2. Bundesliga
Wenn Dormagen plötzlich die „Werkself“ ist
Für Bayer lief beim 19:25 in Rimpar vieles schief und gegen Bietigheim wird es auch nicht einfach. Gummersbach ist hoher Favorit in Fürstenfeldbruck.

Reißtest: Kapitän Patrick Hüter (rechts), Alexander Senden (Nummer 6) und Joshua Reuland (Nummer 3) wollen die Dinge mit Dormagen nach der missglückten Dienstreise vom Dienstag wieder in den Griff bekommen. (Foto: Thomas Schmidt)

Es war ein seltsamer Abend. Eigentlich passte nichts zusammen. Und auf der anderen Seite wiederum alles. Der TSV Bayer Dormagen verlor das Nachholspiel bei der DJK Rimpar Wölfe am Ende deutlich mit 19:25, weil er offensiv die schlechteste Saisonleistung ablieferte. Keine Woche zuvor hatte er beim HC Elbflorenz Dresden aufgrund der schwächsten Vorstellung der Abwehr mit 30:34 den Kürzeren gezogen. Mal schwach hier, mal schwach dort: So ist es schwierig, in der 2. Bundesliga auswärts erfolgreich zu sein. Sollten sich die Dormagener die TV-Aufnahme der Partie noch einmal ansehen (müssen), würden sie zweierlei Dinge feststellen. Erstens: Es ging wirklich manches daneben, sodass auf den Trikots zwar Dormagen stand – aber das sonstige Bayer nicht drin war. Zweitens: Spieler und Trainer Dusko Bilanovic dürften sich bisweilen kaum wiedererkannt haben. „Heute haben wir den TSV Bayer 04 Dormagen zu Gast“, kam über die Lautsprecher. Oder: „Der Verein Bayer Dormagen ist gegründet als Werkself.“ Das war kein bisschen witzig, bot jedoch dem Bayer-Vortrag irgendwie den richtigen Rahmen. Die Dormagener wirkten ja tatsächlich wie jemand anders. Durchaus heiterer war die Wortschöpfung „dauerhafte Konstanz“, die irgendwo gefehlt haben soll. Wenn konstant mit nicht veränderlich oder ständig gleichbleibend übersetzt wird, ist es doch schön, wenn das länger so bleibt.

Ganz im Gegensatz dazu wünschen sich alle bei Bayer, dass sich die Dinge so rasch wie möglich wieder ändern und die Mannschaft die Rückkehr zur über größere Strecken der Saison vorhandenen Stärke  zurückfindet. Am Tag nach Rimpar zeigte sich Trainer Bilanovic weiter enttäuscht, doch er mag sich nicht mehr besonders lange mit dem Rückschlag aufhalten: „Wir sind selber schuld. Wir haben das Spiel im Angriff verloren, die Abwehr war gefestigt. Die nächsten Aufgaben kommen schnell. Wir blicken nach vorne.“ Richtig ist auch, dass der aktuelle Rang sechs und die 19:13 Punkte noch immer in Ordnung gehen – während die bis vor knapp zwei Wochen geltenden 19:9 etwas über den Erwartungen lagen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der TSV bei anhaltender Tendenz ins breite Mittelfeld abrutscht, das im Grunde bis zum TV Hüttenberg auf Rang 14 reicht (15:21 Punkte).

Das Heimspiel am Freitagabend gegen die SG BBM Bietigheim bietet Dormagen tatsächlich die schnelle Chance, die alten Qualitäten neu zu entdecken und zumindest die meisten Puzzleteile an den richtigen Platz zu legen – bei den Torhütern, in der Abwehr und im Angriff. Der TSV wird auf jeden Fall eine klare Steigerung benötigen, obwohl das vor der Saison viel höher eingeschätzte Bietigheim aktuell mit einem ausgeglichenen Konto (16:16 Punkte) nur auf Platz neun zu finden ist. Nach 8:0 Zählern aus den ersten drei Spielen im Jahr 2020 gegen Konkurrenz aus der unteren Hälfte verlor die SG zweimal hintereinander – 28:29 gegen den HC Elbflorenz Dresden, 21:24 beim Hamburger SV. Was sich daraus ableiten lässt für Dormagen? Vermutlich nichts. Bilanovic‘ Mannschaft hat gegen dieselben Kontrahenten ebenfalls verloren – 26:32 in Hamburg, 30:34 in Dresden. Alles deutet auf eine sehr ausgeglichene Partie hin. 

Was sagst du dazu? Geschäftsführer Christoph Schindler (links) und Trainer Gudjon Valur Sigurdsson dürften sich über die Gummersbacher Ziele für diese Saison ziemlich einig sein. (Foto: Thomas Schmidt)

Beim Titelkandidaten VfL Gummersbach ist die Lage wieder entspannter, weil das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson nach dem unerwarteten 28:29 gegen den TV Großwallstadt beim 31:29 über den VfL Lübeck-Schwartau fast die alten Qualitäten zeigte: Cleverness, Routine, zu den richtigen Zeitpunkten die richtigen Entscheidungen einiger Führungsspieler. Unabhängig von trotzdem vorhandenen Baustellen gibt es keine Diskussionen darüber, dass der Titel- und Aufstiegskandidat die bevorstehende Aufgabe lösen muss: Um die eigenen Ansprüche zu erfüllen, zählt für den Tabellenzweiten (29:5 Punkte) am Freitagabend beim Schlusslicht TuS Fürstenfeldbruck (8:30) nur ein Sieg, der zudem ungefährdet sein sollte. Vor über vier Monaten machte der VfL am zweiten Spieltag sogar kurzen Prozess im Heimspiel gegen den Aufsteiger – 40:25. Den bislang letzten seiner vier Erfolge errang der TuS kurz vor Weihnachten mit dem 27:26 beim EHV Aue, eher er acht Mal in Folge den Kürzeren zog und im Kampf um den Klassenerhalt immer mehr an Boden verlor. 

Gerade weil Fürstenfeldbruck als Abstiegskandidat Nummer eins gilt, bietet die Aufgabe für Gummersbach einen hohen Blamagefaktor – den die Beteiligten selbstverständlich ausschalten wollen. Um optimal vorbereitet zu sein, macht sich die VfL-Delegation deshalb auch schon am Donnerstag auf den Weg nach Bayern. Dass Falk Kolodziej (bisher bereits 98 Treffer) der Dreh- und Angelpunkt bei den Gastgebern ist, dürfte hinreichend bekannt sein, und Sigurdsson dürfte pausenlos darauf hinweisen, dass in der 2. Bundesliga jeder Gegner einiges an Respekt verdient. Der Mannschaft scheint allerdings längst klar zu sein, dass sie hundert Prozent Engagement braucht. „In dieser Liga müssen wir in jedem Spiel unsere Top-Leistung abrufen“, sagt etwa Kreisläufer Ellidi Vidarsson. Alle Gedanken ans Gipfeltreffen am 3. März in Hamburg sollten sich die Gummersbacher tatsächlich vorerst schenken. Dafür wäre unter anderem die lange Rückfahrt aus Fürstenfeldbruck (bei München) nach Gummersbach viel eher geeignet.