Unser WM-Experte: Felix findet Fakten
Unlösbar: Ungarns Achse ein Buch mit sieben Siegeln
Für Felix Linden gaben bei der 28:29-Niederlage der deutschen Mannschaft unter anderem fehlende Wurf-Effektivität und Lücken in der Abwehr den Ausschlag.

Nachschub: Felix Linden hatte zum Auftritt deutschen Mannschaft gegen die Ungarn eine Menge zu sagen. (Foto: Herbert Mölleken)

Ein Sieg und weitere zwei Punkte für die Hauptrunde wären sehr wichtig gewesen für die deutsche Mannschaft, aber das Team von Trainer Alfred Gislasson musste am letzten Spieltag in der Vorrunden-Gruppe A gegen die Ungarn nach einem Krimi eine knappe 28:29-Niederlage hinnehmen. Das hat Folgen: Während die Ungarn mit 4:0 Zählern weitermachen, steht Deutschland bei 2:2 Punkten – und damit in der Partie am Donnerstagabend gegen Spanien (3:1) bereits vor einer Art Endspiel im Kampf um einen der beiden ersten Ränge in der Gruppe 1 und den Einzug ins Viertelfinale. Unser WM-Experte Felix Linden, Chefcoach des Drittligisten HSG Krefeld Eagles, Lehrer, Buchautor und Handball-Verrückter, hat den deutschen Auftritt gegen die Ungarn genau beobachtet. Das Urteil in der Summe: Kleinigkeiten und die „Basics“ haben entschieden. Hier ist die Analyse:

 

Mutig und auch richtig fand ich von unserem Bundestrainer, dass er Marcel Schiller den Vorzug vor Uwe Gensheimer gab. Die Mannschaft hatte eine Phase zur Mitte des Spiels, wo es eigentlich ganz gut lief und sie mit Unterstützung von Torhüter Johannes Bitter sehr effektiv arbeitete. Die Abwehr war Ende der ersten Halbzeit etwas stabilisiert und schaffte so mehr „Stoppfouls“. Trotzdem gingen einige Zweikämpfe viel zu leicht verloren. Die Ungarn spielten ihre Kreuzungen auf den Punkt und brachten ihre Achse Mate Lekai/Bence Banhidi stark ins Spiel: Die Deutschen bekamen diese Achse nie in den Griff. Lekai war selber extrem torgefährlich – was auch das Siegtor kurz vor Schluss zeigte. Banhidi demonstrierte seine individuelle Klasse durch verschiedene Sperrstellungen. Außerdem fing er die Bälle selbst unter höchstem Druck meist einhändig. Ich glaube, dass auf der anderen Seite die fehlende Wurf-Effektivität von Julius Kühn, Kai Häfner und Timo Kastening ein Schlüssel für den Sieg der Ungarn war. Paul Drux machte nach seiner Einwechslung ein tolles Spiel. Fabian Böhm brachte ebenfalls wieder viel. Demgegenüber hätte es die deutsche Abwehr besser machen können und die Torwartleistung von Andreas Wolf war unterdurchschnittlich.

 

Sehr wichtig sind im Handball die Sondersituationen – wie Unterzahl und Überzahl. Diesmal hatten genau diese Situationen enormen Einfluss auf das Ergebnis. Wir wollen uns die Überzahl-Situationen der Deutschen genauer ansehen.

 

Bild 1

 

Paul Drux (Spieler Nr. 2 rot) löst in der Nahstelle 1 und 2 die Überzahl aus (Bild 1). So sind der Außen rechts (blau 1) und der Halbe rechts (blau 2) gezwungen, zu ihm zu gehen, da Drux als Kreisläufer in diese Nahtstelle übergeht (Bild 1).

 

Bild 2

 

Jetzt muss Phillip Weber die Entscheidung treffen (Bild 2). Er kann unter vielen Optionen wählen. Neben einem eigenen Abschluss kann er die Kreisläufer einsetzen. Sollte der Außen rechts (blau 1) gegen Paul Drux am Kreis arbeiten, könnte Weber auch Uwe Gensheimer anspielen.

 

Bild 3

 

Oft wird diese Situation aber mit einem Parallelpass auf die andere Seite gelöst (Bild 3). Häfner hat neben dem eigenen Durchbruch die Möglichkeit, zu seinem Rechtsaußen zu passen oder zu Johannes Golla am Kreis. So entsteht eine 3:2-Situation im großen Raum auf der rechten Seite. 

Nach der letzten Auszeit in der vorletzten Minute veränderte sich die Lage, da der Halbverteidiger Nr. 4 (blau) früh den Kontakt gegen Häfner suchte. Golla ging in den Raum 4-5 hinten links und außen links. Interessant war auch, dass die Ungarn in Überzahl die sich bietenden Chancen zum Tempospiel kaum annahmen, sondern ihre Überzahl ruhig und genau auf den Punkt spielten.