2. Bundesliga
Goldener Oktober für Essen, Gummersbach oder Dormagen?
Auf alle drei wartet ein knackiges Monats-Programm. Los geht es mit dem Duell zwischen VfL und TSV Bayer. Essen muss nach Bietigheim.

Zielstrebig: Spielmacher Justin Müller (rechts) hat zurzeit mit TuSEM Essen die Tabellenspitze der 2. Bundesliga im Blick. (Foto: Michael Jäger)

Ob es wirklich das gibt, was unter dem Titel „Goldener Oktober“ bekannt ist, muss sich erst noch herausstellen. Meteorologisch scheint das aktuell beim Blick aus dem Fenster ja tatsächlich der Fall zu sein. Ob die Schönwetterperiode für die Titel- und Aufstiegskandidaten in der 2. Bundesliga anhält? Der Auftakt war am vergangenen Wochenende auf jeden Fall dem Ergebnis nach vielversprechend für TuSEM Essen und den VfL Gummersbach – 26:23 gegen den HSC Coburg, 32:24 beim TV Großwallstadt. Kein Wunder: Mit jeweils 8:0 Punkten sind der Spitzenreiter Gummersbach und der Dritte Essen sehr einverstanden. Beide haben jetzt unbedingt vor, den Zweiten VfL Eintracht Hagen (ebenfalls 8:0) weiter unter Druck zu setzen – und bei einer möglichen Niederlage des gerade erst aus der 3. Liga nach oben zurückgekehrten Aufsteigers zur Stelle zu sein. Das heißt allerdings, dass die nächsten eigenen Aufgaben zu lösen wären – und die haben es in sich. Beide sind am Sonntag-Nachmittag gefordert und beide dürfen davon ausgehen, dass es nichts mit einer gemütlichen Kaffeestunde wird. Die Gummersbacher erwarten schließlich den TSV Bayer Dormagen, der erst am Dienstagabend in der zweiten Runde des DHB-Pokals beim 28:31 gegen den Titelverteidiger TBV Lemgo Lippe wieder nachwies, dass er zu fast allem in der Lage ist. Und Essen tritt bei der SG BBM Bietigheim an, die sich mit dem neuen Chefcoach Iker Romero auf Dauer sicher nicht nur im Mittelfeld aufhalten will. 

TuSEM-Trainer Jamal Naji weiß das bisher Erreichte realistisch einzuschätzen: „Na klar gefällt es uns da oben. Aber tabellarisch heißt das jetzt noch nichts.“ Damit meint er gleichzeitig die aktuelle Situation der Bietigheimer, die nach zwei Start-Niederlagen (26:29 gegen ThSV Eisenach, 20:21 in Dormagen) zuletzt beim HC Empor Rostock ihren ersten Sieg holten (32:29) und bei 3:5 Punkten angekommen sind. Eine zusätzliche Warnung für die Essener sollte der Pokal-Auftritt vom Mittwoch gegen den Bundesligisten MT Melsungen sein, als Bietigheim nach einem 10:16 aus der ersten Hälfte einen bärenstarken zweiten Durchgang hinlegte und mit dem 28:30 ein sehr beachtliches Resultat erzielte. 

Einer der Gründe für den guten TuSEM-Saisonstart ist die überzeugende Arbeit, die Dennis Szczesny und Malte Seidel im Innenblock leisten. „Mit der Abwehr bin ich sehr zufrieden“, betont Naji, der sich dafür Fortschritte im Angriff wünscht: „Im Positionsangriff haben wir noch viel Potenzial.“ Das abzurufen, könnte einer der Schlüssel für einen Erfolg in Bietigheim sein. „Wir müssen sehr geduldig sein und eine hohe Disziplin haben“, glaubt Jamal Naji, der die weiteren Aufgaben so zusammenfasst: „Wir haben bis Weihnachten ein toughes Programm.“ Alleine der weitere Oktober bietet nach dem Duell mit der SG BBM Bietigheim die Aufgaben gegen die Eulen Ludwigshafen (15. Oktober), bei der DJK Rimpar Wölfe (24.) und gegen den TuS Ferndorf (27.) sowie als krönenden Abschluss das Spitzenspiel in Gummersbach (30. Oktober). Nach dem freien Wochenende am 6./7. November geht es anschließend am 12. November gegen den derzeitigen Zweiten Hagen nicht wirklich einfacher weiter.

Noch eine Spur flüssiger unterwegs waren bisher die Gummersbacher, die lediglich am zweiten Spieltag beim ThSV Eisenach ein paar Probleme hatten und mit einem 29:27 trotzdem als Gewinner vom Platz gingen. Darüber hinaus verzeichnete das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson drei Siege mit acht oder neun Toren Differenz – 31:22 gegen den VfL Lübeck-Schwartau, 35:27 gegen den Dessau-Roßlauer HV, 32:24 in Großwallstadt. Das fünfte Pflichtspiel am Donnerstagabend in der zweiten Runde des DHB-Pokals gegen den Nachbarn TuS Ferndorf brachte dagegen beim 30:22 niemandem viele neue Erkenntnisse – höchstens vielleicht eine Bestätigung dafür, dass der VfL über einen breit aufgestellten Kader verfügt, in Torhüter Tibor Ivanisevic über einen Top-Keeper – und über die Fähigkeit, in engen Situationen manchmal wie auf Knopfdruck in einen schärferen Modus umstellen zu können. So war es gegen Ferndorf, als nach der sehr müden ersten Hälfte (14:14) trotz zahlreicher personeller Umstellungen die Waage bald zugunsten der Hausherren kippte. Sigurdsson und seine Gummersbacher müssen und werden dennoch davon ausgehen, dass sie gegen Dormagen eine über 60 Minuten runde Leistung brauchen.

Bayer zeigte beim Pokal-Aus gegen Lemgo die bekannten Qualitäten – allen voran eine unglaublich hohe Leidenschaft, die ihnen fast die ganz große Überraschung gebracht hätte. Gäste-Trainer Florian Kehrmann hatte später ein dickes Lob für die Hausherren: „Dormagen spielt echt einen schönen Handball, vor allen Dingen mit wenig Fehlern.“ Bayer-Coach Dusko Bilanovic auf der anderen Seite hatte seinem Team am Ende trotz der Niederlage wenig vorzuwerfen und er geht fest davon aus, dass die gute Leistung das Selbstbewusstsein nach ein paar ersten Momenten der Enttäuschung weiter gestärkt hat: „Natürlich tut das weh, wenn du 60 Minuten so gerackert hast und dann mit leeren Händen dastehst. Trotzdem Glückwunsch auch an meine Mannschaft, ich bin super zufrieden.“

Personell dürfte sich die zuletzt sehr angespannte Situation eventuell leicht entspannen, weil Rückraumspieler Ante Grabavac nach überstandener Verletzung gegen Lemgo ein durchaus gelungenes Comeback gab und der gegen den TBV fehlende Rechtsaußen Jakub Sterba (starke Erkältung) wohl wieder zur Verfügung steht. Trotz aller Vorzüge beim eigenen Team erkennt Bilanovic natürlich die hohe Qualität der Gummersbacher an: „Sie sind noch stärker als im vergangenen Jahr und jetzt sehr breit besetzt. Und der VfL ist sicher der Favorit.“ Das ist einer der Unterschiede: Während der VfL praktisch ohne Qualitätsverlust durchwechseln kann, muss Dormagen permanent improvisieren und die Belastung für verschiedene Spieler ist höher.

Extrem spannend dürfte dann auf dem Feld das Wiedersehen zweier einstiger Teamkollegen werden, die in ihren Mannschaften zentrale Rollen einnehmen: Ian Hüter (23), Dormagens Regisseur, spielt derzeit in bestechender Form, und Julian Köster (21) ist inzwischen längst in Gummersbach angekommen: Er ist offensiv wie defensiv eine Stammkraft in der Aufstellung seines Trainers. Dass sie in Dormagen von Kösters Wechsel ins Oberbergische im vergangenen Winter nicht restlos begeistert waren, lässt sich inzwischen aus sportlichen Gesichtspunkten mehr denn je nachvollziehen. Dass der TSV Bayer jetzt liebend gerne zwei Punkte mit nach Hause nehmen möchte, liegt aber weniger am damaligen Verlust eines wichtigen Spielers, sondern in erster Linie an der aktuellen eigenen Situation. Obwohl Rang neun und 4:4 Punkte in Ordnung sind, hätte Dormagen gegen den ersten Auswärtssieg wenig einzuwenden. „Das ist doch ein Derby“, betont Trainer Bilanovic, „und ich habe bestimmt keine Lust darauf, dass wir hinterher in den Bus steigen und die Punkte einfach da gelassen haben.“ Daraus folgt: Dormagen will, wie gegen Lemgo, alles aus sich herausholen. Das Recht auf einen „Goldenen Oktober“ gilt sowieso für alle. Dass ihn nicht alle haben können, ist wieder ein anderes Thema.