3. Liga Mitte
Erdbeben in Longerich: Trainer weg, Kapitän weg, Urgestein weg
Der LSC hat zum Saisonende keinen Platz mehr für Andreas Klisch, Tim Hartmann und Dennis Mestrum. Bennet Johnen tritt kürzer.

Schmerzfrei: Kapitän Tim Hartmann (graues Trikot) ist für seine kämpferischen Qualitäten bekannt. Zuletzt zeigte er sie am 23. Oktober 2020 mit sechs Toren, als der LSC bei den Bergischen Panthern gewann (33:31). Seitdem ist die Saison unterbrochen. (Foto: Thomas Schmidt)

„Ehre, wem Ehre gebührt“: Dieses Sprichwort würde wohl jeder Sportler sofort unterschreiben. Der Longericher SC verfügt über gleich mehrere Beispiele, die den Verein und seine jüngsten Erfolge mitgetragen haben. Trainer Andreas Klisch etwa, Kapitän Tim Hartmann und den Ur-Longericher Dennis Mestrum. Warum gerade diese drei erwähnenswert sind? Alle drei werden den LSC im Sommer verlassen – nicht wollen, sondern müssen. „Wir haben uns sehr lange den Kopf darüber zerbrochen. Es sind Entscheidungen, die einfach nur weh tun“, sagt Chris Stark. Der Sportliche Leiter des Drittligisten wird von Klisch (wieder) das Amt des Cheftrainers übernehmen und in einer Doppelfunktion seinen Posten als Sportlicher Leiter behalten. Daneben fungieren Christian Born und Philipp Krüger (zuletzt für die Oberligamannschaft zuständig) als Co-Trainer. Wie und warum es zu diesen Entscheidungen kam? Einvernehmlich waren sie jedenfalls nicht oder zumindest nicht in allen Fällen.

Die Beteiligten halten sich weitgehend bedeckt. Klisch, der gerne noch eine Abschluss-Saison erlebt hätte, ist aber enttäuscht: „In über zehn Jahren beim LSC habe ich so etwas noch nicht erlebt, als Vereinsführung hätte ich es so nicht gemacht.“ Näher mag Klisch die für ihn harte Entscheidung nicht kommentieren – er will lieber „Sportsmann“ bleiben und seinen Abschied eher nicht zum großen Thema machen. Diese Mentalität schätzt auch Stark: „Man geht mit Respekt auseinander, weil man viel zusammen erlebt hat. Und natürlich wäre es anders schöner gewesen.“ Für seine (bald) ehemaligen Schützlinge/Spieler bricht Klisch dennoch eine Lanze: „Gerade bei Dennis Mestrum ist es schade, in so einer Zeit von Bord gehen zu müssen. Über 20 Jahre LSC werden hier in meinen Augen nicht genug gewürdigt.“ Was alles doppelt und dreifach bitter macht: In Hartmann und Mestrum verlieren die Longericher ihren aktuellen Kapitän und den Co-Kapitän.

Da war die Welt noch in Ordnung: Trainer Andreas Klisch (Mitte) ist in Spielen fast immer irgendwie aktiv beteiligt. (Foto: Thomas Schmidt)

Für einen entsprechenden sportlichen Abschied könnte eine freiwillige Aufstiegsrunde sorgen, denn der LSC würde daran teilnehmen. Zumindest Mestrum und Klisch wären dann noch dabei – nicht allerdings Tim Hartmann. Er einigte sich vielmehr mit dem Klub am Dienstagabend darauf, die Zusammenarbeit auf seinen Wunsch hin mit sofortiger Wirkung zu beenden. Der 30-Jährige beschränkt sich hier auf eine knappe Formulierung: „Es sind private Gründe.“ Der Schritt spricht dennoch für sich und beim geplanten/erhofften sportlichen Abschied von Klisch und Mestrum ist ein gewisser Beigeschmack nicht zu leugnen.

„Wir sind leider kein Amateurverein mehr. Um solche Entscheidungen kommt man an gewissen Zeitpunkten einfach nicht mehr herum“, findet Stark. Die Vereinsführung wolle dem Klub mit den personellen Veränderungen einen neuen Impuls geben, der in eine Aufbruchstimmung münden soll – ein durchaus nicht kleines Risiko in Anbetracht der Tatsache, welchen hohen Preis die Verantwortlichen für den Umbau zahlen. Außer Klisch, Hartmann und Mestrum wird auch Bennet Johnen in der kommenden Saison nicht mehr für den LSC auflaufen, weil der Kreisläufer aus beruflichen Gründen kürzertreten will. Den Platz von Johnen könnte mit einiger Wahrscheinlichkeit Malte Nolting vom Klassen-Konkurrenten Leichlinger TV übernehmen.

Andreas Klisch hat auf jeden Fall weiter Lust auf Handball, nimmt jedoch Abstand vom LSC. Das Angebot des Vereins, die zweiten Herren zu übernehmen, lehnte er ab – ein nachvollziehbarer Schritt. Dieses Amt übernimmt nun Freddy Rudloff, der zuletzt beim TSV Bayer Dormagen II (Oberliga Mittelrhein) gearbeitet hat – und dort ebenfalls am Ende der Saison gehen muss.

Einen Trainer wie Andreas Klisch hätten wohl viele Vereine gerne, doch zurzeit stellt sich die Frage des Bedarfs. „Aktuell sind kaum Trainerstellen frei, da die meisten Vereine in der Pandemie an ihren Personalien festhalten. Auch erfolglose Trainer gibt es schließlich nicht, wenn nicht gespielt wird“, meint Klisch, der die Lage realistisch einschätzt. Eine keineswegs abwegige Prognose: Er wird als einer der „Hauptschuldigen“ dafür, dass der Longericher SC in den vergangenen Jahren zu einer schwierigen Aufgabe für jeden Drittligisten geworden ist, eine neue Stelle finden. Ein dritter Platz nach der Quotientenregel aus der abgebrochenen Saison 2019/2020 und ein 6:0 Punkte zum Start 2020/2021 sprechen für sich.