2. Bundesliga
Die Pflicht ruft: Gummersbach und TuSEM gewarnt
Traditionsklubs haben vor dem Spitzenspiel noch andere wichtige Aufgaben. Dormagen muss gegen Dessau weiter auf Ian Hüter verzichten.

Der mit der linken Klebe: Rückraumspieler Janko Bozovic (beim Wurf) hat in sieben Spielen bereits 43 Tore für den VfL Gummersbach erzielt – wie auch Rechtsaußen Hakon Styrmisson. (Foto: Thomas Wirczikowski)

Der Oktober – bisher ein toller Monat für den VfL Gummersbach. Die Siege beim TV Großwallstadt (32:24), gegen den TSV Bayer Dormagen (28:18), beim TV Emsdetten (23:22) und gegen den TV Hüttenberg (40:34) summieren sich zu 8:0 Punkten und 123:98 Toren. Daraus wiederum ergeben sich nach sieben Spieltagen insgesamt makellose 14:0 Zähler und der erste Tabellenplatz. Weil gleichzeitig keiner der direkten Konkurrenten im Kampf um den Aufstieg völlig unbeschadet durch die vergangenen Wochen kam, liegt der VfL gerade relativ klar vor dem VfL Eintracht Hagen, TuSEM Essen (beide 11:3). dem TV Hüttenberg (10:4) und dem ASV Hamm-Westfalen (9:3) sowie dem HC Empor Rostock und der HSG Nordhorn-Lingen (beide 8:6). Und sollte Gummersbachs Höhenflug rund 100 Stunden anhalten, wäre es noch einen Riesenschritt weiter, weil der VfL innerhalb von vier Tagen zwei Spitzenspiele bestreitet. Welches die härtere Prüfung ist? Kaum vorherzusagen. Natürlich fiebern auf der einen Seite viele im Oberbergischen längst dem Duell der Traditionsklubs mit TuSEM Essen am Samstag in der Schwalbe-Arena entgegen. Das weiß natürlich auch Trainer Gudjon Valur  Sigurdsson. Und genau deshalb wird er seiner Mannschaft wohl energisch untersagen, daran bereits viele Gedanken zu verschwenden. Aus seiner Sicht wäre es viel zu gefährlich, das Naheliegende einfach zu überschlagen. Die bevorstehende Aufgabe hat es im Übrigen in sich: Gummersbach tritt am Mittwochabend in Rostock an.

Der VfL zu Hause und der VfL auswärts sind manchmal zwei verschiedene Mannschaften. Das 29:27 beim ThSV Eisenach war mühselig und der 23:22-Erfolg in Emsdetten nach einem hohen Rückstand und einem sehr späten Treffer von Janko Bozovic richtig glücklich. Ein Blick auf die Tabelle zeigt zudem, dass weder Emsdetten (Rang 14) noch Eisenach (18) im Moment zur oberen Hälfte gehören – wie der TV Großwallstadt nicht (15), bei dem es mit dem 32:24 die bisher beste Leistung in des Gegners Halle gab. Rostock scheint nun aber eine größere Herausforderung zu sein, wie dort bereits die Bundesliga-Absteiger Nordhorn-Lingen (19:22) und HSC Coburg (27:29) zu spüren bekamen. Pluspunkte für Gummersbach: Die Abwehr inklusive Tibor Ivanisevic, der im Augenblick die klare Nummere eins unter den VfL-Torhütern ist, stellt mit 174 Gegentreffern (24,85 pro Partie) ebenso den Bestwert in der Klasse wie der Angriff mit 218 erzielten Toren (31,14). Vorne scheint zudem „Oldie“ Janko Bozovic (35) im Augenblick mindestens seinen dritten Frühling zu erleben, wie nicht nur seine elf Tore gegen Hüttenberg belegen. 

Das Prinzip Vorsicht gilt auf ähnliche Art bei den Essenern, die zurzeit gar keinen Gedanken ans bald bevorstehende Top-Spiel verschwenden. Trainer Jamal Naji gehört zu den entschlossenen Vertretern seines Berufs, die in der 2. Bundesliga immer volle hundert Prozent als erforderlich ansehen – und entsprechend von ihrer Mannschaft verlangen. Alles andere wäre außerdem im Heimspiel am Mittwochabend doppelt gefährlich, obwohl als Gegner lediglich der aktuelle Tabellenletzte kommt. Naji misst den TuS Ferndorf (3:11 Punkte) und das Team seines Kollegen Robert Andersson allerdings nicht am aktuellen Stand, sondern an dessen personellen Möglichkeiten: „Ferndorf ist so ein bisschen eine Wundertüte. Sie haben in dieser Saison schon gute Spiele gezeigt, aber auch ein paar, wo sie unter ihrem Niveau performt haben. Man muss auf Andreas Bornemann auf Rückraum rechts achten und Lukas Siegler hat sich sehr gut eingefunden. Das ist eine Mannschaft, die mit Linus Michel auch über eine gute Kreis-Kooperation verfügt.“

Die Rückraum-Achse mit Bornemann, Michel (Mitte) und Siegler (rechts) funktionierte am besten kürzlich beim 32:27 über den Dessau-Roßlauer HV, als die drei gemeinsam auf 16 Treffer kamen und praktisch die halbe Miete zum bisher einzigen Saisonsieg beisteuerten. Bei allem Respekt traut der TuSEM-Coach dem eigenen Team selbstredend einen weiteren Erfolg zu, zumal die Abwehr beim jüngsten 25:20 in Rimpar exzellente Arbeit ablieferte. Dass sich der Angriff deutlich steigern muss, ist den Essenern klar. „Es wird eine Menge Arbeit auf uns zukommen“, glaubt Naji nicht aus Zufall. Grundsätzlich lässt er allerdings nicht den kleinsten Zweifel am Ziel zu: „Wir gehen mit dem Anspruch rein, das Spiel für uns zu gestalten.“

Ebenfalls viel steht für den TSV Bayer Dormagen auf dem Spiel – wenn nicht noch mehr, denn das von einer nicht abreißenden Serie an Verletzungen geplagte Team steht bei 4:8 Punkten bloß auf Rang 16. Dass die Mannschaft von Trainer Dusko Bilanovic weit hinter der Ausbeute von 8:4 Zählern nach sechs Aufgaben der Saison 2020/2021 liegt, lässt sich mit einem Blick aufs zur Verfügung stehende Stammpersonal einfach erklären. So fehlten etwa Linksaußen Joshua Reuland (Kreuzband) und Alexander Senden (Schulter) sowieso schon, ehe es vor knapp 14 Tagen Regisseur Ian Hüter erwischte (Muskelfaserriss), auf den die Dormagener eigentlich gar nicht verzichten können. Ohne den Motor des Spiels verlor der TSV mit 18:28 beim Ersten in Gummersbach und mit 25:30 gegen den Zweiten Eintracht Hagen. Und kaum hatten die Dormagener das hinter sich, ereilte sie die nächste Hiobsbotschaft: Torhüter Christian Ole Simonsen fällt wegen einer im Training erlittenen Knochenabsplitterung im Daumen für einen längeren Zeitraum aus. Zumindest am Mittwochabend gegen den Dessau-Roßlauer HV wird Bilanovic eine Leihgabe aus der zweiten Mannschaft (Oberliga) oder aus der A-Jugend (Bundesliga) nehmen müssen, damit als Backup für Stammkeeper Martin Juzbasic ein zweiter Schlussmann auf der Bank sitzt.

Der Bayer-Coach bleibt trotz allem dabei, dass Jammern keine Option ist: „Das ist alles schon Alltag für uns. Wir müssen das Beste draus machen und diesen Oktober überstehen. Danach sieht es wieder besser aus.“ Vorher ist aber die Aufgabe gegen den Neunten Dessau (7:7) nicht unwichtig und deshalb haben Mitspieler und Trainerstab sehr feste Ian Hüter die Daumen gedrückt, dass es möglichst schnell mit einer Rückkehr klappt. Am Montag-Nachmittag allerdings traf nach einer eingehenden ärztlichen Untersuchung die ernüchternde Nachricht ein, dass aus dem grünen Licht nichts wird: „Ist noch zu früh, können wir nicht riskieren.“ Deshalb muss Dormagen gegen Dessau erneut ohne Hüter auskommen. Was die Gäste, denen das nicht unlieb sein dürfe, an einem guten Tag leisten können, zeigten sie im Übrigen erst am vergangenen Wochenende mit dem 28:28 in Hagen – also beim Aufsteiger, der sich kurz davor in Dormagen ungefährdet durchgesetzt hatte. „Dessau hatte in der letzten Minute den Ball und hätte noch gewinnen können. Das ist ein starker Gegner“, erklärt Bilanovic. In der Favoritenrolle scheint der TSV Bayer jedenfalls nicht zu sein.