2. Bundesliga
Freitags-Prüfungen: Was machen Dormagen und Essen?
TSV Bayer ist gegen Hagen gefordert, TuSEM gegen Ludwigshafen. Gummersbach will in Emsdetten die Spitze verteidigen.

Zerreißprobe: Ian Hüter (Mitte/blaues Trikot) würde sich gerne auch gegen Hagen wieder für seine Dormagener ins dickste Getümmel stürzen, aber eine Verletzung legt ihn auf Eis. Der Ausfall trifft die Gastgeber hart. (Foto: Thomas Schmidt)

Freitagabend ist oft Krimizeit. So ermittelt Schauspieler Jürgen Vogel in der neuen ZDF-Serie „Jenseits der Spree“ als Kommissar Robert Heffler. Anschließend geht es in der SOKO Leipzig rund. Weder für das eine noch das andere haben diesmal die Zweitligisten TSV Bayer Dormagen und TuSEM Essen ausreichend Freiraum. Ihnen hat jemand den eigenen Roman geschrieben, der mindestens ebenso viel Spannung verspricht – weil beide am vergangenen Wochenende jeweils hohe Niederlagen einstecken mussten, weil beide vor weiteren schwierigen Aufgaben stehen. Die Dormagener, zuletzt mit dem 18:28 beim VfL Gummersbach nach der Pause ziemlich gerupft, erwarten den stark gestarteten Aufsteiger VfL Eintracht Hagen, während es die Essener – beim 25:34 in Bietigheim besonders vor der Pause nahezu abwesend – mit den Eulen Ludwigshafen zu tun bekommen. Der eine (Dormagen) muss aufpassen, dass er nicht nach unten rutscht, für den anderen (Essen) geht es darum, im Kampf um die Spitzenplätze dranzubleiben. Beide wollen/müssen ein Zeichen an die Konkurrenz senden. 

Die Pleite in Gummersbach hat den Dormagenern deutlichst vor Augen führt, dass sie auf ihren Regisseur Ian Hüter im Grunde gar nicht verzichten können. Zusätzliches Handicap am vergangenen Wochenende: Hüter erlitt die Verletzung (Muskelfaserriss im Adduktorenbereich) im Abschluss-Training am Freitag, sodass für die Aufgabe am Sonntag im Oberbergischen keine Zeit mehr für eine ausreichende Alternativ-Probe blieb. Das Ergebnis war auf dem Spielfeld zu erkennen: Der TSV sah besonders in der zweiten Halbzeit nicht mehr konkurrenzfähig aus, zumal sich die erhöhte Belastung bei den anderen Stammkräften bemerkbar machte. Trotzdem wird Trainer Dusko Bilanovic auf seinen Spielmacher sowohl gegen Hagen als auch am 22. Oktober beim HC Elbflorenz Dresden verzichten: „Wir gehen kein Risiko ein, wir wollen ihn nicht für längere Zeit verlieren.“

Das ist nachvollziehbar, weil anschließend immerhin weitere 31 Spieltage auf die Zweitligisten warten. Allerdings steigt damit das Gefahrenpotenzial für die Aufgabe gegen Hagen, das zwar zuletzt nach vier  Auftaktsiegen mit dem 31:32 gegen den TV Großwallstadt zum ersten Mal verlor, aber mit 8:2 Punkten und Rang zwei weiter eine gute Rolle einnimmt. Für Dormagen, das bei Rang 14 angekommen ist, geht es in erster Linie darum, den kleinen Abstand nach unten zu halten: Bayer gehört zu einem Sechserpack aus Teams mit 4:6 Punkten, die sich wiederum nur knapp vor einem Trio (jeweils 2:8) aus ThSV Eisenach, TuS Ferndorf und Großwallstadt aufhalten. Es ist unromantisch und trotzdem wahr: Das sind genau die drei Abstiegsplätze, die keiner will. Dormagens Coach Bilanovic ist allerdings fest davon überzeugt, dass seine Mannschaft gegen Hagen besser aussieht als in Gummersbach – über Leidenschaft und eine besonders intensive Abwehrarbeit. Und vorne? „Wir haben ein paar Ideen“, sagt Bilanovic. Die bisherigen Ergebnisse in Heimspielen lassen ihn ebenfalls hoffen, denn da gab es ein 21:20 gegen die SG BBM Bietigheim und ein 27:24 gegen die DJK Rimpar Wölfe.

Bundesliga-Absteiger TuSEM war in Bietigheim über längere Phasen der ersten Halbzeit höchstens „Essen light“. Die genaue Ursache konnte Trainer Jamal Naji mit der Mannschaft selbst in den Tagen danach nicht herausarbeiten, weil es ein ganzes Bündel an Fehlerquellen gab, zusammenzufassen unter dem Titel „Kollektiv-Versagen“. Dass die Essener nun schnell wieder das Gesicht aus den ersten vier Partien mit 8:0 Punkten zeigen wollen, entspricht ihrem Selbstverständnis – und sie müssen es, weil ihnen sonst im Duell mit den Eulen Ludwigshafen erneut Ungemach droht. Vom insgesamt schlechten Start des Mit-Absteigers (Rang 17/2:6 Punkte) unter der Regie des neuen Trainers Ceven Klatt lässt sich Naji nicht blenden: „Ludwigshafen hat für mich nach Nordhorn-Lingen den zweitstärksten Kader der Liga.“ Besonders auffällig war bisher vor allem Rückraumspieler Hendrik Wagner unterwegs, der in den vier Auftritten der Eulen bereits 34 Treffer erzielte. Die Tendenz? Steigend: Vier Tore waren es gegen den TV Hüttenberg (21:26), acht gegen den Dessau-Roßlauer HV (32:35), zehn gegen den TV Großwallstadt (36:27), 12 gegen den EHV Aue (29:30). 

TuSEM wird deshalb besonders defensiv wieder zulegen müssen und vermutlich keine 30 Gegentore oder mehr zulassen dürfen. Naji erwartet sogar, dass eine Leistung in der Nähe der hundert Prozent erforderlich sein wird: „Mit 80 oder 90 Prozent gewinnst du in dieser Liga gegen keinen.“ Ein Erfolg wäre außerdem wichtig für den weiteren Oktober, der anschließend innerhalb von nur sieben Tagen die Aufgaben bei der DJK Rimpar Wölfe (24.), gegen den TuS Ferndorf (27.) und beim VfL Gummersbach (30.) bereithält. Spätestens dann wird TuSEM ein bisschen genauer einschätzen können, was in dieser Saison im Kampf um die Rückkehr in die Bundesliga wirklich möglich ist.

Die besten Karten, sich eins der beiden Tickets für den Aufzug nach oben zu sichern, hat im Moment der VfL Gummersbach – in Zahlen und Fakten alleine deshalb, weil das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson mit 10:0 Punkten und einem starken Torverhältnis von plus 37 (155:118) an der Spitze liegt. Größter Trumpf ist dabei die gegenüber der vergangenen Saison erheblich gewachsene Kaderbreite, die besonders gut am vergangenen Wochenende beim 28:18 über die Dormagener zu erkennen war. Bis zur Pause (12:10) hielten die mit begrenzten personellen Möglichkeiten angetretenen Gäste das Duell in etwa ausgeglichen, ehe sie zunehmend chancen- und hilflos wirkten. Der VfL konnte ohne Qualitätsverlust fast nach Belieben wechseln und etablierte Kräfte zum Teil sehr lange auf der Bank lassen: Kapitän Timm Schneider hatte erst am Ende ein paar Einsatzminuten, Alexander Hermann saß ebenfalls lange draußen – und Raul Santos über die kompletten 60 Minuten. Und dass der vorher so treffsichere Linkshänder Janko Bozovic eher einen gebrauchten Tag erwischt hatte? Geschenkt aus Gummersbacher Sicht. 

Sigurdsson wird dem VfL vermutlich verbieten, die bevorstehende Partie am Sonntag beim TV Emsdetten auf die leichte Schulter zu nehmen. Geht es nach dem VfL-Coach, stellen die Gummersbacher vor Torhüter Tibor Ivanisevic wiederum eine kompromisslose Abwehr hin – die mit lediglich 118 Gegentreffern bei einem in der Liga unerreichten Schnitt von 23,6 Toren pro Einsatz liegt. Gelingt das wieder, könnten Hakon Styrmisson (33 Tore) und Lukas Blohme (25) erneut ihre enormen Qualitäten bei schnellen Gegenstößen ausspielen. Gegen Dormagen erzielten die beiden Außen zusammen alleine 16 Treffer. Linksaußen Styrmisson ist inzwischen im Übrigen der erfolgreichste Gummersbacher Werfer – und damit ein echter Nachfolger seines Trainers, der einst auf dieser Position viele Jahre einfach Weltklasse war.