08. Juni 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Was wäre der Sport ohne Feindbilder? Oder, sagen wir es vielleicht etwas milder, ohne Konkurrenten? Der typische Handballer empfindet sich als harter Kämpfer, der dahin geht, wo es wehtut. „Blut. Schweiß. Keine Tränen.“ oder „Ist es zu hart, bist du zu weich.“ sind Werbeslogans der höchsten deutschen Ligen. Um sich abzugrenzen, zeigt der Handballer sodann gerne auf die Sportskameraden, die ein leicht größeres Spielgerät mit den Füßen bearbeiten. „Alles überbezahlte Jammerlappen“ ist eine mehrheitsfähige Meinung. Schnell noch aus dem lächerlichen Wälzen des Brasilianers Neymar ein GIF-Video schneiden und über sogenannte Soziale Medien teilen, bevor unsere Helden auf der Platte wieder „echten“ Sport treiben. Und auf der Abschlussfahrt besteht die Garderobe am Strand natürlich aus Shirts mit Sprüchen wie „Wenn Handball einfach wäre, hieße er Fußball.“ oder „Handballer spielen Fußball nur zum Warmmachen.“
Ob die Vergleiche fair sind oder die Sprüche geistreich, kann an dieser Stelle dahinstehen. Viel schlimmer ist: Die meisten Handballer halten sich ja nicht einmal selbst daran. Neulich bei einem Handballspiel in der Nähe: Halbzeit im Kampf um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Der Hallensprecher verabschiedet die Mannschaften in die Pause, holt kurz Luft und informiert die Anwesenden (coronabedingt selbstverständlich ausschließlich Funktionäre und freiwillige Aufbauhelfer) im nahezu selben Atemzug unverzüglich über den Zwischenstand der Fußball-Relegationspartie Holstein Kiel gegen den 1. FC Köln. Warum jetzt gleich?
Es ist kein Einzelfall. Wer sich – bevorzugt samstags – in den Hallen der Region aufhält, muss damit rechnen, dass im Laufe des Nachmittags Fußball-Ergebnisse oder auch nur Zwischenstände über das Hallen-Mikrofon durchgegeben werden. Auf Informationen, wie sich vielleicht parallel dazu der THW Kiel, die Rhein-Neckar Löwen oder die SG Flensburg-Handewitt in ihren Wettbewerben schlagen, wartet man dagegen vergeblich. Schade.
Der nächste Test wird nicht lange auf sich warten lassen. Der Blick in den Kalender verrät es: Am 19. Juni steht in der 2. Handball-Bundesliga der vorletzte Spieltag an. Mit Zähnen und Klauen wird es in einigen Hallen noch um Auf- und Abstieg gehen. Mittendrin aus der Harzhelden-Region ist zum Beispiel der VfL Gummersbach, der an diesem Tag vielleicht seine Chance zum Aufstieg wahren möchte. Parallel dazu soll in München wohl irgendein Fußballspiel laufen. Unsere Wette: Kein Zuschauer wird die Schwalbe-Arena in Gummersbach verlassen, ohne via Hallen-Lautsprecher zumindest über das Halbzeit-Ergebnis der Fußballer informiert zu werden.
Vielleicht wäre der Handball besser beraten, dass er sich einfach auf sich selbst konzentriert oder weniger Häme und weniger Neid in Bezug auf den Fußball äußert. Das Shirt mit der Aufschrift „Als Gott gemerkt hat, dass Handball nur die Besten können, gab er dem Rest Fußball“ bliebe mal im Schrank. Und im Gegenzug verzichten die Handball-Vereine der Republik dann darauf, den Handball-Fan mit Fußball-Ergebnissen zu „verwöhnen“. Verrückte Idee: Wer sich tatsächlich für beide Sportarten interessiert, findet im Jahr 2021 technische Möglichkeiten, sich in einer Handball-Halle selbstständig über die Zwischenstände an anderen Orten zu informieren. Ganz in echt.