In der "Blase"
Nach WM-Aus der USA: Patrick Hüter schon wieder zu Hause
Der Kapitän des Zweitligisten TSV Bayer Dormagen blickt bereits nach vorne. Ian Hüter muss nachkommen.

Auf jeden Fall stressfest: Dormagens Kapitän Patrick Hüter (blaues Trikot) blickt schon wieder nach vorne. (Foto: Thomas Schmidt)

Aus und vorbei. Der Traum ist geplatzt. Und es war angesichts der Entwicklung am Dienstag fast zu befürchten, dass aus dem Start der US-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Ägypten nichts werden würde. Zuerst waren in Dänemark zwei Mitarbeiter aus dem erweiterten Betreuerstab positiv auf Corona getestet worden, während Team und Trainer durchweg negative Ergebnisse bekommen hatten. Bis Montagabend schien dann alles halbwegs normal zu laufen, ehe sich die Ereignisse am Dienstag fast stündlich überschlugen. Erst wurde bekannt, dass nun anderthalb Dutzend positive Tests vorliegen – verteilt auf Spieler, Trainer (auch Chefcoach Robert Hedin) und weitere Mitarbeiter rund um die Nationalmannschaft. Es folgten viele Gespräche, an denen unter anderem auch Verantwortliche des Weltverbandes IHF und des US-Verbandes teilnahmen. Alle zusammen diskutierten bis zum späteren Abend leidenschaftlich, ob eine (Not-) Lösung denkbar sei. Am Ende stand allerdings die bittere Erkenntnis: Es macht keinen Sinn. Also zogen die Amerikaner die Notbremse und ihr Team von den Welt-Titelkämpfen zurück. Ebenfalls betroffen: Patrick Hüter (25) und Ian Hüter (23) vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen, die mit vielen Hoffnungen ins Trainingslager nach Dänemark gereist waren. Die in Neuss geborenen Brüder mit amerikanischen Wurzeln (Mutter) und tiefer Verbundenheit besonders zu Kalifornien mussten schnell handeln – erstens vorerst ihren Traum abhaken und zweitens schnell umplanen.

Normalerweise wären die Hüters am frühen Morgen in Billund in ein Flugzeug nach Frankfurt gestiegen – und von dort am späten Vormittag in die ägyptische Metropole Kairo gereist, sodass sie irgendwann am Nachmittag wenigstens aus der Luft die berühmten Pyramiden von Gizeh gesehen hätten. Vom ursprünglichen Reiseplan bleib dann nur der Teil Billund/Frankfurt. Und an Bord ging aus Brüder-Sicht lediglich Patrick, bei dem zwei weitere Tests erneut negativ ausfielen. Der Kreisläufer und Kapitän der Dormagener durfte unverzüglich zurück in die Heimat, die er am Mittwochmittag aus Frankfurt mit dem ICE schnell und direkt bis zu seinem Wohnort Köln erreichte. Dort begab er sich unverzüglich in die zurzeit bei der Rückkehr aus einem Risikogebiet (wie Dänemark) übliche Quarantäne. Patrick Hüter hofft und geht davon aus, dass ein weiterer negativer Test in der Heimat den „Stubenarrest“ auf fünf Tage begrenzt. Ein bisschen in der Warteschleife hängt Ian Hüter, der Kapitän der US-Nationalmannschaft. Bei ihm gab es zunächst einen negativen Test und anschließend einen mit leicht uneindeutigem Ergebnis. Sobald endgültig Klarheit herrscht, wird auch Ian so schnell wie möglich die Heimreise antreten.

Patrick Hüter macht nach dem WM-Aus einen erstaunlich gefassten Eindruck, als wir ihn nach der Landung in Frankfurt am Telefon erwischen. Am Boden zerstört? Hört sich bestimmt anders an. „Natürlich waren wir im ersten Moment alle sehr, sehr enttäuscht“, berichtet Hüter, „aber ich will das jetzt schnell abhaken und nach vorne schauen. Ich befasse mich lieber mit Dingen, die ich beeinflussen kann. Und ich hoffe sehr, dass wir bei der nächsten Weltmeisterschaft 2023 dabei sein werden.“ Dass sämtliche Beteiligte bis zuletzt um eine Idee zur Teilnahme gerungen haben, fand er beeindruckend – und die Absage unter dem Strich richtig: „Was hätte es gebracht, wenn wir mit einer Rumpftruppe hingefahren wären? Wir wären in jedem Spiel komplett chancenlos gewesen.“ Unter dem Strich sah Patrick Hüter im WM-Verzicht vor allem ein Diktat der Vernunft. Ähnlich verhält es sich bei der Rückkehr ins Training der Dormagener, die mit dem größeren Teil des Kaders am Donnerstag wieder in die Vorbereitung auf den Rest der Saison in der 2. Liga einsteigen. „Auch ohne Quarantäne hätte ich wohl die fünf Tage Pause gemacht“, sagt Patrick. Weil jedoch Leidenschaft und Liebe zum Handball trotz der jüngsten Irrungen und Wirrungen überhaupt nicht gelitten haben, wird er den nächsten Termin sicher längst kennen: Für die Dormagener (Vierter) geht die Meisterschaft am 7. Februar mit der Aufgabe bei den Rimpar Wölfen weiter (Zehnter).

Querpass: US-Kapitän Ian Hüter musste am Mittwoch noch auf die Heimreise verzichten. (Foto: Thomas Schmidt)

Mehr WM-Glück als die Hüters hat im Moment deren Dormagener Teamkollege Antonio Juric, der erst Ende 2020 und damit auf den letzten Drücker von seinem Trainer Ales Pajovic ins Nationalteam und ins 20 Spieler umfassende WM-Aufgebot  berufen worden war – in jenes der Österreicher, die am Donnerstag zum WM-Auftakt gegen die USA gespielt hätten. Es passt zu diesen verrückten Zeiten, dass der Weltverband tatsächlich in der Schweiz noch einen sehr spannenden Verband auf der Liste der Nachrücker stehen hatte – der zudem bereit war, praktisch aus dem Stand mitzumachen. Einer der Glücksritter: Andy Schmid, einer der aktuell weltbesten Handballer, der mit 37 zur wohl ersten und letzten Chance kommt, eine WM mitzumachen. Österreich gegen Schweiz – sowieso nicht schlecht. Die Spieler aus den USA werden am Fernseher aufmerksam verfolgen, wie sich ihre „Nachfolger“ schlagen. Und zumindest die allermeisten Dormagener werden Antonio Juric sämtliche zur Verfügung stehenden Daumen drücken, dass sein Traum bis zum Ende des Turniers leben möge.