3. Liga Mitte
Nach Gummersbach und Großwallstadt: Maik Pallach liebt das „Projekt Adler“
Der neue Trainer will die personell verstärkte HSG Krefeld Niederrhein zurück in die 2. Bundesliga führen. Als Selbstläufer sieht er die Aufstiegsrunde trotzdem nicht.

Verschreibungspflichtig? Maik Pallach, der neue Trainer der HSG Krefeld Niederrhein, hat auf jeden Fall einige sportliche Rezepte auf Lager und viel vor mit dem Noch-Drittligisten. (Foto: samla.de)

Der Niederrhein ist für ihn das neue Zuhause. Sportlich jedenfalls. Menschlich und privat wird immer das Oberbergische seine Heimat bleiben – jene Gegend, in der nicht viele Wege am VfL Gummersbach vorbeiführen. Keine Überraschung: Auch Maik Pallach, der in Engelskirchen geboren wurde und im Gummersbacher Ortsteil Derschlag lebt, blieb einst beim Traditionsklub hängen. Erst als Spieler in der Zweiten und im Bundesliga-Kader, später als Aktiver in der U 23 und als Trainer oder Akademieleiter für den Nachwuchs. Im Bergischen kennt sich Pallach ebenfalls aus, weil in seiner Vita unter anderem die Stationen Wermelskirchener TV und Leichlinger TV stehen (neben Ferndorf und Schalksmühle). Im Frühjahr 2019 nahm er gut 200 Kilometer weiter südlich ein anderes Projekt in Angriff: Als Sportlicher Leiter des TV Großwallstadt trat Pallach mit dem Ziel an, beim in die 3. Liga abgerutschten Traditionsverein aus Unterfranken mit an den für eine Rückkehr nach oben notwendigen Strukturen zu arbeiten. Schritt eins gelang mit dem Wieder-Aufstieg in die 2. Liga, wo Großwallstadt nach Startschwierigkeiten mittlerweile als Achter ziemlich beruhigt vom Klassenerhalt ausgehen darf.

Im November 2020 bat Maik Pallach die Verantwortlichen des früheren Deutschen Meisters und Europapokalsiegers trotzdem, dass er aus familiären Gründen wieder nach Gummersbach zurückkehren dürfe, um näher bei seiner Frau und den drei Kindern zu sein. Der TVG, mit der Arbeit des 39-Jährigen durchaus sehr zufrieden, stimmte zu. Und sofort war klar, dass Pallach nicht lange ohne Stelle sein würde, zumal sich seine Heimkehr längst herumgesprochen hatte. Im Februar stand schließlich offiziell fest, dass Maik Pallach bei der HSG Krefeld Niederrhein die Nachfolge des überraschend vor die Tür gesetzten Felix Linden antreten wird. Noch in der 3. Liga. Nicht bei einem der ganz großen Vereine – sondern bei einem, der erst etwas Größeres werden will. Genau das ist es, was Pallach reizt: „Da kann was wachsen und entstehen. Ich setze mich nicht in ein gemachtes Nest.“ Er will den Eagles, wie sich die Krefelder selbst nennen, mittelfristig die größeren Flüge beibringen.

Klar ist: Die HSG, die 2019/2020 eine unbefriedigende Saison in der 2. Liga erlebte und am Ende einer Saison ohne sportlichen Absteiger trotzdem runter in die 3. Liga musste (DHB verweigerte am Ende eines längeren und strittigen Sachverhalts die Lizenz), strebt über kurz oder lang die Rückkehr in die zweihöchste deutsche Klasse an. Deswegen gehörten die Adler in den vergangenen Wochen und Monaten auch zu den Klubs, die in der durch Corona abgebrochenen Saison an einer (freiwilligen) Aufstiegsrunde extrem interessiert waren. Die nötige Infrastruktur bringt die HSG mit und sie war/ist immer bereit, die erhöhten Aufwendungen für Tests und intensive Hygienekonzepte aufzubringen. Außerdem haben die Eagles für die Aufstiegsrunde personell einiges an Qualität nachverpflichtet: Vom Zweitligisten Wilhelmshavener HV kam etwa Domagoj Srsen (30) und aus der BeNe-League von Sporting Pelt der niederländische Nationalspieler Robin Schoemaker (25). Kreisläufer Srsen und Rückraumspieler Schoemaker haben eins gemeinsam: Sie gelten – abgesehen von ihren offensiven Qualitäten – als sehr abwehrstark. Damit passen sie genau ins Raster, das sich die Krefelder beim am 10. April startenden Comeback-Versuch zurechtgeschneidert hatten. Eine kompakte Defensive vor den beiden Keepern Oliver Krechel und Jascha Schmidt soll mit den Anführern Srsen/Schoemaker im Mittelblock nach Möglichkeit Beton anrühren.

Im Anflug: Auch der belgische Nationalspieler Nick Braun hätte wenig dagegen einzuwenden, wenn Krefeld mit Neu-Trainer Maik Pallach der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelingt. (Foto: Herbert Mölleken)

„Was bei der Aufstiegsrunde sportlich rauskommt, kann ich gar nicht sagen“, meint Pallach, „wenn du fünf Monate keinen Wettkampf hattest, ist immer die Frage, wie du wieder reinkommst.“ Obwohl die Mannschaft in den bisherigen Trainingswochen viele wichtige Schritte zurückgelegt habe, lasse sich daraus keine Garantie zum Aufstieg ableiten. Logisch allerdings: Testsiege wie jenes 25:24 am vergangenen Wochenende beim ebenfalls stark am Aufstieg bastelnden VfL Eintracht Hagen aus der Gruppe Nord/West der 3. Liga schaden dem Selbstvertrauen wohl kaum. Dafür bringt Pallach die Zuordnung zur „Gruppe Süd“ der Aufstiegs-Vorrunde, die manche für einfacher halten als die „Gruppe Nord“ (unter anderem mit Hagen), überhaupt nicht weiter: „Da sind doch keine Namen entscheidend. Du musste immer vor jedem Gegner Respekt haben.“ Ein Rückblick belegt, dass die Vorsicht angebracht sein dürfte: Ihre bisher letzte Meisterschafts-Partie bestritten die Eagles am 24. Oktober 2020 bei der HG Saarlouis – und es gab ein 26:30 gegen jene Mannschaft, die zum Zeitpunkt des kurz darauf erfolgten Saison-Abbruchs an der Tabellenspitze lag. Saarlouis nimmt zwar nicht an der Aufstiegsrunde teil, dafür aber der TuS Kaiserslautern-Dansenberg, mit dem es die Krefelder im Oktober 2020 ebenfalls zu tun hatten. Auch an die damalige 28:34-Niederlage werden sie sich bei der HSG vermutlich nicht so besonders gerne erinnern. Pallach warnt zudem davor, seit Jahren eingespielte Teams wie die HSG Hanau zu unterschätzen: „Das wäre gefährlich und vermessen.“

Mittelfristig will der Neu-Krefelder mit der HSG stetig an einer Verbesserung der für professionell gedachten Handball notwendigen Strukturen arbeiten: „Wir haben hier viel Potenzial und wir machen schon viel richtig, aber in einigen Bereichen ist Luft nach oben.“ Damit meint er natürlich nicht zuletzt die Zusammensetzung des Kaders, der steigenden sportlichen Anforderungen naturgemäß nur mit intensiverem zeitlichem Aufwand gerecht werden kann. Pallach will eine pauschale Formel umkehren, die nicht nur auf Akademiker gemünzt ist: „Wir wollen keine Studenten haben, die auch Handball spielen, sondern Handballer, die auch studieren.“ Heißt in der Übersetzung: Handball in der 2. Liga kann bei sieben oder mehr Einheiten pro Woche kaum eine Nebenbeschäftigung sein und nicht überwiegend an drei oder vier Abenden stattfinden.  

Krefeld startet in die Aufstiegsrunde am 10. April um 19 Uhr gegen Hanau. Es folgen die Auftritte beim TV Willstätt (17. April, 20 Uhr), gegen den VfL Pfullingen (24. April, 19 Uhr), beim TuS Dansenberg (1. Mai, 19.30 Uhr), gegen den HC Oppenweiler/Backnang (13. Mai, 17 Uhr) und beim TSB Heilbronn-Horkheim (15. Mai, 15 Uhr). Pallachs Mannschaft braucht in der Addition dieser sechs Partien mindestens den vierten Platz, um sich fürs Viertelfinale (Zwischenrunde) mit den hinzustoßenden vier besten Teams aus der anderen Vorrunden-Gruppe zu qualifizieren. Die Paarungen im Viertelfinale: Erster Gruppe A gegen Vierter Gruppe B, Zweiter Gruppe A gegen Dritter Gruppe B, Dritter Gruppe A gegen Zweiter Gruppe B, Vierter Gruppe A gegen Erster Gruppe B. Vorgesehen sind für Hin- und Rückspiele der 22. bis 24. Mai und der 29./30. Mai. Die verbleibenden vier Klubs ermitteln anschließend im Halbfinale am 5./6. und 12./13. Juni die beiden Aufsteiger. Sollte es für die Eagles optimal laufen, könnte Maik Pallach in der kommenden Saison vielleicht sogar auf große Wiedersehenstour gehen – weil er mit den Krefeldern fast sicher auf Großwallstadt und möglicherweise auf Gummersbach treffen würde. Vermutlich drückt er allerdings eher dem VfL die Daumen in dessen Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga. Das passt doch irgendwie perfekt für einen, dessen neues Zuhause der Niederrhein ist und dessen Heimat das Oberbergische bleibt.