2. Bundesliga
Dormagen setzt auf volle Pulle, Gummersbach die Maßstäbe
TSV Bayer will gegen Hamm-Westfalen zur alten Stärke zurückfinden. VfL hat nicht nur in der Tabelle die Nase vorne.

Bodenturnen: Jakub Sterba (Nummer 34) und seine Dormagener werden auf jeden Fall gegen Hamm-Westfalen den höchsten möglichen Einsatz zeigen müssen – wie hier im Heimspiel (31:25) kürzlich gegen die HSG Konstanz. (Foto: Thomas Schmidt)

Es ist die große Frage, ob das die Aufgabe für den TSV Bayer Dormagen am Freitagabend gegen den ASV Hamm-Westfalen wirklich einfacher macht. Vor gut sechs Wochen war die Welt rund ums Team von ASV-Trainer Michael Lerscht total in Ordnung – erst recht nach dem 27:25 über den VfL Gummersbach. Anschließend gewann Hamm, das nicht wenige für einen der ernsthaften Titelkandidaten halten, bei der DJK Rimpar Wölfe (20:18) und das Konto stand bei 8:0 Zählern. Seit diesem 21. Oktober hakt es aber bei den Westfalen, die nach dem 26:27 gegen den Dessau-Roßlauer HV mit dem 33:23 über den ThSV Eisenach wieder auf den richtigen Weg zurückzukehren schienen. Der Rest des Novembers mit nur zwei weiteren Spielen brachte jedoch viel neuen Frust – 21:27 beim TuS Ferndorf, 19:25 gegen den HC Elbflorenz Dresden. Dann fiel die für den 28. November vorgesehene Partie bei der SG BBM Bietigheim aus, ehe der ASV zuletzt in der Gruppe aus 19 Klubs mit seiner planmäßigen Pause an der Reihe war. Ob er nun zu alter Form und dem früheren Rhythmus findet, werden die Dormagener überprüfen können – die ihrerseits zuletzt einiges schuldig blieben. Gegen den TV Großwallstadt kam die Mannschaft um Chefcoach Dusko Bilanovic beim 23:23 angesichts zahlreicher Fehler und einer miserablen Chancenverwertung mit einem blauen Auge davon, bevor sie beim damaligen Letzten TuS Fürstenfeldbruck in Form des 28:30 die Quittung für einen unterdurchschnittlichen Auftritt erntete. Mit 8:6 Punkten aus erst sieben Partien befinden sich die Dormagener allerdings statistisch durchaus im Zielkorridor, weil sie zuvor fünf Mal in Folge ungeschlagen waren – obwohl praktisch kein einziges Mal der komplette Kader zur Verfügung stand.

Mit dem Rückschlag von Fürstenfeldbruck mag sich Bilanovic nicht mehr lange aufhalten. „Wir blicken lieber nach vorne“, betont der Coach, der die Partie mit seinen Spielern kurz im Videostudium analysierte und dann zügig einen Haken an die Angelegenheit machte: „Jetzt bereiten wir uns volle Pulle auf Hamm vor. Jedem von uns ist klar, dass wir da Leistung bringen müssen.“ Der Blick auf die Tabelle dürfte als zusätzliche Motivation deinen: Gelingt der zweite Heimsieg in dieser Saison, überholt der Elfte TSV die momentan auf Rang sechs liegenden Hammer (10:6 Punkte) und gehört wieder zur oberen Tabellenhälfte. Dass eine happige Aufgabe wartet, ist den Dormagenern gleichzeitig klar: „Hamm ist eine richtig starke Mannschaft“, betont Bilanovic, der sich nicht von den jüngsten Ausrutschern der Gäste täuschen lassen will – und auf der anderen Seite volles Vertrauen in die eigene Mannschaft hat: „Wir sind dazu in der Lage, zu gewinnen.“ 

Aufgrund der Verletzung von Sven Bartmann (Bänderriss), der im neuen Jahr (Mitte Januar) wieder zur Verfügung steht, hatte Dormagen zuletzt Matthias Broy (29) aus der eigenen Zweiten (Oberliga Mittelrhein) hochgezogen. Der TSV-Coach hatte allerdings mehrmals angedeutet, dass – falls machbar – eine Aushilfe von außerhalb denkbar sei. Das Machbare steht jetzt fest: Aus der zweiten Mannschaft des Bundesligisten HBW Balingen-Weilstetten, die als U 23 in der 3. Bundesliga antritt, kommt der 20 Jahre junge kroatische Junioren-Nationalspieler Filip Baranisic. Eine entsprechende Vereinbarung bis Ende Dezember konnte Dormagen zügig mit den HBW-Verantwortlichen unter Dach und Fach bringen, weil der Meisterschafts-Betrieb in allen Gruppen der 3. Liga zurzeit auf Eis liegt und frühestens im Februar 2021 fortgesetzt wird. Baranisic wird bereits gegen Hamm im Bayer-Aufgebot stehen und wahrscheinlich im Laufe der Partie auch zum Einsatz kommen.

Entspannt ist die Lage beim Spitzenreiter VfL Gummersbach, der wohl zunehmend Gefallen an der „Mission Aufstieg“ findet. Und der unter Berücksichtigung des vorhandenen Potenzials doch eher mittelmäßige Auftritt am Mittwochabend beim Wilhelmshavener HV (30:28) lässt nur einen Schluss zu: Wer selbst solche Spiele für sich entscheidet, die mit ein bisschen Pech anders ausgehen können, darf mit Fug und Recht von der Rückkehr in die 1. Bundesliga träumen – vermutlich sogar mehr als das. Das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson hat mit ein paar Kontrahenten kurzen Prozess gemacht und zwei besonders wichtige Duelle knapp für sich entschieden – 27:25 in Lübeck, 26:25 gegen Hamburg. Die bisher einzige Niederlage war am 17. Oktober das 25:27 beim ASV Hamm-Westfalen, sodass die Gummersbacher inzwischen seit fast zwei Monaten ungeschlagen sind. Diese Serie will der VfL am liebsten fortsetzen – gegen einen Kontrahenten, der vor allen Dingen unberechenbar zu sein scheint.

Das dickste Ausrufezeichen setzten die „Tiger“ aus Dresden nach dem 27:21 vom zweiten Spieltag beim TuS N-Lübbecke (16. Oktober) am 21. November mit dem 25:19 in Hamm. Weniger anfangen konnten sie in Sachsen mit dem 30:33 beim TuS Fürstenfeldbruck (14. November), das dem Aufsteiger damals den ersten Sieg in dieser Saison brachte, und dem 30:33 direkt anschließend (18. November) gegen den TV Großwallstadt. Herausragender Werfer beim HC ist Sebastian Greß, der in bisher neun Spielen immerhin auf 56 Treffer kam und damit auf 6,2 pro Einsatz. Zum Vergleich: Gummersbachs Top-Torschütze Alexander Hermann, ebenfalls im linken Rückraum zu Hause, steht bei 46 Treffern (5,11 pro Partie). Greß ist im Übrigen als Dritter der Gesamt-Rangliste zurzeit nach Feldtoren die Nummer eins in der 2. Bundesliga, weil die bei den Gesamt-Treffern vor ihm liegenden Jakub Hrstka (66) und Vincent Sohrmann (59/beide Dessau) jeweils mehr als 20 Siebenmeter verwandelt haben.

Dass unter den Top Ten kein Gummersbacher zu finden ist und Hermann erst auf Rang elf folgt, wird der VfL aus verschiedenen Gründen verkraften können. Erstens ist er Tabellenführer und zweitens hat er als Team in neun Spielen 272 Tore erzielt – als einziger Zweitligist mehr als 30 pro Einsatz. In einer anderen offiziellen HBL-Statistik setzt der Klassenprimus ebenfalls den Richtwert: Matthias Puhle ist mit einer Quote von nahezu 40 Prozent gehaltener Bälle (39,61) momentan der stärkste Keeper in der 2. Bundesliga – noch ein Grund dafür, dass die Lage rein sportlich gerade ziemlich entspannt ist.