Die Geschichte eines Auswanderers
Thomas Bäckmann: Aus dem Rheinland an den Golf von Mexiko
Der ehemalige Rückraumspieler, Trainer und Mitbegründer der Trainerschmiede ist vor zwei Monaten nach Texas umgesiedelt.

Eine neue Welt: Hinter Thomas Bäckmann ist nicht der Kölner Dom zu sehen, sondern eine der Startrampen für die SpaceX-Raketen des US-Unternehmens für Raumfahrt und Telekommunikation. (Foto: TB)

Auch der letzte Schritt ist gemacht. Seit nun knapp zwei Monaten lebt Thomas Bäckmann mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern in Texas. Hätte ihm vor einigen Jahren einer erzählt, dass sie im Winter 2020/2021, mitten in einer Pandemie, mit nur vier Koffern an die Grenze zu Mexiko ziehen würden, hätte Bäckmann nur mit dem Kopf geschüttelt und abgewunken – nicht nur wegen Corona. Aber vor bald zwei Jahren wird bei seiner Frau der Wunsch, nach Amerika auszuwandern, immer größer. Die gelernte Hebamme besitzt neben der deutschen auch die US-Staatsbürgerschaft. Damit wird für die Familie alles deutlich einfacher. „Wir sind bereits jetzt sehr gut vernetzt und haben viel Unterstützung von der Familie hier“, erzählt Thomas Bäckmann (46), der seine Green Card über die „Familienzusammenführung“ beantragen konnte. „Der ganze Prozess hat zwar über anderthalb Jahre gedauert, aber mit der Einreise haben die Kinder nun auch die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Und unsere erwachsenen Kinder können uns hier jederzeit besuchen“, erklärt Bäckmann, dessen älteste Tochter weiter in Deutschland lebt.

Der ehemalige Rückraumspieler war zuletzt im Rheinland selbstständig als Vermögensberater tätig. Nebenbei trainierte er die Torhüter (Senioren und Jugend) des Mittelrhein-Oberligisten MTV Köln. Beim MTV (vormals SG MTVD Köln) ging Mitte der 2000er-Jahre auch Bäckmanns aktive Karriere zu Ende, nachdem er zuvor einige Zeit das Trikot der SG Solingen (Vorgänger des Bergischen HC) getragen hatte. Im Anschluss an die Karriere auf dem Feld übernahm Thomas Bäckmann schnell Verantwortung an der Seitenlinie. Auf die C-Lizenz, die er bereits mit 17 erwarb, folgte 2015 die B-Lizenz und seit 2016 ist Bäckmann zertifizierter DHB-Torwarttrainer. Referenten bei der Fortbildung dazu in Kiel: Keeper-Legenden wie Jan Holpert, Henning Fritz und Mattias Andersson.

Der (alte) Mann und das Meer: Thomas Bäckmann fühlt sich sehr wohl am Golf von Mexiko. (Foto: TB)

Die Trainerkarriere setzte Bäckmann bei der HSG Refrath/Hand fort. Erst stieg er mit der zweiten Herrenmannschaft in die Kreisliga auf und anschließend übernahm er die erste Damenmannschaft. Nach dem Klassenerhalt in der Landesliga folgten 2017/2018 der Aufstieg in die Verbandsliga und im Jahr darauf der frühzeitige Klassenverbleib. Für Thomas Bäckmann war es die letzte Saison bei der HSG: Er wollte sich neben dem Torwart-Training beim MTV vermehrt um die Projekte der „Deutschen Trainerschmiede“ kümmern.

Dieses Unternehmen rief er zusammen mit seinem Schulfreund in Leben, dem ehemaligen Handball-Profi (unter anderem VfL Gummersbach) und A-Lizenz-Inhaber Jörn Ilper. Ziel: Vereine, Sportler und Trainer in der Aus- und Weiterbildung von Athleten und Mannschaften unterstützen. Eine der Veranstaltungen, die normalerweise jährlich auf dem Programm stehen, ist das Torhütercamp. Prominente Referenten wie Clara Woltering oder Bastian Rutschmann vermitteln an zwei Tagen theoretische und praktische Inhalte zum Torwartspiel. Neben weiteren Schulungslehrgängen gehören auch B- und C- Lizenz-Verlängerungen zum Angebot.

Jene Projekte will Thomas Bäckmann am liebsten weiterhin mit anbieten/begleiten: „Ob und in welcher Form das möglich sein wird, muss sich zeigen. Aber ich kann mir gut vorstellen, das Torhütercamp zum Beispiel mit einem längeren Heimatbesuch zu verbinden.“ Dass Bäckmann vor keinem Abenteuer zurückschreckt, zeigte er unter anderem im Amt des Team-Managers beim Drittligisten Leichlinger TV, das er sich in der Saison 2019/2020 mit Ingo Jacobi teilte, um den dortigen Umbruch mitzugestalten. „Es war wirklich ​eine interessante Geschichte, aber als wir dann plötzlich von der Insolvenz der Spielbetriebs-GmbH erfuhren, war für mich klar, dass wir da so nicht weitermachen können und werden“, sagt Bäckmann.

Nun lebt er also das Abenteuer „Texas“. In der kleinen Stadt Rancho Viejo lebt die vierköpfige Familie jetzt auf 110 Quadratmetern in einer Appartement-Anlage. Einen Job haben Thomas und seine Frau in den USA bisher nicht, obwohl ein paar Bewerbungen raus sind. „Wir haben damit keinen Stress. Erst einmal sollen die Kinder richtig ankommen und sich wohlfühlen. Außerdem haben wir unser Haus in Köln vermietet und in den letzten Jahren ganz gut gewirtschaftet. Das gibt uns genügend Sicherheit“, meint der Familienmensch, „hier braucht alles viel Zeit. Das Leben fühlt sich einfach entschleunigter an als in Deutschland. Diese entspanntere Grundstimmung ist natürlich neu, holt uns aber auch runter.“

Viele Gedanken an ihr „altes Leben“ haben die vier bisher noch nicht gehabt – selbst im Februar nicht, als eine Kältewelle über Texas rollte. „Wir hatten dann leider vier Tage lang keinen Strom und keine Heizung, aber glücklicherweise gab es hier direkt keinen Schneesturm“, berichtet Thomas Bäckmann, „zum Aufwärmen und Aufladen der Handys durfte man ins Rathaus kommen. Dort wurden wir auch mit warmem Essen versorgt. Glücklicherweise kommt so ein Temperatursturz von plus 26 auf minus acht Grad nicht so oft vor.“ Im Übrigen kamen bereits am zweiten Tag des Stromausfalls Winterdecken für alle an – die die  Verwandten seiner Frau sofort bestellt hatten.

So musst du das machen! Thomas Bäckmann (links) hatte in seiner Kölner Zeit auch mit Torhüter Hendrik Theisen immer was zu besprechen. (Foto: Thomas Schmidt)

An viele neue Dinge hat sich Bäckmann schnell gewöhnt: „Für 18 Dollar das Auto vollzutanken, ist schon angenehm. Wobei ich hier tatsächlich schon Beschwerden über die Benzinpreise gehört habe.“ Es ist ohnehin eher ein netter Punkt am Rande. Was Thomas Bäckmann allerdings sehr gefreut und ein wenig erstaunt hat: „Zur Einschulung bekamen die beiden Kinder sofort je ein iPad. Generell scheint es so, als wäre man hier deutlich fortschrittlicher, was das Lernen mit diesen technischen Möglichkeiten angeht.“

Sicher ist sich Bäckmann, dass die Verständigung auf Englisch keine große Hürde sein wird: „Natürlich wird jetzt einiges langsam wieder aufgefrischt, aber da sehe ich keine Probleme. Tatsächlich kommt hier eigentlich mehr Spanisch als Englisch vor.“ Wovon ihnen alle drüben abraten, ist das Überqueren der Grenze nach Mexiko: „Es ist dort einfach zu gefährlich. So genießen wir das gute mexikanische Essen auf unserer Seite.“ Wird es in den USA bald den Handball-Trainer Thomas Bäckmann geben? Die Antwort lässt alles offen: „Das ist aktuell schwer einzuschätzen.“  Einen ersten Vorstoß in diese Richtung gab es allerdings bereits vor der Ankunft: „Ich hatte losen Kontakt mit dem US-Verband und es soll in einigen Wochen noch mal gesprochen werden. Aber das hat aktuell keine Priorität.“ Direkt in Texas stehen die Chancen auf eine Aufgabe im Handball jedenfalls nicht besonders gut. Im ganzen Staat gibt es nur vier Mannschaften – und keine davon ist südlich von Houston zu Hause, das wiederum mehr als fünf Stunden Fahrt von Rancho Viejo entfernt ist.

Folgendes steht definitiv fest: Thomas Bäckmann freut sich auf alles, was in Texas auf ihn und seine Familie wartet, mit oder ohne Handball. Wenn er dann mal im Rheinland vorbeischaut, könnte das durchaus zu Harzkontakt führen. Aus den Augen verliert jemand, der den Sport liebt und über Jahrzehnte an der Basis praktisch geatmet hat, den Handball sowieso nie ganz. Vielleicht überrascht uns ja in Zukunft sogar eine Meldung aus den USA damit, dass ein gewisser Thomas Bäckmann neuer (Torwart-)Trainer geworden ist. Weit hergeholt? Bestimmt. Aber komplett auszuschließen ist es auch nicht – genauso wenig wie die Vorstellung, dass er sich in ein paar Jahren auch über die Benzinpreise im südlichsten Texas ärgert. Doch spätestens bei einem Besuch in der alten Heimat dürfte ihn dieser Gedanke bloß noch amüsieren.