2. Bundesliga
Glückliche Gummersbacher und ernüchterte Essener
VfL gewinnt gegen den geschwächten TSV Bayer Dormagen verdient mit 28:18. TuSEM verliert beim 25:34 in Bietigheim schon beim 6:18-Rückstand in der ersten Halbzeit.

Flugstunde: Hakon Styrmisson hatte mit dem VfL Gummersbach durchaus Spaß am Derby gegen Dormagen. Der Linksaußen war am Ende mit zehn Treffern der erfolgreichste Werfer des Abends. (Foto: Thomas Schmidt)

VfL Gummersbach – TSV Bayer Dormagen 28:18 (12:10). Er gehört zu den Spielern, die sich nicht so einfach oder gar nicht ersetzen lassen. Ian Hüter, in den vergangenen Wochen der herausragende Dreh- und Angelpunkt bei den Dormagenern, musste aber passen – ausgerechnet fürs Duell am Sonntag-Nachmittag beim Nachbarn im Oberbergischen. Der 23-Jährige nahm vor dem Anpfiff auf einem Sitz in der ersten Zuschauerreihe hinter der Bank Platz – was ihn selbst am meisten schmerzte: „Das ist ein Derby, eins der Spiele, für die du das ganze Jahr trainierst.“ Dass Hüter den Dormagenern an allen Ecken und Enden fehlte, war über die gesamten 60 Minuten deutlichst erkennbar – obwohl das Team von TSV-Trainer Dusko Bilanovic mit der ihm eigenen Leidenschaft alles versuchte. Dass es am Ende nicht reichte, lag unter anderem am viel breiteren Kader der Hausherren, die auf manchen Positionen sogar über eine luxuriöse Doppelbesetzung verfügten. Der 28:18-Sieg des VfL war in der Summe sicher auch in dieser Höhe verdient und er zahlte sich in der Tabelle aus: Mit 12:0 Punkten nimmt die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson weiter die Spitzenposition ein – und weil es zum Tag passte, leisteten zwei Konkurrenten ihren Beitrag zum Gummersbacher Glück: Die bisher ebenfalls unbesiegten VfL Eintracht Hagen und TuSEM Essen verloren, sodass der VfL inzwischen das einzige noch ungeschlagene Team ist. Dormagen steht nach der dritten Niederlage im dritten Auswärtsspiel als Zwölfter mit 4:6 Zählern im unteren Mittelfeld.

Bayer erwischte trotz ungünstiger personeller Voraussetzungen einen günstigen Start und den VfL hier offensichtlich auf dem falschen Fuß – 3:0 (7.). Das 1:3 (7.) durch Hakon Styrmisson taugte dann wohl als Weckruf für Gummersbach, das genau fünf Minuten bis zum 5:3 (13.) brauchte und sich beim 9:6 (22.) durch den Styrmisson-Siebenmeter vielleicht zu schnell auf dem richtigen Weg sah – und jedenfalls noch einmal auf hartnäckige Dormagener traf, die zum 9:9 (26.) ausglichen und am Ende der ersten Halbzeit beim 10:12 (30.) weiter Sichtkontakt zum Gegner hatten.

Der Start in den zweiten Abschnitt wird den Dormagenern allerdings beim nächsten Video-Studium heftigste Kopfschmerzen bereiten, weil die eigene Fehlerzahl ebenso in die Höhe kletterte wie die Lust des VfL am Spiel: Bei sechs Gegentreffern hintereinander wirkten die Gäste immer wieder wie Statisten, die mit dem Ablauf des Ganzen wenig zu tun hatten – und der VfL zog ohne jede Spur von Mitleid auf 18:10 (39.) weg. Der TSV versuchte dennoch, was in seinen Möglichkeiten lag, und kam besonders über Patrick Hüter und den Kreis zu ein paar sehenswerten Aktionen. Wie groß die Lücke zwischen den beiden Teams war, zeigten zwei Szenen aus der 52. Minute, als zunächst Dormagens Aaron Seesing einen Heber gegen VfL-Keeper Tibor Ivanisevic probierte – und den Kürzeren zog. Direkt im Gegen-Angriff versuchte es Gummersbachs Ellidi Vidarsson auf dieselbe Art – und traf sehenswert zum 24:14. Noch ein Beleg für den Unterschied: Dormagen musste lange die Belastung auf (zu) wenige Spieler verteilen, während die Hausherren fast nach Belieben wechseln konnten. So durfte etwa Kapitän Timm Schneider für rund 55 Minuten pausieren, während ein Raul Santos überhaupt nicht zum Einsatz kam. Ähnliche Möglichkeiten wie der Kollege Gudjon Valur Sigurdsson hätte Dormagens Coach Bilanovic auch gerne gehabt.

Weitgehend einig waren sich die beiden Trainer später in ihrer Analyse. „Wir hatten am Anfang ein paar Probleme. Nach der Umstellung auf die 3:2:1-Deckung hat jeder einzelne Spieler, der an der Abwehr beteiligt war, eine überragende Leistung gezeigt. Ich bin sehr zufrieden und glücklich, wie wir das umgesetzt haben“, sagte Sigurdsson. Dusko Bilanovic, wie immer eine fairer Verlierer, machte seiner Mannschaft wenig Vorwürfe: „Für die erste Halbzeit kann ich sie nur loben, da hat sie eine starke Leistung gezeigt, aber dann kam die Halbzeitpause. In den ersten neun Minuten waren wir wie eine andere Mannschaft. Wir haben hundertprozentige Chancen nicht getroffen und waren bei weitem nicht mehr so präsent. Das hat Gummersbach sofort bestraft und das war schwer zu reparieren. Uns fehlen viele Leute, aber wir hatten trotzdem eine Mannschaft auf dem Spielfeld, die guten Handball zeigen kann. Unsere Anzahl an technischen Fehlern war allerdings besonders in der zweiten Halbzeit zu hoch. Jetzt müssen wir das Spiel so schnell wie möglich abhaken. Glückwunsch nach Gummersbach.“

VfL Gummersbach: Valerio, Ivanisevic – Vidarsson (2), Köster (3), Blohme (6), Hermann (1), Schneider, Herzig, Pregler (3), Dzialakiewicz, Santos, Styrmisson (10/3), Kiesler (1), Stüber, Zeman (2), Bozovic.

TSV Bayer Dormagen: Juzbazic, Simonsen – Meuser (2), Leitz, Rehfus, Biernacki, Reimer (2/2), P. Hüter (4), Johannmeyer, Sterba, Grbavac (6), Seesing (1), Steinhaus (1), Mast (2).

SG BBM Bietigheim – TuSEM Essen 34:25 (18:9). Wenn zwei derart verschiedene Komponenten auf einmal da sind, kann fast nichts Gutes entstehen – und deshalb standen die Essener nach vier Siegen hintereinander zum ersten Mal in dieser Saison mit leeren Händen da. Auf ihrer Dienstreise nach Baden-Württemberg erzielten sie nur 25 eigene Tore – so wenige wie in keinem der vorherigen Spiele. Außerdem musste sie gleich 34 Gegentreffer hinnehmen – so viele wie in keinem der vorherigen Spiele. In der Addition mit der deutlichen Steigerung der Hausherren, die unter ihrem neuen Trainer Iker Romero erst bei 3:5 Punkten angekommen waren, erlebte die Mannschaft von TuSEM-Trainer Jamal Naji einen sehr unerfreulichen Sonntagabend, der sich mit den beiden frühen Gegentreffern zum 0:1 (2.) und 0:2 (2.) innerhalb von nur 40 Sekunden bereits andeutete. Als Noah Beyer aber den Siebenmeter zum 4:5-Anschluss verwandelte (6.), schien sich das bekannte Essener Rezept erneut zu bewähren: Ruhe bewahren, weitermachen. Diese Idee erwies sich allerdings als größter anzunehmender Irrtum.

Najis Kommentar zum Verlauf der Partie, die übers 4:8 (10.) zuerst das 5:12 (17.) und dann das nahezu unglaubliche 6:18 (26.) brachte, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Das war gar nichts, vor allem in der ersten Halbzeit. Da wurden wir tatsächlich überrannt – etwas, was wir eigentlich immer selber schaffen wollen.“ Dass Lucas Firnhaber (27.), Markus Dangers (29.) und Beyer (30./Siebenmeter) dreimal hintereinander zum 9:18 trafen, milderte das Debakel aus dem ersten Durchgang ein wenig, änderte aber an der Ausgangslage für den Rest des Duells wenig. Was für die Gäste sprach: Sie gaben trotz insgesamt zu vieler Fehlwürfe nicht vorzeitig auf, sondern waren mit viel Willen und einer offensiver ausgerichteten Abwehr um ein besseres Ergebnis bemüht.

Das Aufbäumen machte sich tatsächlich bezahlt, denn nach einem Zwischenspurt zum 15:20 (41.) sah die Partie nicht mehr ganz so finster aus. „In der Abwehr sind wir bis zur letzten Szene dran, doch Bietigheim steckt den Ball irgendwie noch zum Kreis durch“, sagte Naji, „und am Ende fehlt uns dann die Zeit, das noch aufzuholen. Ich bin mit der Moral der Mannschaft in der zweiten Halbzeit aber durchaus zufrieden. Wir haben uns nicht abschlachten lassen, sondern weiter dran gearbeitet. Das ist so in dieser Liga, das kann passieren. Wir werden im nächsten Heimspiel versuchen, diese Niederlage vergessen zu machen.“ 

TuSEM Essen: Bliß, Diedrich – Beyer (7/5), Glatthard (1), Rozman (3), Dangers (1), Becher, Ignatow (1), Szczesny, Bergner, Müller (3), Firnhaber (2), Seidel, Morante Maldonado (6), Klingler (1).