3. Liga
Der Wahnsinn: Krefeld gegen Opladen ist ein Spitzenspiel
Eagles und Außenseiter TuS 82 stehen bei jeweils 10:0 Punkten. Hinten kämpfen TuSEM Essen II und Longerich um den Anschluss.

Dieses ist meine Lücke: Was Marius Anger (Mitte) und Jan Jagieniak (rechts) zurzeit mit dem TuS 82 Opladen draufhaben, mussten Christopher Wolf (links) und Dustin Thöne (Zweiter von rechts) am vergangenen Wochenende mit dem Longericher SC schmerzhaft erfahren. (Foto: Thomas Ellmann)

Ein Aufsteiger, denn das ist der TuS 82 Opladen eigentlich immer noch, rockt die 3. Liga. Und vielleicht haben sie sich rund um die Bielerthalle ja am vergangenen Wochenende die Tabelle erstens ausgedruckt, zweitens zum dauerhaften Schutz laminiert und dann drittens an einer Wand in der Kabine aufgehängt. Die Zahlen zeigen schließlich fast Unglaubliches, sodass eine Art Dokument mit Beweiskraft durchaus  hilfreich sein könnte: Das Team von Trainer Fabrice Voigt steht als Zweiter bei 10:0 Punkten – auf Platz zwei inmitten der Meisterschafts-Kandidaten SG Schalksmühle-Halver Dragons und HSG Krefeld Niederrhein (beide ebenfalls 10:0). Das ist aufsehenerregend. Und deshalb wird die gesamte Liga am Samstagabend nach Krefeld schauen, was in der Halle Glockenspitz passiert. Die Eagles erwarten die Opladener zu einem Spitzenspiel. Es ist Duell zwischen Goliath und David, ein Treffen zwischen zwei Welten – mit jenen Darstellern aus Krefeld, die unbedingt zurück in den professioneller strukturierten Handball der 2. Bundesliga wollen, und jenen aus Opladen, die nichts als den Klassenerhalt anstreben und froh wären, wenn ihr Traum von der 3. Liga dauerhaft lebt.

Vor rund einem Jahr durfte der TuS 82 als Meister der Regionalliga und Klassen-Neuling mit dem 26:32 beim VfL Gummersbach II nur eine einzige Partie bestreiten. In der langen Pause passierten mehrere Dinge: Rund ums Team machten sich die Verantwortlichen viele Gedanken – und keiner dachte daran, die Brocken hinzuwerfen. Dann kam vor ein paar Wochen mitten in der Vorbereitung die Flutkatastrophe, die sich auch auf Training und Spielbetrieb auswirkte, weil die Bielerthalle vorübergehend nicht zur Verfügung stand. Opladen musste improvisieren – und bewies dabei offenbar fast meisterliche Qualitäten. Nach dem 24:22 zum Auftakt gegen die SG Menden Sauerland Wölfe im Burscheider Ausweich-Quartier (Halle Schulberg) und dem 30:24 beim TuS Volmetal durfte Vogts Team zurück nach Hause. Das 31:24 über die ESG Gensungen/Felsberg war die passende Einweihungsparty, ehe das 29:28 bei TuSEM Essen II und das 31:28 über den Longericher SC folgten. 

Daraus leitet nun allerdings keiner und am allerwenigstens Fabrice Voigt neue Erwartungen ab: „Wir schätzen das ganz realistisch ein. Unsere bisherigen Gegner stehen alle unten in der Tabelle. Wir wollen nur die Abstiegsrunde vermeiden.“ Für dieses Ziel waren die ersten fünf Auftritte allerdings keine kleinen Schritte – im Gegenteil. Hinter den Rängen eins und zwei, die Fahrkarten für die Aufstiegsrunde bringen, bedeuten die Plätze drei bis sechs hundertprozentige Sicherheit. Wer sich dort am 13. März 2022 nach 22 Begegnungen aufhält, gehört auch 2022/2023 der 3. Liga an – während die Klubs auf den Plätzen sieben bis zwölf in eine gefährliche Abstiegsrunde müssen. Also hat der TuS 82 jetzt immerhin einen sehr beachtlichen Vorsprung auf Volmetal, Longerich, Wölfe (alle 2:8), TuSEM II und Gensungen/Felsberg (beide 0:10). Selbst bis zum Leichlinger TV, dem VfL Gummersbach II, dem GSV Eintracht Baunatal und den Bergischen Panthern (alle 6:4) besteht zurzeit eine größere Lücke.

Natürlich hat Krefelds Trainer Maik Pallach die Entwicklung beim TuS 82 genau verfolgt und der gute Stand des Kontrahenten überrascht ihn nur bedingt: „Opladen ist die Mannschaft der Stunde. Das ist eine tolle Mannschaft mit einer hohen Emotionalität, mit einer hohen Bereitschaft, Zweikämpfe zu führen und den Rückzug anzusteuern und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie lassen sich auch von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen. Das ist sehr beeindruckend und es ist absolut verdient, dass sie mit 10:0 Punkten da oben stehen. Opladen ist ein ernst zu nehmender Gegner und das wird für uns eine sehr, sehr harte Aufgabe.“ Bei den Gästen sieht Pallach eine gut strukturierte Spielanlage sowie viele Variationsmöglichkeiten – etwa die Gelegenheit, zwischen einer „kleinen“ und einer „großen“ Aufstellung im Rückraum zu wählen. „Dafür haben wir unseren Kader so zusammengestellt, dass wir unsere Gegner immer vor neue Aufgaben stellen können“, bestätigt Kollege Voigt. Soll heißen: Wenn die langen Rückraumspieler wie Marius Anger oder Maurice Meurer dabei sind, steht die Deckung vor anderen Aufgaben als gegen eine Aufstellung mit den Spielmachern Johannes Sonnenberg und André Boelken. Im Übrigen hören die Opladener die vielen Komplimente ganz gerne, zeigen aber gleichzeitig mit Recht auf den exzellent besetzten Kader der HSG rund um die Rückraumachse mit Andrej Obranovic, Merten Krings (vor ihm hat der TuS 82 den meisten Respekt) und Kevin-Christopher Brüren.

Kaum zu bremsen: Der vom Zweitligisten ASV Hamm-Westfalen gekommene Merten Krings (Mitte/hier im Dreikampf mit den Panthern Justus Ueberholz und Henning Padeken) ist der Dreh- und Angelpunkt bei der HSG Krefeld. (Foto: Herbert Mölleken)

Obwohl die Opladener im Spitzenspiel definitiv der natürliche Außenseiter sind, wollen sie die zu vergebenden Zähler nicht vorher abschreiben: „Wer sagt, dass wir ohne Druck hinfahren, irrt sich. Den machen wir uns selbst. Wir sind jede Woche voll motiviert, weil für uns jedes Spiel ein Endspiel ist. Wir wollen punkten.“ Was fast in Vergessenheit geraten könnte, jedoch den ohnehin großen Reiz der Partie zusätzlich erhöht: Der Abend ist nicht zuletzt ein direktes Bruder-Duell der Kreisläufer Lars Jagieniak (Krefeld) und Jan Jagieniak (Opladen). Für Pallach ist dabei „sein“ Jagieniak in Abwehr und Angriff einer der Gründe für den Höhenflug der Eagles. Zur Leistungsbeschreibung unternimmt er einen Ausflug ins Englische: „Lars performt High End im Moment.“ Weil das insgesamt genauso auf Jan Jagieniak und die Opladener zutrifft, sind alle Zutaten für einen besonderen Handball-Abend da.

Der weit hinter den Erwartungen liegende Longericher SC trifft nun ausgerechnet auf den Spitzenreiter Schalksmühle-Halver. Nach dem bisherigen Trend haben die Kölner kaum mehr als Außenseiterchancen – was eine Überraschung allerdings nicht ausschließt, weil die Mannschaft von Trainer Chris Stark gerade in eigener Halle immer viel Leidenschaft aufs Feld zu bringen versteht. Die Bergischen Panther können/müssen gegen den punktgleichen GSV Eintracht Baunatal zeigen, wie sie die jüngsten zwei Niederlagen hintereinander wegstecken. Gummersbachs II bekommt die Chance, sich beim TuS Volmetal durch einen weiteren Erfolg endgültig in der oberen Hälfte festzusetzen – was genauso für den zuletzt ebenfalls zweimal in Folge siegreichen Leichlinger TV zutrifft. Der Haken: TuSEM Essen II als Gastgeber steht zwar bei 0:10 Punkten, war aber in der Regel dicht am einen oder anderen Punkt dran – 30:33 in Krefeld, 24:27 gegen Panther, 25:26 in Baunatal, 28:29 gegen Opladen, 28:30 gegen die Dragons. Dass der Aufsteiger vermutlich alles geben wird, damit diese Serie reißt, dürfte den LTV kaum überraschen.