12. April 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
So sah das am 31. Dezember 2020 aus. Nach dem ersten Teil der wilden Jagd durch die Saison in der 2. Bundesliga hatte der Handball Sport Verein Hamburg die Nase vorne. Mit 26:4 Punkten lag die Mannschaft von Trainer Torsten Jansen auf dem ersten Platz. Damit konnte der VfL Gummersbach in der von ihm ausgerufenen „Mission Aufstieg“ ganz gut leben. Erstens: Am Ende dürfen ja zwei Klubs in den Fahrstuhl nach oben klettern. Zweitens: Bei zwei Spielen weniger verfügte der VfL über 23:3 Zähler – und lag damit relativ sogar ein bisschen besser als der Kontrahent aus dem Norden. Dritter im Bunde war bereits damals der TuS N-Lübbecke – den die beiden ganz vorne allerdings in Schach zu halten schienen, weil der TuS bereits acht Minuspunkte auf dem Konto hatte (20:8). Dreieinhalb Monate später steht vor allem fest, dass genau dieses Trio den Aufstieg unter sich ausmachen wird. Ab Rang vier beginnt beim Dessau-Roßlauer HV (30:20) das Feld jener Zweitligisten, die entweder zu weit zurückliegen oder gar keine ernsthaften Ambitionen nach ganz vorne verfolgen. Dort hat unverändert Hamburg die besten Karten und mit 39:9 Punkten absolut alle Vorteile auf seiner Seite.
Dahinter wechseln sich N-Lübbecke (38:12) und Gummersbach (37:11) gerade regelmäßig in der Rolle des ersten Verfolgers ab. Erst legte der VfL Gummersbach vor – mit seinen Niederlagen beim TuS Fürstenfeldbruck (25:32) und in Hamburg (22:29). Nettelstedt konnte aufschließen, die Gunst der Stunde aber nur kurz auskosten – 27:27 gegen die SG BBM Bietigheim, 19:27 gegen den TSV Bayer Dormagen. Das ist erst knapp zwei Wochen her und der VfL fand wohl, dass etwas neue Spannung sein müsste: Nach vier Siegen hintereinander gab es wegen einer über weite Strecken ideen- und leidenschaftslosen Vorstellung eine 24:28-Pleite bei der DJK Rimpar Wölfe. So vergab das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson mal wieder eine Chance – diesmal jene, durch einen Erfolg über das bessere Torverhältnis zumindest vorübergehend auf Rang eins zurückzukehren. Dass Hamburg einen Tag später ebenfalls in Fürstenfeldbruck stolperte (27:29), hätte es möglich gemacht. Nun muss sich Gummersbach erneut jene Fragen stellen, die es gerade hinter sich gelassen zu haben schien. Eine davon: Kann der VfL das Fehlen der verletzten Ellidi Vidarsson und Alexander Hermann tatsächlich auf Dauer kompensieren? Wenn dann kurzfristig in Matthias Puhle (erkrankt) auch die Nummer eins bei den Torhütern ausfällt, scheint es zu doppelt und dreifach schwierig zu sein – obwohl die Pleite in Rimpar nicht an Puhle-Vertreter Diogo Valerio lag, sondern das Resultat eines komplett gebrauchten Abends war. Welche Antworten die Gummersbacher jetzt finden, wird sich am Dienstagabend in der Nachbarschaft im Nachholspiel beim TuS Ferndorf zeigen. Vermutlich führt kein Weg daran vorbei, dass der Titelkandidat Antworten finden muss. Richtige Antworten.
Ferndorf hat – im Gegensatz zu den Gummersbachern – überhaupt nichts zu verlieren. Am 28. Februar war die Welt nach dem 28:28 beim EHV Aue noch in Ordnung, denn Trainer Robert Andersson war mit dem TuS im Kampf um den Klassenerhalt irgendwie auf dem richtigen Weg. Was er nicht ahnen konnte: Kurz darauf legte erneut Corona den Spielbetrieb im Siegerland lahm – und es hagelte weitere Spielabsagen/Verlegungen, weil es umfangreiche Quarantäne-Anordnungen gab. Erst in der vergangenen Woche sprang die Ampel für die Rückkehr in die Meisterschaft auf Grün, sodass nach einer sechs Wochen langen Zwangspause die Partie beim ASV Hamm-Westfalen stattfinden konnte. Dort lieferten die Ferndorfer, denen bei Weitem nicht die komplette Stammbesetzung zur Verfügung stand, eine bemerkenswerte Leistung ab und verloren nur knapp mit 30:32. Dass der TuS dadurch auf den letzten Platz abrutschte, will überhaupt nicht zu diesem von Leidenschaft geprägten Auftritt passen. Verantwortlich dafür ist sowieso in erster Linie, dass Ferndorf bei 12:24 Punkten erst 18 Spiele ausgetragen hat – sieben weniger als der Vorletzte TuS Fürstenfeldbruck, der mit 13:37 Zählern fast unglaubliche 13 Minuspunkte mehr mit sich herumschleppt. Selbst den TV Emsdetten (16:32) auf dem rettenden Platz 16 könnte Ferndorf demnächst durchaus wieder ein- und überholen.
Die Erkenntnis, dass Ausrutscher im letzten Drittel der Saison immer teurer werden, dürfte rund um die Schwalbe-Arena endgültig angekommen zu sein. Weder in Ferndorf noch anschließend beim Dessau-Roßlauer HV (Zehnter/18. April), gegen die Rimpar Wölfe (Neunter/21. April), erneut gegen Ferndorf (24. April), beim ThSV Eisenach (Elfter/8. Mai) oder bei der SG BBM Bietigheim (Zwölfter/16. Mai) dürfen die Gummersbacher viel liegen lassen. Nur eine halbwegs vernünftige Serie wird dafür sorgen, dass es am 28. Mai in Nettelstedt zu einem echten Spitzenspiel kommt. Andere Möglichkeit: Der TuS N-Lübbecke sorgt seinerseits für neue Abwechslung – etwa in den Partien in Fürstenfeldbruck (24. April) oder gegen den TV Großwallstadt (7. Mai). Wie schnell das danebengehen kann, hat ihnen ja ausgerechnet der VfL mit seinen Niederlagen gegen diese Kontrahenten gezeigt. Auf der anderen Seite wird der Gummersbacher Emir Kurtagic, der den TuS N-Lübbecke trainiert, seine Spieler vermutlich gerade darauf eindringlich hinweisen. Fazit: Gummersbach ist gut beraten, wenn es in erster Linie auf sich selbst schaut. Und Julian Köster, der im Winter vom TSV Bayer Dormagen gekommene Rückraumspieler, bringt die Voraussetzung für ein gutes Gelingen auf einen einfachen Nenner: „Wir müssen von der ersten Sekunde an bereit sein und den Kampf annehmen. Wir wollen kämpfen bis zum Umfallen.“ Daran immerhin hat sich seit dem 31. Dezember 2020 nichts geändert.