11. Dezember 2020 | Zurück zur Artikelübersicht » |
TSV Bayer Dormagen – ASV Hamm-Westfalen 27:19 (13:11). So sieht wohl die perfekte Wiedergutmachung aus. Dormagen, das noch vor sechs Tagen so viel schuldig geblieben war und mit dem 28:30 beim Aufsteiger TuS Fürstenfeldbruck die verdiente Quittung bekommen hatte, bot über 60 Minuten einen leidenschaftlichen Kampf in der Abwehr, die den Angreifern der Westfalen praktisch in jeder Sekunde den Raum nahm – und die Gäste damit zunehmend auch nervte. Im Paket mit dem erneut großartigen Keeper Martin Juzbasic legte die Deckung den Grundstein für die bislang beste Saisonleistung des TSV, der den einstweilen ehemaligen Titelkandidaten Hamm phasenweise in Einzelteile zerlegte und kurz nach dem Schluss ausgelassen feierte. „Riesenkompliment an die Mannschaft“, fand Trainer Dusko Bilanovic, „ich habe schon im Training gemerkt, dass wir heute ein ganz anderes Gesicht und eine gute Leistung zeigen werden. Ich wusste, dass wir eine Mannschaft mit dem richtigen Charakter haben.“ Keine Frage deshalb: Als der Coach mit ein paar Augenblicken Verspätung zum tanzenden Kreis hinzustoßen wollte, machten Ante Grbavac und Alexander Senden sofort eine Lücke für Bilanovic frei. Es war am Ende eines für Dormagen starken Abends das passende Bild größter Geschlossenheit.
Schon in der ersten Halbzeit stellte sich vor allen Dingen eine Frage: War das wirklich dieselbe Dormagener Mannschaft, die am vergangenen Wochenende so krass enttäuscht und deshalb verloren hatte? Waren das wirklich dieselben Spieler, die Bilanovic im Sportcenter auf die Platte geschickt hatte? Zumindest standen auf den Trikots die bekannten Namen. Aber drin steckten diesmal ganz anderen Typen – mit Tempo, Ideen, Spielwitz, Kampfgeist und Geschlossenheit. Und natürlich war der Auftritt immer noch nicht völlig fehlerfrei, was vermutlich im Handball selbst Weltklasse-Klubs niemals gelingen wird. Doch den Hausherren gelang es, die Quote im Vergleich zu den beiden vergangenen Auftritten (Fürstenfeldbruck, vorher 23:23 gegen den TV Großwallstadt) drastisch zu senken. Der Lohn: Übers 2:0 (3.), 4:2 (6.), 6:4 (10.), 7:5 (12.) legte der TSV Bayer immer wieder vor. Und nachdem aus dem Tempogegenstoß von Joshua Reuland zum 9:6 (17.) nur ein anderthalb Minuten später das 9:8 (19.) geworden war, fand Dormagen am Ende einer hektischen Phase trotzdem mit dem 10:8 (20.) und 11:8 (25.) die richtigen Antworten. Dass sich die Gastgeber, die wirklich die Hausherren waren, praktisch kurz vor der Sirene zur Pause mit einer 13:10-Führung im Rücken noch einen überflüssigen Siebenmeter und das 13:11 einfingen, war zuerst ärgerlich – und später völlig belanglos.
Dormagen erhöhte durch André Meuser auf 14:11 (32.), ehe Hamm auf 12:14 (33.) verkürzen konnte. Der Dreier-Pack von Ian Hüter (35.) Joshua Reuland per Siebenmeter (37.) und Meuser (38.) zeigte allerdings schnell die Richtung auf. Ein Grund: Der ASV, der im Gegensatz zum TSV nie den Eindruck wirklicher Geschlossenheit vermittelte, beantwortete jede Bayer-Ungenauigkeit durch noch weniger Präzision. Weil Bilanovics Team außerdem nicht im Geringsten daran dachte, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, wurde die Sache immer deutlicher und spätestens beim Stande von 22:15 (51.) war alles entschieden. Wie der von Grbavac bediente Linksaußen Reuland den Ball kurz darauf per Dreher zum 23:16 (53.) verwertete, hatte sogar was von einer Demütigung für den ASV. Dass die aus der A-Jugend aufgerückten Lucas Rehfus (Tor zum 20:14/48.) und Aron Seesing (Siebenmeter zum 26:19 von Reuland herausgeholt/59.) ebenfalls wirkungsvoll am Sieg mitwirken konnten, rundete den aus Bayer-Sicht gelungenen Abend ab.
In der Tabelle brachte der Erfolg mit inzwischen 10:6 Zählern zumindest vorerst den Sprung auf den siebten Tabellenplatz – und die Welt sieht für die kommenden Wochen durchaus freundlich aus. „Jetzt fahren wir mit breiter Brust nach Hamburg“, sagte Bilanovic im Blick auf das schwierige Nachholspiel am kommenden Dienstag beim HSV. Der ist gerade Tabellenzweiter (14:4 Punkte) und der erste Verfolger des Spitzenreiters VfL Gummersbach (16:2). Der TSV Bayer Dormagen hat im Norden wenig zu verlieren und vor allen Dingen vor, den Favoriten zu ärgern. Dazu wird er allerdings wieder das „Hammer Gesicht“ brauchen.
TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Baranasic – Reuland (12/6), Seesing, Senden, Meuser (4), Juric, Richter, Rehfus (1), I. Hüter (3), Reimer, P. Hüter (1), Johannmeyer, Sterba (3), Grbavac (3), Blum.