05. Oktober 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
TSV Bayer Dormagen – TBV Lemgo Lippe 28:31 (17:16). Der Favorit wankte, gewaltig sogar. Und die Dormagener standen am Mittwochabend tatsächlich kurz davor, den Titelverteidiger TBV Lemgo Lippe in der zweiten Runde des DHB-Pokals mit einem lauten Knall aus dem Wettbewerb zu werfen. Dass der Favorit auf der Zielgeraden den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte, hatte er drei Faktoren zu verdanken – der eigenen Cleverness, als es kurz vor Schluss auf jede Aktion ankam, der herausragenden Treffsicherheit seines Linksaußens Bjarki Mar Elisson – und einer Mischung aus Pech und Kaltschnäuzigkeit bei den Gastgebern, denen ihr Trainer Dusko Bilanovic trotzdem wenig vorzuwerfen hatte: „Wir hatten Lemgo doch am Rande einer Niederlage. Die Analyse ist ganz einfach, denn wir sind an den ersten fünf und den letzten drei Minuten gescheitert.“ Ganz nebenbei war Lemgos Elisson mit seinen 16 Treffern ein Albtraum für Dormagen und der sichtbar erfolgreichste Spieler des Abends. Auf einem vergleichbaren Niveau bewegte sich allerdings TSV-Regisseur Ian Hüter als Lenker und Denker bei den Gastgebern. Bilanovic zog vor ihm und der aufopferungsvoll kämpfenden Abwehr den Hut: „Es ist unglaublich, was wir im Moment mit unserem kleinen Kader leisten.“
Für die ersten fünf Minuten hatte der Außenseiter vermutlich nicht nur nach Blianovic‘ Ansicht die Filmrolle falsch eingelegt. Lemgo durfte nach Belieben schalten und walten – 0:4 (6.). Die Aktionen der Gäste sahen aus, als sei ein Hochgeschwindigkeits-Zug im Duell mit einer S-Bahn unterwegs, sodass TBV-Trainer Florian Kehrmann wohl mit einem erstaunlich ruhigen Abend zu rechnen begann. Sein Team jedenfalls machte den Eindruck, dass es die Dinge im Griff zu haben glaubte – was sich bald als echter Irrglaube erwies, zumal die Hausherren überhaupt nicht daran dachten, sich kampflos geschlagen zu geben. Beim 4:6 (10.) durch André Meuser hatte der TSV Bayer zumindest wieder leichten Kontakt und mit dem 7:7 (14.) wiederum von Meuser begann ein Duell auf Augenhöhe. Einziges klares Plus für die Gäste: Sie bekamen immer wieder ihren Linksaußen Elisson freigespielt. Draußen war Dormagens Trainer Dusko Bilanovic fast empört, dass seine Abwehr den 31-Jährigen permanent aus den Augen ließ – und selbst die vorübergehende Hereinnahme des körperlich viel stärkeren Fynn Johannmeyer für Jan Reimer löste das Problem hinten nicht entscheidend. Dormagens Antwort bestand in erster Linie aus unglaublich viel Moral, die Regisseur Ian Hüter mit jeder Faser vorlebte.
Als Patrick Hüter unmittelbar vor der Pause das 17:16 (30.) für den Zweitligisten erzielte, wurde die mit offiziell 833 Zuschauern besetzte Halle endgültig zum Tollhaus – und Dormagen, getragen von einer Welle der Euphorie, war jederzeit ebenbürtig. Erst brachte die Willenskraft von Ian Hüter das 21:20 (39.), dann sprang André Meuser entschlossen ein – 24:24 (48.), 25:25 (50.). Und mit dem 26:25 (51.) von Ante Grabavac durfte Bayer wieder sehr realistisch von der Pokal-Überraschung träumen. Passend zur packenden Schluss-Sequenz hielt Keeper Martin Juzbasic nun einen Elisson-Siebenmeter (53.).
Die nächste Führung erzielte fast natürlich trotzdem Elisson, der nach einem Bayer-Ballverlust einen Tempogegenstoß zum 27:26 (55.) vollendete. Anschließend traf Jan Reimer beim Siebenmeter nur den Pfosten (56.), ehe Lemgo entschlossen auf 28:26 (56.) und 29:26 (57.) erhöhte. Knapp 120 Sekunden vor der Schluss-Sirene wäre beim Stande von 27:30 (59.) noch einmal mehr Spannung drin gewesen, doch wieder blieb ein Strafwurf ungenutzt: Diesmal scheiterte Patryk Biernacki an der Latte. Lemgo hatte es damit geschafft und den Dormagenern blieben am Ende eines packenden Handball-Abends immerhin reichlich Komplimente für eine kämpferisch perfekte Leistung. Der Lohn der Leidenschaft blieb allerdings aus.
TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen – Meuser (8), Leitz, Wolfram, Biernacki (2), I. Hüter (4), Reimer (1/1), P. Hüter (7), Johannmeyer, Grbavac (2), Seesing (3), Mast (1).