13. Oktober 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
In diesem Fall steckt im Detail wirklich der Teufel. Welche Auswirkungen sich daraus ergeben, wird sich noch zeigen. Möglicherweise fallen dem Handball-Verband Mittelrhein aber demnächst die Abkehr vom normalen Modus und die eigenen Durchführungsbestimmungen auf die Füße – was schmerzhaft werden könnte. Alles begann, natürlich, mit der Corona-Pandemie. Nachdem die Saison 2020/2021 lange unterbrochen war, entschloss sich der HVM im vergangenen Februar zur Beendigung der Serie – die überhaupt nicht gewertet wurde. Weil es damit keine Absteiger gab, blieb es für die Oberliga bei der großen 16er-Gruppe. Daraus entwickelte der Verband die Idee, für die Saison 2021/2022 lieber alles auf links zu drehen – um die Zahl der zu absolvierenden Spiele von 30 nach dem alten Modell mit einer Hin- und einer Rückrunde nach unten zu drücken. In einer am 28. März veröffentlichten Mitteilung liest sich das so: „Um allen Vereinen trotz der nach wie vor unsicheren Zeiten eine bestmögliche Planungssicherheit für die neue Saison geben zu können, hat der Handball-Verband Mittelrhein gemeinsam mit den angeschlossenen Kreisen die Saisonplanung 2021/22 aufgenommen.“ Es kam unter anderem zu folgendem Plan für Gruppen mit 16 Mannschaften, zu denen auch die Oberliga gehört: „15 Spieltage mit nur einer Hinrunde. Nach Abschluss der Hinrunde wird eine Meisterrunde und eine Abstiegsrunde gespielt.“ In einer wirklich aufschlussreichen Ergänzung für diejenigen mit größeren Verständnis-Problemen ist noch einmal zusätzlich erläutert, wie der letzte Teilsatz zu verstehen ist: „In der Meisterrunde werden die Meister, in der Abstiegsrunde die Absteiger ermittelt.“ Wer hätte das gedacht.
Das ist tatsächlich so in die offiziellen Durchführungsbestimmungen übernommen worden. Weniger Scherz ist allerdings, was dort in Punkt 3.1.2. kurz und knapp aufgeführt ist: „Die Ergebnisse aus den jeweiligen Vorrunden werden entsprechend übernommen.“ Das hört sich schön harmlos an, versteht allerdings niemand wirklich. Vermutlich haben sich die Beteiligten in den Vereinen über die erst im Laufe des August zugestellten Regeln keine großen Gedanken gemacht, weil sie einfach bloß wieder spielen wollten. Möglicherweise kommt inzwischen, da mit fünf Spieltagen immerhin bereits ein Drittel dieser neuen Hinrunde hinter den Teams liegt, hin und wieder beim einen oder anderen doch diese Frage auf: Wie geht es denn nach dem 6. Februar 2022 wirklich weiter? Gemeint sind weniger die Termine, weil es am 5. März sowohl in der Aufstiegsrunde als auch in der Abstiegsrunde die ersten Partien geben soll. Es dreht sich eher darum: Fangen alle bei null an? Oder muss es eher so heißen: Wer nimmt welche Punkte mit? Eine jetzt an die im Rätselhaften steckenden und zum Teil durchaus ungehaltenen Vereine verschickte Mail scheint dabei alles höchstens schlimmer gemacht zu haben: „Bei der Übernahme der Ergebnisse aus der Vorrunde ist sichergestellt, dass nur die Ergebnisse der Gruppengegner übernommen werden. Somit werden auch nur die Ergebnisse gegen die Vereine mitgenommen, die auch in der gleichen Runde (Meister-/Abstiegsrunde) spielen.“
Das stößt nicht wenigen sauer auf – und es betrifft sowohl die da oben und als auch die da unten – die allerdings kein kleines bisschen mehr, sondern im ungünstigsten Fall der Fälle sehr bitter. Wir probieren es zunächst an einem Beispiel aus und nehmen dafür den aktuellen Letzten TuS Derschlag – womit keinesfalls in Stein gemeißelt ist, dass die Mannschaft von Trainer Andy Palm mit 0:10 Punkten nach der aktuellen Pause auf dem vorletzten Tabellenplatz bleibt. Diese Annahme: Der Neu-Derschlager Marijan Basic, zuvor für den TuS Ferndorf in der 2. Bundesliga und zuletzt für die HSG Krefeld in der 3. Bundesliga unterwegs, verleiht der Mannschaft Stück für Stück jenen Schwung, den sie für den Kampf um den Klassenerhalt dringend braucht. Derschlag gewinnt deshalb im Dezember gegen den Zweiten TSV Bayer Dormagen II sowie im Januar 2022 gegen den Vierten Longericher SC II und gegen den Fünften Birkesdorfer TV – die sich tatsächlich in der oberen Hälfte halten (was keine riesige Überraschung wäre). Der TuS schafft es andererseits trotz dieser immerhin nicht völlig außerhalb des Möglichen liegenden Ergebnisse bloß auf den neunten Platz, muss also in die Abstiegsrunde. Unschöne Konsequenz: Sein Konto wäre auf einen Schlag um sechs Zähler leerer. Das wird neben Derschlag überhaupt keiner gut finden, den es trifft. Und treffen kann es auf diese heftigere Art fast alle.
Es gibt zudem eine zweite Seite der Medaille, die auf die Titelkandidaten zutrifft, also vor allem die beiden Spitzenreiter HSG Refrath/Hand und TSV Bayer Dormagen II, die den Aufstieg in die Regionalliga anstreben. Das Folgende ist wieder ein theoretisches Denkmodell: Die letzten vier der Tabelle mit dem TK Nippes, dem CVJM Oberwiehl, den Derschlagern und den Dürenern schaffen den Sprung in die obere Hälfte nicht mehr. Gegen alle aus diesem Quartett spielen etwa die Dormagener noch. Und was, wenn ihnen ausgerechnet dort ein Ausrutscher passiert? Macht nix. Wird ja gestrichen. Grundsätzlich kann jeder, der sich ziemlich zuverlässig auf die obere Hälfte zubewegt, mit fortschreitendem Verlauf der Hinrunde zu taktischen Winkelzügen greifen, die sich vor allen in Einsatzbereitschaft und personeller Aufstellung ausdrücken. Christopher Braun, Trainer und Sportlicher Leiter der HSG Refrath/Hand, bringt es ganz passend auf den Punkt: „Aus sportlicher Sicht wird mit diesem Modus der Hinrunde die Bedeutung einiger Spiele ad absurdum geführt.“ Diplomatischer lässt es sich wohl kaum ausdrücken. Eine etwas drastischere Übersetzung wäre dies hier: „Zufall und oder Willkür könnten hin und wieder zu überraschenden Ergebnissen führen. Ob sich damit Zuschauer zurück in die Hallen locken werden? Und in diesem Punkt die deutliche Klarstellung: Niemand geht davon aus, dass etwa Refrather mit Christopher Braun oder Dormagener mit Trainer David Röhrig aus kühler Berechnung auf den Einsatz ihrer jeweils besten möglichen Mannschaft verzichten.
Insgesamt steht die Vorrunde möglicherweise sogar auf juristisch wackeligen Beinen. Ist es überhaupt zulässig, die Durchführungs-Bestimmungen in diesem Punkt im laufenden Betrieb (zudem mehr oder weniger misslungen) zu ergänzen? Das wird besonders jene interessieren, die Punkte verlieren – was etwa einen Neunten oder Zehnten der Hinrunde im weiteren Kampf um den Klassenerhalt massiv zurückwerfen könnte. Und zum „guten“ Schluss ist da noch ein Fallstrick aufgetaucht, der ebenfalls in die Kategorie Gerechtigkeit hineinwirkt – und genau jene zu verhindern droht. Das Dumme dabei: Die Durchführungs-Bestimmungen lassen wieder an Klarheit alles zu wünschen übrig.
Wir blicken zurück auf 4. September 2021, als die Dormagener zum Top-Duell schon am zweiten Spieltag in der Refrather Halle Steinbreche antreten. Die Konkurrenten gehen nach 60 intensiv geführten Minuten mit einem 22:22-Unentschieden auseinander. So weit, so gut? Eher nein. Die HSG hat mit dieser Partie ihr Heimrecht bereits gehabt. Müsste sie nicht in der Aufstiegsrunde, in der ja die acht Mannschaften erneut eine einfache Runde bestreiten, im Dormagener Sportcenter antreten? Normal ja. Wird es so sein? Allgemeines Schulterzucken. Die Wahrheit: Keiner weiß Bescheid, die Betroffenen ebenfalls nicht. Es gibt zwar einen Rahmenspielplan, der jedoch nur schwierig zu deuten ist. So liest es sich für den ersten Spieltag der Aufstiegsrunde, angesetzt auf den 5. März 2022: Heimmannschaft 1 gegen Gastmannschaft 2, folgend mit 7 gegen 3, 6 gegen 4 oder 8 gegen 5. Falls Heimmannschaft 1 die HSG Refrath/Hand ist und Gastmannschaft 2 der TSV Bayer Dormagen II, wären beide Duelle dieser besten Teams in der Oberliga in Refrath zu Hause – was einfach nicht geht und keiner so wollen kann. Vielleicht bekommen die Vereine ja demnächst wieder Post. Vielleicht werden sie darin aufgefordert, gegebenenfalls das Heimrecht in solchen Fällen freiwillig zu tauschen – oder es wird angeordnet. Zwei Fragen: Wie ist es möglich, dass in über einem Jahr ohne Meisterschafts-Betrieb keine transparente Lösung entstehen konnte, wenn es denn schon eine Modus-Änderung sein musste? Und warum spielen sie am Mittelrhein nicht einfach wie am Niederrhein? Hinrunde, Rückrunde, Abschluss-Tabelle. Keine Diskussionen. Fertig. Jetzt geht das Theater demnächst wohl erst richtig los. Weil im Detail der Teufel steckt.