Deutsche Meisterschaften Beach-Handball
Teuflisch eng: Millimeter-Drama im Sand
Sand Devils gewinnen Männer-Finale im Shootout mit 3:2 gegen Beach & Da Gang. Minga Turtles beherrschen Frauen-Turnier.

Ganz schön wenig Platz: Auch Stefan Goldkuhle, einer der Torhüter des Deutschen Meisters Sand Devils, ist in der Halle unterwegs – für den TuS Bommern in der Oberliga Westfalen. (Foto: DHB/Kenny Beele)

Tobias Geske sank enttäuscht in den Sand. Fassungslos, frustriert. Für ein paar Sekunden – weil in einer irrwitzig knappen Entscheidung bei den Deutschen Meisterschaften der Beach-Handballer nur ein paar lächerliche Millimeter gefehlt hatten. Der Keeper des Titelverteidigers Beach & Da Gang, Meister von 2018 und 2019, wehrte im Shootout des Endspiels drei Mal spektakulär die Versuche der Sand Devils ab. Das reicht fast immer, aber diesmal war bei einer ungewöhnlichen Veranstaltung im Düsseldorfer Arena-Sportpark alles etwas anders. Für die „Teufel“ wehrte Oliver Middell „nur“ zweimal ab, sodass Geske dieses aufregende Duell zwischen den beiden Keepern knapp für sich entschied. Warum es trotzdem nicht reichte? Pech für die Gang: Gleich zweimal landete der Ball zusätzlich am Pfosten. Und dann brauchten die Sand Devils im letzten Versuch beim Stande von 2:2 lediglich einen schnörkellosen einfachen Treffer ohne viel Risiko – 3:2. Es war der Schlusspunkt unter ein starkes Turnier und ein extrem spannendes Finale, in dem die Gang zuvor ein 20:23 aus dem ersten Satz durch ein 20:16 im zweiten ausgeglichen hatte. Und es war für einen sogar das Happy End im Duell zweier Harzhelden-Keeper, weil Geske üblicherweise in der Halle für den Regionalligisten HG Remscheid spielt und Middell für den Mittelrhein-Oberligisten Pulheimer SC.

Dass die Devils so weit kommen und ein ganz heißer Titelkandidat sein würden, konnte keinen wirklich überraschen, zumal beim Rekordmeister nach dem Regelwerk mögliche Leihgaben an Bord waren – was manche durchaus nicht unkritisch sahen und deshalb auch darauf verzichteten, sich von dort zu verstärken. In erster Linie lag die Chance dazu am coronabedingten Modus, der die DM-Fahrkarten sowohl fürs  DM-Turnier der Männer als auch für das bei den Frauen anders verteilte. Ohne sonst übliche Qualifikations-Turniere zur Ermittlung der Teilnehmer waren die Meisterschaften 2021 ein Einladungs-Turnier – mit einem Ticket für die besten Teams der Meisterschaften in den Jahren 2018 und 2019. Dazu gehörten ausnahmsweise nicht die 12 Monkeys aus Köln – für die Middell sonst im Sand-Kasten steht. Damit war der Keeper fürs „Leihgeschäft“ frei.

Lasst uns feiern: Sand Devils und Minga Turtles machten bei der Siegerehrung gemeinsame Sache. (Foto: DHB/Kenny Beele)

Dass die Gang so weit kommen und plötzlich ein ganz heißer Titelkandidat sein würde, ließ sich in der Vorrunde ohne das komplette Personal höchstens in Ansätzen erkennen. Zwei Niederlagen und nur ein Sieg aus der Vorrunden-Gruppe A brachten Rang drei und das Viertelfinale gegen die Beach Eagles (Zweiter Gruppe B/23:22, 22:14), ehe im Halbfinale gegen die Nordlichter (24:22, 25:18) die Revanche fürs 1:2 (21:18 16:26, 6:7) aus der Vorrunde gelang. Geske fand es großartig: „Wir haben ein Hammer-Team.“ Mit einer weißen Weste bahnten sich zunächst die Teufel ihren Weg durchs Turnier und im Viertelfinale (2:0 gegen SG Schurwald) waren die Kräfteverhältnisse ebenfalls klar. Erst im Halbfinale gegen die Otternasen musste der Turnierfavorit nach dem 14:24 aus dem ersten Satz mehr investieren – um übers 21:16 und 9:8 im Shootout die Wende zu schaffen. Vielleicht wars letztlich die richtige Einstimmung auf das, was da später kommen sollte.

Ebenfalls tollen Beach-Handball, aber in den entscheidenden Partien deutlich weniger Drama bot das Frauen-Turnier – das zudem eine Premiere brachte, weil sich die Minga Turtles zum ersten Mal die nationale Krone aufsetzen konnten. Das Team mit der später zur wertvollsten Spielerin (MVP) der Meisterschaften gekürten Lena Klingler überzeugte sowohl defensiv als auch offensiv und blieb ungeschlagen. Den einzigen Satzverlust erlaubten sich die Schildkröten direkt zum Auftakt, als sie gegen die Brüder Ismaning in der Gruppe B mit einem 18:19 begannen. Das folgende 20:14 und ein 5:2 im Shootout waren jedoch der Auftakt zu einer beeindruckenden Siegesserie ohne Makel – 2:0 (24:22, 18:8) gegen die CAIPiranhas, 2:0 (22:4, 26:6) gegen die BonnBons (jeweils Vorrunde), 2:0 (20:14, 22:8) im Viertelfinale gegen die Beach Chiller, 2:0 (20:16, 24:10) im Halbfinale gegen die Beach Unicorns. Das Finale, erneut gegen die CAIPiranhas, entschieden die Minga Turtles wiederum ungefährdet zu ihren Gunsten – 28:18, 22:18.

Volldampf voraus: Christine Königsmann (beim Wurf) und die Brüder Ismaning hatten bei zwei Shootouts (Halbfinale, Spiel um Platz drei) zwar Pech, genossen aber die Deutschen Beach-Meisterschaften in vollen Zügen. Tenor: „Endlich wieder Sand zwischen den Füßen und Sonnenbrand im Gesicht.“ (Foto: DHB/Kenny Beele)

Die Sportstadt Düsseldorf sah an drei Tagen alles, was den Beach-Handball ausmacht. Und klar: Die teilnehmenden Teams, die zum großen Teil eine für die meisten ewig wirkende Pause hinter sich hatten, steigerten sich von Spiel zu Spiel, beinah von Stunde zu Stunde. Was allein fehlte: Jenes besondere Flair, dass nur Musik, Sonne, Sand und Zuschauer (nicht zugelassen) zusammen mit den Spielerinnen und Spielern herstellen können. Die Beach-DM 2021 war eine Blase, in der sich alle Beteiligten an ein ausgefeiltes Test- und Hygienekonzept zu halten hatten. Tobias Geske, der wie einige andere ganz besonders von den Emotionen lebt, sprach trotzdem stellvertretend aus, was vermutlich die meisten dachten: „Die Organisatoren haben ein ganz großes Lob verdient. So etwas aufzuziehen und uns diesen Ort so zur Verfügung zu stellen, ist nicht selbstverständlich. Wir sind dankbar, dass wir spielen konnten.“ Fassungslos? Frustriert? Gehörte da schon der Vergangenheit an. Der Blick ging schnell nach vorne – weil acht Frauen- und acht Männer-Teams im Sand von Düsseldorf eindrucksvoll bewiesen hatten, dass der Handball lebt.