2. Bundesliga
Verlockend: Holt sich der VfL die Spitze zurück?
Gummersbach erwartet Dessau, Essen und Dormagen stehen in Dresden und Coburg vor hohen Hürden.

Macht den Weg frei: Gummersbachs Kapitän Timm Schneider (mit Ball) kennt keine Angst vor harten Zweikämpfen. Seine Routine und die von Janko Bozovic (ganz links) sind immer noch äußerst wertvoll für den verjüngten VfL. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Beide waren vor nicht langer Zeit in der Bundesliga zu Hause, TuSEM Essen sogar in der vergangenen Saison noch und der VfL Gummersbach bis zum Ende der Serie 2018/2019 als Gründungs-Mitglied der höchsten deutschen Klasse ununterbrochen. Beide wünschen sich die Rückkehr ins Feld der Großen und ganz Großen – und der VfL nach dem Scheitern der „Mission Aufstieg“ in der vergangenen Saison das Ganze vermutlich ein bisschen dringender. Kurzfristig ist der denkbare/gewünschte Weg der Essener an die Tabellenspitze auf jeden Fall länger, denn das mit 4:0 Punkten gestartete Team von Trainer Jamal Naji tritt am Sonntag-Nachmittag um 17 Uhr im mehr als 550 Kilometer entfernten Dresden beim HC Elbflorenz an. VfL-Coach Gudjon Valur Sigurdsson und sein Team haben zwei Vorteile: Sie können am Freitagabend in der heimischen Schwalbe-Arena spielen – und durch einen Sieg über den Dessau-Roßlauer HV vielleicht die Tabellenspitze übernehmen. Die Partie wird kein Selbstläufer, aber noch höher dürfte die nächste Hürde für den TSV Bayer Dormagen beim Bundesliga-Absteiger HSC Coburg sein.

Essen ist mit dem bisherigen Lauf der Dinge mehr als einverstanden und hat auch den interessanten Verlauf des 29:26 über den ASV Hamm-Westfalen aufgearbeitet – als es nach einem Traumstart zum 11:1 (17.) in der Pause beim 17:8 nach einem ruhigen Abend aussah. „So, wir in der ersten Halbzeit gespielt haben, konnte es nicht weitergehen. Das war mir klar“, sagt Trainer Naji, „da haben wir am Maximum dessen gespielt, wie ich mir Handball vorstelle.“ Richtig gefährlich fand er später den zweiten Abschnitt nicht mehr, obwohl Hamm über eine offensive Deckung mit dem 23:26 (56.) wieder erstaunlich dicht heranrückte: „Da haben wir drei Bälle hergegeben und so ein besseres Ergebnis verschenkt.“

Hör mal eben! Essens Trainer Jamal Naji wird Eloy Morante Maldonado und der ganzen Mannschaft noch einmal eindringlich vermitteln, was in Dessau auf sie zukommt. (Foto: Thomas Schmidt)

Manches spricht dafür, dass sich TuSEM eine derartige Phase beim HC Elbflorenz nicht wird erlauben können. „In Dresden hängen die Trauben hoch“, glaubt Naji, „das ist für mich ein Geheimfavorit.“ Das 29:30 der Hausherren am ersten Spieltag gegen den TV Emsdetten wertet er als Ausrutscher in einer frühen Phase der Saison – den die Mannschaft von Trainer Rico Göde durch das 25:23 beim TV Großwallstadt zudem direkt wieder ausbügeln konnte. In René Zobel (rechts) oder Christoph Neuhold (links) sieht Naji etwa zwei starke Rückraumspieler, die seiner Abwehr einiges abverlangen werden. 

Die Gummersbacher müssen nach den Auftakt-Siegen über den VfL Lübeck-Schwartau (31:22) und beim EHV Aue (29:27) vor allen Dingen auf sich selbst aufpassen – und als Favorit definitiv hundert Prozent Leidenschaft an den Tag legen. Für Kreisläufer Jonas Stüber, der besonders von den Emotionen lebt, besteht an der Bereitschaft der Mannschaft dazu nicht der geringste Zweifel: „Wir gehen mit einem guten Gefühl ins Spiel, freuen uns auf die Zuschauer und eine volle Schwalbe-Arena. Unser Ziel in jedem Spiel ist es, den Gegner zu dominieren, aber letztlich zählen nur die zwei Punkte. Wir wollen Gas geben, Tempo machen und unser Spiel durchziehen, eine starke Abwehr stellen und unsere Konter laufen, um die Punkte zu Hause zu behalten und danach zu feiern.“ Eine bessere Aufgaben-Beschreibung hätte vermutlich selbst Trainer Sigurdsson nicht anbieten können.

Dessau, vor gut einem Jahr in die 2. Bundesliga aufgestiegen, beendete die Saison 2020/2021 mit 31:41 Punkten und dem sicheren Klassenerhalt auf Rang 15. Die Serie 2021/2022 begann mit der 24:25-Heimniederlage gegen die DJK Rimpar Wölfe und einer erstaunlichen Antwort darauf – 35:32 beim Bundesliga-Absteiger Eulen Ludwigshafen. Obwohl vor allem dieses Ergebnis in den Augen von Gäste-Trainer Uwe Jungandreas viel Selbstvertrauen gebracht hat, leitet er daraus in Bezug auf die Aussichten im Oberbergischen keine besonderen Ansprüche ab: „Wir wissen, was uns in Gummersbach erwartet. Der VfL ist überragend in die Saison gestartet. Ich zähle Gummersbach zu den absoluten Aufstiegsfavoriten. Sie haben sich gegenüber der vergangenen Saison noch einmal verstärkt und sind jetzt breiter aufgestellt.“

Der TSV Bayer Domagen hat für die extrem schwierige Aufgabe in Coburg einen klaren Plan: Die Mannschaft und ihr Trainer Dusko Bilanovic wünschen sich, dass sie die gegen die SB BBM Bietigheim entstandene Euphorie mit nach Oberfranken transportieren können. Dass beim 21:20-Drama nur 565 der 2000 zugelassenen Zuschauer dabei waren, spielte vor allem im Laufe der zweiten Halbzeit keine große Rolle mehr. „Unglaublich, wie laut es war“, fand Bilanovic, dessen personell geschwächtes Team alles aus sich herausholte und den wichtigen Erfolg unter anderem dank der Unterstützung von draußen mit dem letzten Tropfen Benzin im Tank ins Ziel rettete. Die Basis für den knappen Erfolg war die Abwehr, die vor dem großartig haltenden Martin Juzbasic über 60 Minuten leidenschaftlich arbeitete und die Gäste so nach Bilanovic‘ Rechnung bei 17 Treffern hielt: „Drei Bietigheimer Tore sind nach Tempogegenstößen gefallen.“ 

Für das Duell mit den Coburgern, die ebenfalls schon eine Niederlage hinnehmen mussten (27:29 in Rostock), werden erneut die verletzten Rückraumspieler Alexander Senden, Ante Grbavac und Lucas Rehfus fehlen – die alle auf der linken Seite zu Hause sind. „Wir müssen uns wieder was einfallen lassen“, erklärt der Bayer-Coach, der seinen Dormagenern fast immer nahezu alles zutraut – auf jeden Fall auch eine überzeugende Leistung in Coburg. Wenn die Gäste danach in den Bus steigen, wollen sie auf jeden Fall alles gegeben und ein offenes Duell geliefert haben. Bilanovic ist gespannt: „Mal schauen, wie sie mit unserer variablen Abwehr zurechtkommen.“