In der "Blase"
Österreich im Fernsehen, Dänen auf der Platte
Patrick und Ian Hüter vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen bereiten sich mit den USA auf die WM in Ägypten vor.

Bei der Arbeit: Patrick Hüter gibt defensiv auch beim Trainingslager in Dänemark die Richtung vor. (Foto: Team USA)

Weil sie Profis in Diensten des Zweitligisten TSV Bayer Dormagen sind, kennen sie das Pendeln zwischen Halle und Zuhause. Deshalb haben Patrick Hüter (25) und Ian Hüter (23) kein Problem damit, dass sie im Moment fast nichts anderes tun können – im Gegenteil. Beide sehen ihr aktuelles sportliches Dasein als Privileg, das sie gerade im dänischen Winter mit Herz und Leidenschaft leben. Den Weg vom Hotel ins Trainingszentrum in Vejen dürften Patrick und Ian mittlerweile sogar auswendig kennen: Seit Montag bereiten sich die in Neuss geborenen Dormagener mit der Nationalmannschaft der USA auf die Weltmeisterschaft in Ägypten vor (ab 14. Januar). Eindeutiges Fazit von Patrick Hüter im Namen der Mannschaft: „Das ist hier eine tolle Anlage mit einer tollen Infrastruktur. Hier gibt es wirklich alles – vom Schimmbad bis hin zu Squashplätzen und Krafträumen.“ Fast ein Trost in Zeiten, da das Handballer-Leben in der geschlossenen „Bubble“ stattfindet: Draußen ist es auch in Jütland gerade eher ungemütlich – was die Konzentration auf die Arbeit drinnen womöglich einfacher macht.

Zu erledigen haben die US-Handballer unter der Regie ihres schwedischen Trainers Robert Hedin eine ganze Menge, sodass unter anderem zweimal Training pro Tag auf dem Programm steht. Einer der wesentlichen Inhalte. „Spielzüge, Spielzüge, Spielzüge“. Hedins Aufgebot besteht aus Spielern, die sonst in verschiedenen europäischen Ländern und in Übersee tätig sind – und die Hüters vom Zweitliga-Vierten Dormagen gelten als echte Führungskräfte, die besonders viel Verantwortung übernehmen sollen und wollen. „Wir müssen uns noch ein bisschen finden“, sagt Patrick, der allerdings in den bisherigen Einheiten bereits deutliche Fortschritte festgestellt hat: „Es wird von Tag zu Tag besser.“ Daran, dass die Typen in der US-Auswahl ein echtes Team bilden, bestand für ihn von vornherein kein Zweifel. „Wir haben eine coole Mannschaft“, findet Patrick Hüter, der in Dormagen der Kapitän ist – eine Rolle, die im US-Aufgebot sein Bruder Ian hat.

Angriff gegen Abwehr: Regisseur Ian Hüter sucht einen Weg vorbei am verteidigenden Domagoj Srsen. (Foto: Team USA)

Zum Tagesablauf gehört hin und wieder auch eine Versammlung vor dem Fernseher – nicht nur für Video-Analysen. So stand am Mittwoch-Nachmittag das live aus Graz übertragene EM-Qualifikationsspiel zwischen Österreich und Deutschland auf dem Programm, das die Gastgeber am Ende ziemlich deutlich mit 27:36 verloren. Hedin und seine Spieler schauten sich die 60 Minuten sehr genau an, weil für sie das große Abenteuer WM am 14. Januar mit der Partie gegen Österreich beginnt – was wohl angesichts der folgenden dicken Brocken Norwegen (16. Januar) und Frankreich (18. Januar) als das kleinste der drei Hindernisse in der Gruppe E gilt. Bei den Österreichern fehlten zwar neben Kapitän Nikola Bilyk vom Championsleague-Sieger THW Kiel noch die drei Gummersbacher Janko Bozovic, Alexander Hermann und Raul Santos, doch es stand genügend Qualität auf der Platte. Auffällig agierten vor allen Dingen Linkshänder Boris Zivkovic (sieben Tore) und Schwergewicht Tobias Wagner (fünf Treffer), für den die Österreicher offiziell 198 Zentimeter Körperlänge und 128 Kilo Körpergewicht angeben. Patrick Hüter, ebenfalls Kreisläufer, geht da mit 195 Zentimetern und 98 Kilo irgendwie als Fliegengewicht durch. 

Der Vorbereitung auf die WM allgemein und den Auftakt gegen Österreich besonders dienen drei Tests, die das US-Team in gegen starke Klubs aus der „Håndboldligaen“ bestreiten wird – die in Dänemark so etwas wie die Bundesliga ist. Am Donnerstag treffen die Amerikaner zunächst auf den aktuellen Tabellenzehnten Ribe-Esbjerg, ehe der Fünfte SonderjyskE (10. Januar) und der Neunte KIF Kolding (12. Januar) als Prüfsteine warten. Bei SonderjyskE steht ein früherer Bundesliga-Star mit Weltklasse-Niveau unter Vertrag: Thomas Mogensen (37), einst Publikumsliebling bei der SG Flensburg-Handewitt, bringt riesengroße Erfahrung und einen meisterhaftes Spielverständnis seit dem vergangenen Sommer für seinen neuen Klub ein. Kolding zum Abschluss war 2014 und 2015 jeweils noch Meister Dänemarks, sodass die USA unter dem Strich drei echte Bewährungsproben vor sich haben. In Kurzform: Profis treffen auf Profis. „So soll es sein“, betont Patrick Hüter, „wir wollten unbedingt gegen starke Mannschaften spielen.“ Immer an Bord: Herz und Leidenschaft. So kennen das die Hüters aus Dormagen. Und so ist das auch, sobald sie das Trikot der Vereinigten Staaten überstreifen.