19. Januar 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Der Weg nach Ägypten sollte über Dänemark führen. Es ging für Patrick Hüter und Ian Hüter vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen auch alles nach Plan los. Vor zwei Wochen bezogen beide mit der US-Nationalmannschaft ihr Vorbereitungs-Quartier in Vejen im südwestlichen Jütland. Die Bedingungen sahen perfekt aus und ein erster Test gegen den dänischen Erstligisten Ribe-Esbjerg (31:33) brachte viele vernünftige Ansätze. Wenig später begann die Euphorie zu bröckeln, weil das nächste Duell ausfallen musste: Wegen zweier positiv ausgefallener Corona-Tests im erweiterten Kreis der Betreuer traten die USA am 10. Januar (Sonntag) nicht gegen SonderjyskE an. Trotzdem schien die Welt halbwegs in Ordnung zu sein, weil bis 11. Januar sämtliche Tests im Team negativ blieben. Jener Montag liegt erst acht Tage zurück – aber für die Hüters in Sachen WM-Traum kein Stein mehr auf dem anderen. Kaum 24 Stunden später kam schließlich in Jütland am 12. Oktober heraus, dass es bei vielen Spielern sowie Teilen des Trainer- und Betreuerteams inklusive Chefcoach Robert Hedin in der nächsten Testreihe ebenfalls positive Resultate gegeben hatte. Am Ende eines extrem hektischen Tages zogen die Vereinigten Staaten ihr Team tatsächlich vom Turnier in Ägypten zurück – weil alles andere wenig Sinn ergeben hätte. Konsequenz für Patrick und Ian Hüter: Ab jetzt gingen sie überraschend getrennte Wege.
Patrick, erneut und wiederum negativ getestet, durfte am nächsten Morgen (13. Januar) in Billund das Flugzeug für die Rückreise nach Deutschland besteigen. Ian, bei dem ein Test nicht ganz eindeutig war, blieb noch in Jütland, um dort das Weitere abzuwarten und so bald wie möglich nachzukommen. Wieder kam es anders, wieder nicht so wie erhofft. Zuerst förderte der nächste Test bei Dormagens Kapitän Patrick Hüter ein positives Ergebnis zutage, sodass sich die ohnehin erwartete Fünf-Tages-Quarantäne nach der Heimkehr aus Dänemark (Risikogebiet) entsprechend verlängerte. Nahezu gleichzeitig wurde Ian Hüter positiv getestet – und der US-Kapitän musste sich an Ort und Stelle in Quarantäne begeben. Dort befindet er sich inzwischen immerhin auf der Zielgeraden. Was die Brüder eint: Sie haben die im ersten Moment riesige Enttäuschung schnell überwunden und tragen mit der größten möglichen Fassung, wie sich die Dinge entwickelt haben. Beiden geht es außerdem körperlich gut, beide haben keine nennenswerten bis gar keine Symptome. Und beide blicken längst nach vorne.
„Natürlich nervt es mich, dass ich mich nicht viel bewegen kann“, berichtet Patrick, der nicht mal einsame Jogging-Einheiten durchführen kann/darf, „und sicher gucke ich mir die Spiele an. Wenn ich die Schweiz sehe, merke ich, dass ich da auch gerne gewesen wäre.“ Die Schweizer sind das für die USA auf den letzten Drücker nachgerückte Team, das zum Auftakt nach der Landung direkt in die Halle fuhr – und die schwachen Österreicher mit 28:25 überraschte. Für den 23. Januar steht nun zum Ende der häuslichen Isolation der nächste Corona-Test auf dem Programm, von dem sich Patrick Hüter selbstredend ein negatives Resultat erhofft. Dann wird sich zudem zeigen, wann und wie er ins Training der Dormagener zurückkehren kann, die sich seit dem vergangenen Donnerstag (14. Januar) auf die Fortsetzung der Saison in der 2. Bundesliga vorbereiten.
Ian Hüter fühlt sich im Sporthotel in Vejen ein bisschen einsam – obwohl er keineswegs völlig alleine ist, weil noch andere Spieler sowie unter anderem Trainer Hedin ebenfalls bleiben mussten. Glück im Unglück für die Amerikaner: Sie sind (und waren es beim Einzug) vor zwei Wochen die einzigen Hotelgäste: „Das macht es für uns ein bisschen einfacher.“ Jedenfalls erlaubt es ihnen wenigstens, für kurze Abschnitte zum Durchatmen vor die Tür zu gehen. „Wir werden hier perfekt betreut“, betont Ian, der sich ansonsten die Zeit als Handball-Zuschauer wider Willen vertreibt – und beim Anschauen von Serien, für die er demnächst in Rate-Shows vielleicht als Experte auftreten könnte. „Ich versuche, das Leben in Quarantäne zu genießen“, sagt Ian Hüter scherzend, „und es bringt doch nichts, wenn du dich jeden Tag aufs Neue ärgerst.“ Seine Hoffnung: Der nächste Test möge negativ sein, sodass er seine Koffer für die Heimreise nach Deutschland packen kann.
Falls alles passt und die Rückkehr in den Trainingsbetrieb nach ausreichender Erholung rechtzeitig gelingt, wird Bayer-Trainer Dusko Bilanovic seine beiden Schlüsselspieler bei der Saison-Fortsetzung zurück im Aufgebot haben. Patrick und Ian Hüter haben erstens vor, am 7. Februar mit dem Tabellenvierten Dormagen eine anständige Leistung beim Zehnten DJK Rimpar Wölfe hinzulegen. Außerdem haben sie sich im Kalender längst den Zeitraum vom 12. Januar bis zum 29. Januar 2023 mit einem dicken Rotstift markiert. Dann ist, diesmal in Polen und Schweden, wieder WM-Zeit. Dass sich die USA noch qualifizieren müssen, schreckt die Spieler aus dem Handball-Entwicklungsland nicht ab. Sie wollen hart dafür arbeiten, dass ihnen der Sprung gelingt. Für Patrick und Ian Hüter ist nach dem Traum sowieso einfach vor dem Traum.