, aber immerhin auf fünf Einsätze und daraus ordentliche 7:3 Punkte. Im Moment steht der TSV auf Platz neun, der Durchschnitt (1,4 Punkte pro Spiel) ist aber noch mehr wert und die Dormagener wären in einer solchen Wertung plötzlich Fünfter. Ganz klar: Am meisten wünschen sie sich im Sportcenter direkt am Rhein, dass die Partie gegen den Traditionsverein TV Großwallstadt am morgigen Samstag um 19.30 Uhr ohne Probleme über die Bühne geht. Das Konto um weitere zwei Punkte aufzustocken, wäre natürlich ebenfalls nicht verkehrt, doch ein Selbstläufer wird die Aufgabe nicht – obwohl die großen Zeiten des Traditionsklubs aus Unterfranken längst vorbei sind. Aber weder davon noch von den übersichtlichen 4:10 Punkten oder dem aktuellen Tabellenplatz 14 wollen sich die zuletzt stark auftrumpfenden Dormagener zu Leichtsinn verführen lassen. „Das ist definitiv eine gute Mannschaft“, betont Bilanovic, der mit seinem Team natürlich einen Erfolg anpeilt.
Weiter fehlen werden die verletzten Julian Köster, Efthymios Iliopoulos und Torhüter Sven Bartmann, der wegen eines Bänderrisses vermutlich noch für rund sechs Wochen ausfällt. Als zweiter Keeper neben Martin Juzbasic wird deshalb Matthias Broy (29) aus der Zweiten (Oberliga) in den Kader rücken. Sicher sehr hilfreich: Ante Grbavac, die Nummer eins im linken Rückraum, steht nach überstandener Bänderverletzung wieder zur Verfügung. Ganz am Ende: Holt der TSV Bayer beide Punkte, klettert sein Quotient bei neun Zählern aus sechs Spielen auf 1,5. Weil der EHV Aue und der VfL Lübeck-Schwartau nicht im Einsatz sind, ist sogar der Sprung auf Platz drei der bereinigten Tabelle drin – und in der „echten“ eine Position im vorderen Drittel. Mit beidem könnten sie in Dormagen bestens leben.
Die „bereinigte“ Tabelle nach einer gedanklichen Quotientenregel (in Klammern die wirkliche Position)
1. (1.) VfL Gummersbach 12 Punkte/7 Spiele = 1,71
2. (12.) EHV Aue 6 Punkte/4 Spiele = 1,5
3. (3.) VfL Lübeck-Schwartau 10 Punkte/7 Spiele = 1,42
4. (8.) TuS N-Lübbecke 7 Punkte/5 Spiele = 1,4
5. (9.) TSV Bayer Dormagen 7 Punkte/5 Spiele = 1,4
6. (2.) Dessau-Roßlauer HV 12 Punkte/9 Spiele = 1,33
7. (5.) HSV Hamburg 8 Punkte/6 Spiele = 1,33
8. (4.) ASV Hamm-Westfalen 8 Punkte/10 Spiele = 1,25
9. (10.) TuS Ferndorf 7 Punkte/6 Spiele = 1,17
10. (6.) Wilhelmshavener HV 8 Punkte/7 Spiele = 1,14
11. (7.) ThSV Eisenach 8 Punkte/8 Spiele = 1,0
12. (11.) HC Elbflorenz 7 Punkte/7 Spiele = 1,0
13. (13.) DJK Rimpar Wölfe 6 Punkte/7 Spiele = 0,85
14. (18.) SG BBM Bietigheim 2 Punkte/3 Spiele = 0,67
15. (14.) TV Großwallstadt 4 Punkte/7 Spiele = 0,57
16. (15.) HSG Konstanz 4 Punkte/7 Spiele = 0,57
17. (16.) TV Emsdetten 3 Punkte/8 Spiele = 0,38
18. (17.) TV Hüttenberg 3 Punkte/8 Spiele = 0,38
19. (19.) TuS Fürstenfeldbruck 2 Punkte/7 Spiele = 0,28