Oberliga Mittelrhein
Refrath, Dormagen, Pulheim: Will keiner aufsteigen?
Vielen Mannschaften geht es zunächst "nur" darum, die Abstiegsrunde zu vermeiden. Erstaunlich: Das Ziel Regionalliga schieben sich die Favoriten vor allem gegenseitig zu.

Voller Einsatz, volles Haus, volle Punktzahl: Lennart Niehaus (mit Ball) und die HSG Refrath/Hand sind heiß auf die neue Saison. Von der „offiziellen“ Rolle des Top-Favoriten wollen sie aber nichts wissen. (Foto: Thomas Schmidt)

Niemand hat die Absicht, in die Regionalliga aufzusteigen. Und offensichtlich schrecken selbst diejenigen, die bei den Konkurrenten in der Oberliga Mittelrhein besonders hoch im Kurs stehen, vor einer offensiven Festlegung ihrer Saisonziele zurück. Warum? Man weiß es zum Teil nicht. Tatsache bleibt, dass die HSG Refrath/Hand, der Pulheimer SC und der „neue“ TSV Bayer Dormagen II ziemlich weit vorne zu erwarten sind. Ungewöhnlich (und spannend) wird es sowieso vom ersten Spieltag an, weil sich der Mittelrhein vom bisherigen Modus abwendet: Es gibt zunächst eine einfache Hinrunde, ehe die Klasse in eine Meister- und eine Abstiegsrunde aus jeweils acht Teams aufgeteilt wird (ab März 2022). Dort stehen in einer weiteren Einfachrunde noch einmal sieben Aufgaben auf dem Programm und unter dem Strich hat somit jeder Oberligist 22 Partien zu absolvieren.

Die HSG Refrath/Hand geht mit Christopher Braun, Trainer und Sportlicher Leiter, wieder in der Rolle des Gejagten an den Start. Auf dem Weg in die Regionalliga führt fast kein Weg an den Refrathern vorbei – die bereits im Herbst 2020 angekündigt hatten, dass aufgeschoben nicht aufgehoben sein soll: „Wenn es bei keinem Aufsteiger bleibt, werden wir es im nächsten Jahr erneut versuchen.“ Alles andere wäre ohnehin absurd – weil in Jonathan Benninghaus (31) und Michael Wittig (32) erfahrene Führungskräfte dabei sind, weil junge Spieler wie Linkshänder Lennart Niehaus (22) dafür sorgen, dass die Struktur in der Mannschaft stimmt, weil die vor einem Jahr vom TV Jahn Köln-Wahn gekommenen Yannik Wendler (26) und Oliver Kierdorf (35/Tor) den Kader weiter verstärkt haben.

Braun hat es vor Kurzem so formuliert: „Wenn wir unser Potenzial ausschöpfen, dann wird es für jede Mannschaft schwer, uns zu schlagen. Wir wollen von Beginn an oben mitspielen und den Topfavoriten aus Dormagen und Pulheim die Stirn bieten.“ Das ist dann immerhin so etwas wie eine verkappte Absichts-Erklärung und die Erwartungen für den Auftakt bei der SG GFC Düren 99 gehen in dieselbe Richtung: „Das ist mit Sicherheit keine einfach zu spielende Mannschaft. Aber klar sollte unser Anspruch bei unseren Ambitionen sein, auch in Düren zu gewinnen. Wir hoffen, dass wir einen sehr guten Start hinlegen.“

Schwächer ist der Pulheimer SC ebenfalls nicht geworden, denn den Hornets stehen zusätzlich die vom TSV Bayer Dormagen II gewechselten Sebastian Zeyen (27/Rückraum) und Jan Hüfken (23/Linksaußen) zur Verfügung. Trainer Kelvin Tacke tritt dennoch in gewohnter Art auf die Bremse: „Die Stärke der Oberliga kann man nach so einer langen Pause nicht beurteilen. Favorit ist für mich ganz klar Refrath, aber auch Dormagen habe ich auf der Agenda.“

Die größten Veränderungen haben sich bei Dormagen II ergeben. Der bisherige Trainer Frederic Rudloff ist nicht mehr an Bord – sondern inzwischen für den Liga-Rivalen Longericher SC II unterwegs. Nachfolger David Röhrig soll nun intensiv die Verzahnung zwischen Nachwuchs und Senioren  vorantreiben und dabei begleiten ihn erhebliche Vorschuss-Lorbeeren seines Vorgängers: „Dormagen mit acht Einheiten pro Woche wird technisch und athletisch sehr weit vorne sein. Diese Mannschaft mit vielen talentierten und jungen Spielern wird ein echtes Prunkstück. Refrath ist auch finanziell gut aufgestellt und Pulheim unglaublich abgezockt.“

Alle mal herhören! Dormagens neuer Trainer David Röhrig (Mitte) will eher abwarten. Er geht davon aus, dass seine Mannschaft bei der Konkurrenz auf viel Widerstand stoßen wird. (Foto: Thomas Schmidt)

Die zum Teil riesigen Vorschuss-Lorbeeren findet Dormagens Coach Röhrig fast übertrieben. „Wir haben einen kleinen Kern mit zwei Torhütern und sieben Feldspielern, die bereits Herren sind. Wir werden aber komplett zusammen mit der A-Jugend trainieren, die gleiche spielerische Philosophie fahren und am Wochenende immer aus der A-Jugend auffüllen“, sagt Röhrig. Den Aufstieg als Pflicht mag er daraus nicht ableiten: „Zielsetzung ist es zuerst, dass wir dieses Konstrukt etabliert bekommen. Das ist ja am Reißbrett entworfen und wir müssen das jetzt in die Praxis überführen. Wir werden schauen müssen, ob das reibungslos funktioniert. Es gibt viele Interessen unter einen Hut zu bringen – individuell und für die einzelnen Mannschaften. Deswegen würde ich mich mit einer großen Zielsetzung nicht aus dem Fenster lehnen. Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass wir auf jeden Fall konkurrenzfähig sind. Refrath wird aufsteigen wollen und hat den Kader dazu, Pulheim hat seinen Kader noch einmal verstärkt. Es ist ganz schwer zu sagen, wie wir uns da einordnen.“

Moritz Adam, der Coach des MTV Köln, bringt einen weiteren Aspekt gut auf den Punkt: „Drei Viertel der Liga wird zunächst dasselbe Ziel verfolgen – in die obere Runde zu kommen, in die Aufstiegsrunde.“ Den Startschuss in die Saison 2021/2022 geben am Freitagabend der Longericher SC II und der Birkesdorfer TV, den Abschluss besorgen am Sonntagabend im Derby der ASV SR Aachen und der BTB Aachen II. Dann wissen alle wahrscheinlich ein bisschen mehr. Wobei es bleiben wird: Niemand hat die Absicht, in die Verbandsliga abzusteigen.