31. Mai 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Er gehört wirklich zu denen, die hart im Nehmen sind. Richtig hart sogar. Und vermutlich hätten 99 Prozent aller Spieler ihren Arbeitstag nach jener Szene schon in der zweiten Minute direkt für beendet erklärt. Nicht aber Timm Schneider. Der Kapitän des VfL Gummersbach landete im Spitzenspiel der 2. Bundesliga beim TuS N-Lübbecke nach einem Foul hart auf dem Boden und zuerst sah es so aus, dass er trotz langer Behandlung für den großen Rest der Partie höchstens noch eine Zuschauerrolle würde einnehmen können. In Absprache mit der medizinischen Abteilung begann der Rückraumspieler draußen jedoch etwas später vorsichtig mit ersten Übungen zur Rückkehr aufs Feld, das er eine Viertelstunde später tatsächlich wieder betrat – um zu verhindern, was sich an diesem Abend kaum verhindern ließ: Gummersbach musste eine im Kampf um den Aufstieg bittere 27:35-Niederlage hinnehmen, sodass am Ende alle Kopfschmerzen hatten – Schneider sowieso und mit ihm im übertragenen Sinn alle Teamkollegen, die beim Blick auf Ergebnis und eigene Leistung ebenfalls einen Brummschädel gehabt haben dürften. Trainer Gudjon Valur Sigurdsson ersparte ihnen trotzdem nicht, sich in der Nacharbeitung die kompletten 60 Minuten zu Gemüte zu führen. Am kommenden Freitag (19 Uhr) wird sich im Heimspiel gegen den TSV Bayer Dormagen zeigen, ob alle Beteiligten die richtigen Mittel zur Gesundung gefunden haben.
Für Timm Schneider heißt das konkret: Er weiß noch nicht, ob er beim Versuch der Frustbewältigung helfen darf. Bei einer Untersuchung im Krankenhaus gaben die Ärzte zwar so etwas wie Teil-Entwarnung (keine Blutungen), doch Schneider bekam für diese Woche eine Krankschreibung mit. Bis dahin unterliegt er wegen seiner Kopfschmerzen dem Gebot der absoluten Schonung – reichlich Ruhe, viel Schlaf, kein Sport. Natürlich hält sich der für seine Leidensfähigkeit bekannte Handballer an die Anweisungen, doch auf der anderen Seite wäre Timm Schneider nicht Timm Schneider, wenn er nicht schon auf den Freitag blicken würde – und sich selbst für die am Morgen des Spieltages fällige Nach-Untersuchung die Daumen drückt. „Ich hoffe, dass ich zurückkommen kann“, sagt Schneider. Draußen zu sitzen und zuschauen zu müssen, wie die Mannschaft den Auftritt in Nettelstedt zu korrigieren versucht? Nur zur Not, falls ein deutliches medizinisches Veto erfolgt. Lieber wäre es dem Kapitän, wenn er zusammen mit dem Team unten auf oder neben dem Feld zeigen könnte, dass die Gummersbacher nicht so schlecht sind, wie es das 27:35 auszudrücken scheint.
Im Rückblick darauf redet Schneider nicht um den heißen Brei herum: „Wir waren in jedem einzelnen Punkt schlechter.“ Zwei Beispiele: Tempogegenstöße, sonst eine Stärke, waren zu selten wirkungsvoll, viele Wurf-Situationen waren schlecht bis gar nicht vorbereitet. Gesamtnote: „Wir haben nicht durchdacht gespielt.“ Dass die Mannschaft nicht ausreichend eingestellt gewesen wäre oder nicht die passende Einstellung gehabt hätte, hält Schneider dagegen für eine abwegige Vermutung: „Natürlich haben wir gewollt, vielleicht wollte jeder sogar zu viel.“ Bereits vor der Partie sei im Training hier und da eine besondere Anspannung zu spüren gewesen – und genau das ganz große Hindernis eingetreten: „Ich wusste, das wir uns nicht verrückt machen dürfen.“ Tatsächlich wirkte der VfL in vielen Szenen wie blockiert – weil er hinten zu viele Lücken ließ und vorne zu viele Fahrkarten oder Fehlpässe produzierte. „Insgesamt hat rein gar nichts funktioniert“, bestätigt Timm Schneider. Klar: Ein Spiel dieser Art können sich die Gummersbacher sowieso nicht mehr leisten und auf der Zielgeraden der Saison dürfen sie wohl keinen einzigen Zähler mehr abgeben.
„Wir sind darauf angewiesen, dass die anderen Punkte lassen“, weiß Schneider. Richtig ist, dass die Gummersbacher (47:15 Punkte) als Dritter hinter dem Handball Sport Verein Hamburg (50:12) und N-Lübbecke (50:14) die schwächsten Aussichten auf eins der beiden Aufstiegs-Tickets haben. Also bleibt als Mittel zunächst nur übrig, die fünf eigenen Aufgaben bis Ende Juni möglichst mit 10:0 Punkten hinter sich zu bringen – was theoretisch möglich ist, aber gleichzeitig bei den jeweiligen Kontrahenten auf größeren Widerstand stoßen dürfte. Und wenn es am Ende trotzdem nicht reicht, weil Hamburg und Nettelstedt ihre Aufgaben ebenfalls bewältigen? „Das wäre exzellent scheiße“, betont der Kapitän, „dann müssen wir eine neue Attacke starten. Das wird in der nächsten Saison nicht einfacher, aber Jammern bringt dann nichts.“ Vorläufig gilt allerdings die Devise, bis zum Schluss alles zu probieren: „Natürlich haben wir Lust, das noch zu versuchen.“ Das gilt für Schneider selbst immer. Er ist Kapitän, er ist der verlängerte Arm seines Trainers. Und er ist hart im Nehmen. Richtig hart sogar.