2. Bundesliga
Schon im April? Martin Juzbasic will zurück ins Tor
Der Torhüter des TSV Bayer Dormagen erlitt gegen Eisenach eine heftige Fingerverletzung. Er denkt aber nicht zurück, sondern nach vorne.

Am Arbeitsplatz: Martin Juzbasic hat im ersten halben Jahr beim TSV Bayer Dormagen nachgewiesen, dass er eine echte Verstärkung für den Zweitligisten ist. (Foto: Thomas Schmidt)

Es ist Freitag, der 12. Februar 2021. Der Zweitligist TSV Bayer Dormagen hat gerade sein Heimspiel gegen den ThSV Eisenach begonnen und im Tor der Hausherren beginnt natürlich Martin Juzbasic – wie immer in den vergangenen Wochen und Monaten, als Sven Bartmann wegen eines Bänderrisses außer Gefecht war. Dann ist die Partie kaum fünf Minuten alt und plötzlich wird es hektisch. Juzbasic hält sich die linke Hand und kommt Richtung Bank gerannt. Dort erkennen sie schnell, dass es wirklich ernst ist: Dem Torhüter fehlt an der linken Hand ein Teil des Mittelfingers – ein heftiger Unfall beim vorherigen Versuch, den Ball aus dem Netz zu befreien und so schnell wie möglich sofort zurück ins Spiel zu bringen. Der Keeper begibt sich unverzüglich in die Klinik und wird bald operiert. Das abgerissene Fingerteil, nach dem in der Halle die halbe Mannschaft gesucht hatte, können die Ärzte zwar nicht mehr retten – doch insgesamt verläuft der Eingriff erfolgreich. Deshalb darf Juzbasic das Krankenhaus nach nur zwei Tagen verlassen und den Rest der Heilung zu Hause angehen. Dort treffen – wie im Krankenhaus – immer wieder beste Genesungswünsche ein. Fast sieht es so aus, dass ganz Handball-Deutschland dem 32 Jahre alten Kroaten die Daumen drückt. Ob er über den Unfall und seine Folgen oder den Handball allgemein sprechen will? „Natürlich, ich habe doch jetzt Zeit.“ Es wird eine spannende Unterhaltung – und heraus kommt das Bild eines Torhüters, der mit Leidenschaft Profi-Handballer ist, der selbst in schwierigen Situationen lieber nach vorne schaut, von einem Ausstieg aus dem Sport noch lange nichts wissen und dafür mit den Dormagenern am liebsten in die Bundesliga aufsteigen will.

Den Unfall aus dem Spiel gegen Eisenach hat Martin Juzbasic natürlich nicht vergessen, doch er mag nicht darüber klagen. „Viele sind erstaunt darüber, wie ich damit umgehe“, sagt der Schlussmann,  „aber mir geht es gut. Richtige Schmerzen habe ich nur in dem Moment, wenn ich etwas zu machen versuche und vergesse, dass die Hand verletzt ist.“ Soll heißen: Ein intensiver Kontakt an die empfindliche Stelle tut weh – noch. Und wieder nimmt Juzbasic die Dinge, wie sie sind: Aufgeben oder Trübsal blasen stehen nicht auf seiner persönlichen To-Do-Liste. Ziemlich präzise liegt das genaue Gegenteil vor, denn der erfahrene Torhüter denkt längst daran, aufs Feld und seinen Arbeitsplatz zwischen den Pfosten zurückzukehren. Falls alles optimal läuft, werden in ungefähr zwei Wochen die Fäden gezogen. Anschließend dürfte Juzbasic mit ersten Comeback-Übungen beginnen. Und sollte es wirklich mit der Rückkehr in den Kader für Anfang April klappen, wäre Juzbasic noch für 13 restliche Saisonspiele mit von der Partie.

Bankgeflüster: Auch Trainer Dusko Bilanovic (stehend) und Kreisläufer Toni Juric (Mitte) wissen die Fähigkeiten von Martin Juzbasic zu schätzen. (Foto: Thomas Schmidt)

Martin Juzbasic wurde 1988 in Slavonski Brod geboren und verbrachte den größeren Teil seines erwachsenen Handballer-Lebens in der 1. Liga Kroatiens (Ausnahme eine Station in Rumänien). Als er auf der Zielgeraden eines Studiums der Informations-Technologie fast mit der Uni durch war, reifte der Entschluss, es in Deutschland zu versuchen – mit einer Kombination aus hauptberuflicher IT-Tätigkeit und nebenberuflichem Handball auf dennoch relativ hohem Niveau. Fündig wurde Juzbasic in Hessen bei der HSG Bieberau-Modau, wo er vier erfolgreiche Jahre hatte und nach der vergangenen Saison trotz coronabedingter Komplikationen einen emotional geprägten Abschied bekam. Der Verein widmete seinem Torhüter eine Bilderschau, die ohne Worte auskam: Sie hätten ihn bei der HSG gerne behalten und beide Seiten hielten viel voneinander. Dass der auch bei den Fans beliebte Juzbasic die „Falken“ nach vier Jahren trotzdem verlassen wollte, lag nur an ihm selbst: „Ich war wieder so weit, es noch einmal richtig im Profi-Handball zu probieren.“ Also sprach er mit jemandem, der jemanden kannte, der wiederum einen anderen kannte. Am Ende fanden Gespräche mit den Dormagenern statt – und beide Seiten waren letztlich sehr überzeugt davon, dass man es miteinander versuchen solle.

Was vielleicht als Zweckgemeinschaft begonnen hat, könnte für beide Seiten eine Art Liebesehe werden. Die Dormagener wissen längst, was sie an Juzbasic haben – und umgekehrt. Außerdem sehen sich beide Seiten bei Weitem nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen – was sich perfekt ergänzt. „Ich kann noch mehr halten und noch besser werden“, betont Juzbasic, „wenn es möglich ist, würde ich gerne mit Dormagen in zwei bis drei Jahren in die Bundesliga aufsteigen.“ Der Keeper, der in rund zwei Monaten 33 wird, wäre dann 36 und nach wie vor im allerbesten Torhüter-Alter. Die Herren Carsten Lichtlein (40/TSV GWD Minden), Johannes Bitter (38/TVB Stuttgart) oder Silvio Heinevetter (36/MT Melsungen) aus der höchsten deutschen Klasse zeigen gerade, dass Älterwerden nicht vor Leistung schützt. Und der große Schwede Matthias Andersson half in dieser Saison sogar noch einmal beim Champions-League-Sieger THW Kiel aus – mit 42. Martin Juzbasic interpretiert die Zahlen ohnehin etwas anders: „Richtig, ich bin 32 und bald 33. Ich fühle mich aber nicht so.“ Was er damit sagen will: Das Feuer für den Handball brennt in seinem Inneren wie bei einem Jungen, der eher ganz am Anfang der Karriere steht.

Ich greife wieder an! Martin Juzbasic ist zuversichtlich, dass es für ihn relativ bald weitergeht. (Foto: Thomas Schmidt)

Dass er am bisherigen Abschneiden des TSV Bayer nicht ganz unbeteiligt ist, freut Juzbasic sehr – weil er gerne zum Erfolg eines großen Ganzen beiträgt und kaum im Verdacht steht, sich selbst in den Vordergrund zu rücken. „Ich bin schon überrascht, wie gut wir das jetzt hinbekommen haben. Wir kämpfen immer über 60 Minuten. Ich hoffe, dass wir uns ungefähr da halten können, wo wir sind, und nicht abrutschen. Wenn wir Platz vier, fünf oder sechs schaffen, wäre das klasse.“ Ob Martin Juzbasic neben handballerischen Qualitäten auch solche als Wahrsager hat? Seine Einschätzung gab er ein paar Stunden vor der Partie der Dormagener am Mittwochabend in Dresden ab und nach der 30:34-Niederlage ist die regelmäßig von personellen Problemen getroffene Mannschaft mit 19:11 Punkten „nur“ noch Sechster. Die drei Top-Plätze scheinen an den HSV Hamburg (30:4), VfL Gummersbach (27:5) und TuS N-Lübbecke (24:8) vergeben zu sein, doch dahinter liegen der VfL Lübeck-Schwartau (20:12), HC Elbflorenz Dresden (20:14) und Dormagen (19:11) dicht beisammen. Größte Gefahr, die von hinten kommt, ist nicht der Siebte Dessau-Roßlauer HV (17:17), sondern der Neunte EHV Aue (15:13). Sicher: Das sind alles theoretische Rechnungen. Und Martin Juzbasic wird sie vermutlich nach jedem Spieltag neu durchgehen – bis er vielleicht Anfang April aufs Feld zurückkehren darf. Der 12. Februar 2021? Scheint eine Ewigkeit her und schon jetzt kein Thema mehr zu sein.