2. Bundesliga
Der große Abend der Herren Ivanisevic und Bozovic
VfL Gummersbach gewinnt Spitzenspiel gegen TuSEM Essen vor fast 4000 Zuschauern verdient mit 29:23.

Ab zurück ins Tor: Keeper Tibor Ivanisevic war der Mann des Abends beim letztlich klaren Gummersbacher Sieg gegen TuSEM Essen. (Foto: Thomas Wirczikowski)

VfL Gummersbach – TuSEM Essen 29:23 (13:8). Es ist nicht überliefert, ob sie in Essen im Alphabet ein paar Lieblingsbuchstaben haben, die vielleicht einen besonderen Klang ausstrahlen. Diese drei gehören wohl für die nächste Zeit kaum noch dazu: V und I und C. Essens Trainer Jamal Naji wird seiner Mannschaft das schmerzhafte Video-Studium trotzdem in den Plan für die nächste Woche einbauen. Dann werden alle ein zweites Mal und mit etwas mehr Ruhe beobachten können/müssen, an wem sie im Spitzenspiel in der mit 3911 Zuschauern bestens gefüllten Schwalbe-Arena vor allem scheiterten. Vorne war es aus dem rechten Rückraum Janko Bozo-vic, der es auf insgesamt auf elf Treffer für Gummersbach brachte. Hinten war es als wichtigster Eckpfeiler der Defensive Torhüter Tibor Ivanise-vic, dessen Paraden die meisten Angreifer der Gäste frustriert haben dürften. Beide verteilten außerdem jeweils eine Höchststrafe an TuSEM: Ivanisevic fing beim Stande von 20:16 (47.) den Versuch von Eloy Morante Maldonado fast lässig und Bozovic machte sich gut eine Minute vor dem Ende zu einem Tempo-Gegenstoß auf und davon – wofür er im Grunde überhaupt nicht zuständig ist bei den Gummersbachern. Sein 29:23 war tatsächlich der sehenswerte Schlusspunkt zum verdienten Erfolg des VfL, der die Tabellenführung auf jetzt 16:2 Punkte ausbaute. Essen (13:5) bleibt Zweiter, weil die im Torverhältnis überlegenen TV Hüttenberg (12:4) und der VfL Eintracht Hagen (11:5) erst am Sonntag antreten. Ebenfalls fast gleichauf liegt nach dem 28:24 beim TV Emsdetten der ASV Hamm-Westfalen (12:4). 

Ganz Essen machte schon am Ende der ersten Halbzeit beim Gang in die Kabine einen eher nachdenklichen Eindruck. Spielerisch war das, was Essen bis dahin abgelieferte hatte, in ein paar Szenen gar nicht so schlecht oder eher richtig gut – wie in der 14. Minute, als Dimitri Ignatow den Ball hoch von rechts hereingab und mit seinem Kempa-Anspiel den Teamkollegen Dennis Sczesny fand. Pech für TuSEM: Die Schiedsrichter gaben den Treffer nicht, der den 6:6-Ausgleich gebracht hätte – weil Szczesny ein paar Millisekunden zu früh aufgekommen war und damit bei seinem Tor bereits im Kreis gestanden hatte. Zur ganzen Geschichte gehörte allerdings gleichzeitig, dass vor der Pause in Sachen Effektivität und Cleverness bisweilen ein Klassen-Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten lag. Gummersbach spielte ebenfalls nicht fehlerfrei, leistete sich jedoch ein paar Ballverluste und misslungene Würfe weniger. Außerdem wirkte der VfL entschlossener und vor allem durch Linkshänder Janko Bozovic abgeklärter: Der 35-Jährige, der nach 30 Minuten bereits sieben Tore erzielt hatte, schien von allen äußeren Einflüssen ziemlich unbeeindruckt zu sein. Noch ein Faktor: Gummersbach gewann das Torwart-Duell, weil Tibor Ivanisevic zunächst mit fast 47 Prozent abgewehrter Bälle (später unter dem Strich 37,84) seine Essener Kollegen Sebastian Bliß und Lukas Diederich übertraf. Der VfL-Keeper parierte unter anderem die Siebenmeter von Noah Beyer (11.) und Felix Klingler und Justin Müller (26.).

Gegen die Wand: Tim Rozman (beim Wurf) fand auch nur einmal den Weg durch die Gummersbacher Deckung. Hier versperren ihm Stepan Zeman (Nummer 66) und Ellidi Vidarsson (4) den Weg. (Foto: Thomas Wirczikowski)

TuSEM kam mit dem festen Willen zurück aufs Feld, alles für eine Wende in die Waagschale zu werfen. Und Najis Mannschaft erwischte den besseren Start, weil sie konsequenter wirkte – 12:14 (36.), 15:16 (41.). Dass es nicht zum Umschwung kam, ging nicht unwesentlich wieder auf das Konto von Ivanisevic, der beim Stande von 17:15 gegen den frei vor ihm auftauchenden Justin Müller rettete und so den Gegenstoß von Ellidi Vidarsson zum 18:15 (42.) ermöglichte. Eine Minute später kam TuSEM-Kreisläufer Markus Dangers frei zum Wurf – und scheiterte (43.). Hakon Styrmisson ließ sich auf der anderen Seite nicht lange bitten – 19:15 (43.). Es war oft dasselbe Muster: Essen trug einen ordentlichen Angriff vor, vergaß allerdings den richtigen Abschluss. Spätestens mit dem 26:20 (53.) durch Julian Köster stand auf der Zielgeraden fest, dass Gummersbach gewinnen und Essen leer ausgehen würde. Klarer Fall: Wenig später kletterte der Stimmungspegel mit der Schluss-Sirene folgerichtig auf eine Rekordmarke. Ganz weit im Hinterkopf werden sich manche vielleicht gefragt haben: Wie konnten die Gummersbacher eigentlich drei Tage zuvor derart einfallslos und uninspiriert auftreten, dass sie beim HC Elbflorenz Dresden mit dem 33:34 eine schmerzhafte Pleite erlitten? Sollte das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson immer mit derart viel Herz und Leidenschaft auftreten, ist es ganz sicher einer der ganz heißen Kandidaten für den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Dann spricht auch keiner mehr über Fehler oder jedenfalls nicht so ausführlich.

VfL-Trainer Sigurdsson, der selten so viel an der Seitenlinie unterwegs war wie diesmal, wirkte erleichtert: „Wir sind in erster Linie glücklich, dass wir gewonnen haben. In der Halbzeit habe ich meiner Mannschaft gesagt, dass wir keine fünf Tore besser waren. Im Großen und Ganzen war ich zufrieden mit der Abwehr, aber unsere Angriffsleistung war nicht annähernd so gut, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber ich habe riesigen Respekt vor Jamal und TuSEM. In erster Linie können wir uns bei Tibor bedanken. Wir haben uns zu viele technische Fehler und Fehlwürfe geleistet.“ TuSEM-Coach Naji zeigte sich als fairer Verlierer: „Glückwunsch an Gummersbach zu diesem Sieg, der auch in dieser Höhe mehr als verdient war. Vorweg muss ich sagen, dass es unfassbar viel Spaß gemacht hat, vor dieser Kulisse und diesem enthusiastischen Publikum zu spielen, das auch dafür gesorgt hat, dass wir in vielen Phasen zu viel nachdenken. Wir haben nicht am oberen Limit gespielt, trotzdem hätten wir mit einem geringeren Rückstand in die Pause gehen können. In der zweiten Halbzeit kommen wir schnell ran, spielen uns in einen Rausch, schaffen es aber nicht bis zum Unentschieden. Zum Ende hin machen wir auf, da wollten wir zocken, aber das hat nicht funktioniert. Insgesamt haben wir gut gedeckt, aber bescheiden angegriffen.“

VfL Gummersbach: Nagy, Ivanisevic – Vidarsson (2), Köster (4), Blohme (2), Schneider (2), Pregler (2), Dzialakiewicz, Santos, Styrmisson (4), Kiesler (1), Stüber, Zeman (1), Bozovic (11/4).

TuSEM Essen: Bliß, Diederich – Beyer (2), Glatthard, Rozman (1), Dangers (2), Becher (3), Ignatow (2), Szczesny (2), Müller (4), Firnhaber (2), Seidel (1), Morante Maldonado (4/1), Klingler.