25. Juni 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Es ist ein ganz zartes Pflänzchen mit dem Namen Hoffnung. Es ist da, aber vor dem letzten Spieltag in der 2. Bundesliga 2020/2021 irgendwo hinter einer Mauer verborgen. Viel Wasser und viel Dünger kann es an dieser Stelle nicht erwarten. Dass es sich noch zu üppiger Pracht entwickelt, muss deshalb als eher unwahrscheinlich gelten. Aber ein bisschen Licht sieht der VfL Gummersbach tatsächlich noch/wieder im Kampf um den Aufstieg – den der Handball Sport Verein Hamburg am Mittwochabend bereits mit dem 32:28 über den ASV Hamm-Westfalen für sich entschied: Das Team um Trainer Torsten Jansen hat bei 56:14 Punkten sogar die Meisterschaft in der Tasche, weil es gegenüber dem Zweiten TuS N-Lübbecke (54:16) den direkten Vergleich auf seiner Seite weiß (28:24/25:25). Das zweite Ticket für einen Platz im Aufzug nach oben wird am letzten Spieltag im Fernduell zwischen Nettelstedt und Gummersbach vergeben (53:17), das zum Finale mindestens einen aus seiner Sicht optimalen Verlauf braucht – und im Grunde eine Art Handball-Wunder. Der auf den ersten Blick eine Punkt Differenz wächst bei genauerem Hinsehen auf zwei Zähler an, denn den VfL belastet zusätzlich der verlorene direkte Vergleich (27:24/27:35).
Daraus folgt für den Samstag: Der TuS mit dem einst im Oberbergischen tätigen Trainer Emir Kurtagic müsste sich nicht nur ein Unentschieden erlauben, sondern zum Abschluss erneut verlieren – wie am vergangenen Wochenende bei der DJK Rimpar Wölfe (23:29), als der erste Matchball weit im Aus landete. Das Problem: Nettelstedt tritt jetzt zu Hause an. Mit Zuschauern im Rücken. Gegner ist der TuS Ferndorf – der als Gummersbacher Nachbar möglicherweise viel Bereitschaft mitbringt und dem Lokalrivalen gerne helfen würde, aber zuletzt nicht mehr den Eindruck machte, dass auf der Zielgeraden einer extrem fordernden Serie besonders viel Rest-Energie in den Akkus steckt. Zuletzt war der allgemeine Kräfteverschleiß bei der 28:29-Niederlage am Mittwochabend im Nachholspiel gegen den TSV Bayer Dormagen ganz gut zu erkennen. Außerdem sind die Gummersbacher am Samstag ab 18 Uhr nicht nur nebenbei als bisweilen unkalkulierbare Größe zu berücksichtigen: Dass der VfL im Treffen der Traditionsklubs mit einst überragender Bedeutung beim TV Großwallstadt den für alle Rechenmodelle zwingend notwendigen eigenen Erfolg einfährt, ist alles – aber bestimmt nicht selbstverständlich.
Das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson kann auf eine beeindruckende Statistik für seine 18 Auftritte in der Schwalbe-Arena verweisen: 34:2 Punkte machen ihn hier zur klaren Nummer eins vor den Hamburgern (30:6). Dem steht allerdings die für ein Top-Team mäßige bis unpassende Auswärts-Bilanz gegenüber: 19:15 Punkte reichen zwar für Rang vier in dieser Extra-Wertung, doch bis zu Nettelstedt (27:9) und dem HSV (26:8) klafft eine große Lücke. Und wenn in Kürze abgerechnet wird, werden wohl nicht die Niederlagen in Hamburg (22:29) oder Nettelstedt (27:35) als Gründe fürs wahrscheinliche Scheitern zu nennen sein. Da werden Spieler und andere Verantwortliche eher über die Pleiten beim TuS Fürstenfeldbruck (25:32), bei der DJK Rimpar Wölfe (24;28) oder vor Kurzem beim EHV Aue (26:29) nachdenken müssen. Torhüter Matthias Puhle, der ab der kommenden Saison beim derzeitigen Regionalligisten OSC Rheinhausen zwischen den Pfosten stehen wird, verlangt von Gummersbach mindestens eine Abschieds-Vorstellung mit Leidenschaft und höchstem Einsatz: „Wir wollen bis zur letzten Minute kämpfen, sodass wir uns nachher nicht vorwerfen lassen können, in diesem Spiel nicht alles dafür getan zu haben, die kleine Chance auf den Aufstieg zu wahren.“ Das hier wäre wirklich aus Sicht des Tabellendritten der größte anzunehmende Unfall: Ferndorf lässt die Nettelstedter stolpern – und die Gummersbacher bekommen es selbst nicht hin. Die eigene Hausaufgabe hat es dabei durchaus in sich, denn der TVG schob sich vor im Jahr 2021 aus dem Mittelfeld bis ins obere Tabellendrittel vor (Sechster/39:31). Weil es darüber hinaus am 17. Februar genau Großwallstadt war, das sich als einziger Zweitligist in der Schwalbe-Arena zu behaupten wusste (29:28), bleibt dem VfL nur übrig, diese offene Rechnung zu begleichen. Verfehlt Gummersbach dieses Ziel, braucht es sich nicht mehr nach dem Ergebnis aus Nettelstedt zu erkundigen.
Den Rechenschieber bemühen sie zurzeit vermutlich auch beim TSV Bayer Dormagen, der sich den verschiedenen Denkmodellen jedoch mit viel größerer Gelassenheit widmen kann. Die Mannschaft von Trainer Dusko Bilanovic bewies am Mittwochabend mit dem 29:28 in Ferndorf, dass sie im Endspurt selbst den letzten Tropfen Benzin aus dem fast leeren Tank quetschen will. Durch den Sieg steht gleichzeitig fest, dass Dormagen (38:32 Punkte) im dritten Jahr nach der Rückkehr in die 2. Bundesliga sein bestes Resultat einfahren wird – nach den Plätzen 13 und zehn mindestens den aktuellen Rang sieben, wie ein Blick auf die dahinter eingestuften Kontrahenten zeigt: Die SG BBM Bietigheim (Achter/36:34) und der VfL Lübeck-Schwartau (Neunter/34:36) werden nicht mehr vorbeiziehen. Es könnte für den TSV Bayer eventuell sogar noch besser kommen, falls ihm am Samstag beim Saisonfinale gegen den Vierten HC Elbflorenz Dresden (40:30) die Revanche fürs 30:34 in Sachsen gelingt. Theoretisch wäre selbst der Sprung auf Platz vier drin, aber dazu müssten drei Bedingungen eintreffen: Der Erfolg über Dresden ist deutlich, während gleichzeitig der EHV Aue (gegen den als Absteiger feststehenden Wilhelmshavener HV) und Großwallstadt (gegen Gummersbach) leer ausgehen. Bliebe es bei Rang sieben, könnten die Dormagener damit allerdings ebenfalls sehr gut leben. Das finale Ziel in den Augen aller: Ein sehenswerter Auftritt vor und ein anständiger Abschied von den eigenen Fans sollte es auf jeden Fall sein.