Pixum Supercup
Der Bessermacher fordert den großen THW Kiel heraus
Trainer Florian Kehrmann und der TBV Lemgo haben den Meister im Halbfinale des DHB-Pokals schon einmal geärgert.

Rückblick: Der THW Kiel entscheidet das Finale um den Supercup 2020 mit 28:24 für sich und fügt dadurch seiner langen Liste an Erfolgen einen weiteren Titel hinzu. (Foto: HBL/Klahn)

Der Kieler Handball an sich ist längst an Erfolge gewöhnt. Das lässt sich nachvollziehen: Der einst von Zvonimir „Noka“ Serdarusic, später von Alfred Gislasson und heute vom ehemaligen TWH-Spieler Filip Jicha trainierte Klub ist sowohl Rekordmeister (22 Titel) als auch Rekord-Pokalsieger. Was sonst. Im Norden der Republik verlieren sie ungern und schon gar nicht gegen die noch ein paar Kilometer weiter nördlich angesiedelte Konkurrenz der SG Flensburg-Handewitt – mit der die „Zebras“ nicht selten um eine Art Schleswig-Holstein-Meisterschaft kämpfen. Das war in der Bundesliga 2020/2021 wieder so, als beide Teams in der Endabrechnung aus 38 Spielen mit jeweils 68:8 Punkten gleichauf lagen. Über den direkten Vergleich ging der Titel dann an die Kieler (29:21/28:31), die darüber am 27. Juni nach dem letzten Spieltag selbstverständlich und nachvollziehbar ziemlich glücklich waren. Dieses Resultat als krönender Abschluss einer für alle fordernden und vorne extrem spannenden Saison konnte immerhin ein Stück weit jenes Trauma vom 3. Juni bewältigen, als der THW im Final Four des DHB-Pokals in der Hamburger Barclaycard Arena das Halbfinale gegen den krassen Außenseiter TBV Lemgo komplett vergeigt hatte. Es war eine denkwürdige zweite Halbzeit, die den ersten Durchgang komplett auf den Kopf stellte.

Als Niclas Ekberg zwei Sekunden vor der Pause auf 18:11 erhöht, ist die Kieler Handball-Welt völlig in Ordnung. Beim 21:14 (36.) von Domagoj Duvnjak läuft ebenfalls alles normal. Allgemeiner Tenor: Der THW wird das nach Hause schaukeln. Bis zum 24:18 (41.) durch Hendrik Pekeler scheint der Abend einen unaufgeregten Verlauf zu nehmen – ehe kurz darauf nichts mehr so ist wie vorher. Beim 22:24 (46.) nur fünf Minuten später ist Lemgo zum ersten Mal dran und die Partie beim 27:27 (54.) wieder völlig offen. Bjarki Mar Elisson sorgt mit dem 28:27 (57.) für die erste TBV-Führung seit dem frühen 1:0 (2.) von Christoph Theuerkauf. Andreas Cederholm beantwortet das Kieler 28:28 (59.) von Steffen Weinhold mit dem 29:28 (60.), ehe Keeper Peter Johannesson mit einer finalen Parade neun Sekunden vor der Schluss-Sirene für die Entscheidung sorgt. Der große THW sieht aus wie am Boden zerstört, während der TBV Lemgo in einem Meer aus Jubel und Euphorie aufgeht. Am Tag darauf gelingt der Mannschaft von Florian Kehrmann der logische letzte Schritt, denn das Finale des DHB-Pokals gewinnt der TBV gegen MT Melsungen mit 28:24. 

Ein paar Wochen später hat der Meister das Drama von Hamburg offensichtlich ganz gut überstanden und größere personelle Veränderungen nicht vorgenommen. Es gibt nur einen Spieler, der als eine Art Neuzugang durchgeht: Rückraumspieler Nikola Bylik (24) steht nach überstandenem Kreuzbandriss aus dem August 2020 wieder zur Verfügung – auch für den Pixum Supercup am Samstag ab 19 Uhr im Düsseldorfer PSD Bank Dome. Bei dieser Partie, die zur Eröffnung der Saison in der Regel der Deutsche Meister und der Pokalsieger bestreiten, geht es in erster Linie um einen Prestige-Preis und in diesem Jahr besonders darum, eine Zeichen für den Neustart des Handballs vor Zuschauern zu setzen. Nach 2600 Fans im Jahr 2020 sollen diesmal nach der aktuell gültigen Corona-Schutzverordnung des Landes NRW und einer Berechnung durch die HBL maximal 6700 dabei sein. Schon vor dem Anpfiff klar: Keiner hätte was gegen ein ähnliches Spektakel wie im Juni – außer dem THW Kiel.

Besonders aufmerksam wird vermutlich die deutsche Kreisläufer-Legende Christian Schwarzer das Spiel verfolgen. Erstens: Der Weltmeister von 2007 hat zwischen 2001 und 2007 für Lemgo gespielt. Zweitens: Dort stand von 2005 bis 2007 auch der heutige Kieler Trainer Jicha unter Vertrag. Beider Teamkollege in der gemeinsamen Zeit: Lemgos Coach Florian Kehrmann, der 15 Jahre das TBV-Trikot trug und nach dem Ende seiner aktiven Karriere unverzüglich auf den Trainerstuhl wechselte – ebenfalls erfolgreich. Schwarzers Urteil lässt sich nachvollziehen: „Kiel ist der Favorit. In acht von zehn Spielen gewinnt der THW gegen Lemgo.“ Dass er bei aller Wertschätzung für den einstigen Teamkollegen Jicha trotzdem dem TBV die Daumen drückt, hat nicht zuletzt familiäre Gründe: Unten auf dem Feld wird unter anderem der vom Drittligisten SV 64 Zweibrücken nach Ostwestfalen-Lippe gewechselte Sohn Schwarzers zu sehen sein: Kian Schwarzer (22) ist entschlossen, diese Chance im Profi-Bereich zu nutzen und Christian „Blacky“ Schwarzer, heute Jugend-Verantwortlicher im Handball-Verband Saar, geht davon aus, dass es der richtige Schritt aus: „Lemgos Trainer Florian Kehrmann ist ein Bessermacher.“