Harz beiseite
Die große Bühne: TSV-Talente beim Tag des Handballs
Bundestrainer Martin Heuberger hat Aron Seesing, Lennart Leitz, Lucas Rehfus und Sören Steinhaus ins U-20-Nationaltam berufen.

Die „Viererbande“: Sören Steinhaus, Lucas Rehfus, Lennart Leitz und Aron Seesing (von links) zeigen sich hier ausnahmsweise nicht in der Spielkleidung ihres Vereins, sondern im Trikot der deutschen Nationalmannschaft U 20. (Fotos/4: Hubert Kemper/DHB)

 

Sie sind so etwas wie die glorreichen Vier. Und sie helfen dem TSV Bayer Dormagen vielleicht darüber hinweg, dass es in der 2. Bundesliga aufgrund erheblicher personeller Probleme gerade nicht so gut läuft. Vier 18-Jährige belegen aber eindrucksvoll (mal wieder), dass den Dormagenern zumindest in der Nachwuchsarbeit auf nationaler Ebene fast niemand etwas vormacht – außer den Füchsen Berlin vielleicht, die im Sommer beide Finalspiele um die Deutsche A-Jugend-Meisterschaft gegen den TSV Bayer für sich entschieden (28:25, 33:27). Die zum Teil herausragenden Möglichkeiten hatten sich natürlich längst zu den DHB-Verantwortlichen herumgesprochen, sodass Aron Seesing, Lennart Leitz, Sören Steinhaus und Lucas Rehfus beizeiten im Notizbuch der Bundestrainer standen. Bei der U-19-Europameisterschaft in Kroatien waren die Dormagener im August „nur“ zu dritt unterwegs, weil der an der Schulter verletzte Rehfus absagen musste. Auf dem Weg zum Triumph ließ sich das Team von Trainer Martin Heuberger trotzdem nicht aufhalten – im Gegenteil. Weil die Mannschaft immer besser zusammenfand und sich im Laufe des Turniers beständig steigerte, sprang am Ende die Goldmedaille heraus. Der Finalsieg fiel mit dem 34:20 über Gastgeber Kroatien sogar beeindruckend aus. Jetzt sieht es so aus, dass die Dormagener den nächsten Schritt schaffen können: Heuberger hat die vier TSV-Talente in die U-20-Nationalmannschaft berufen, die in zwei Länderspielen auf Ungarn trifft – am Samstag (6. November) in Jöllenbeck und am Sonntag (7. November) beim großen „Tag des Handballs“ in Düsseldorf. Das ist nicht irgendein weiterer Termin, sondern im großen PSD Bank Dome wieder ein Auftritt auf der etwas größeren Bühne. 

Drei Spiele, volle Begeisterung: Wer sich Tickets für den „Tag des Handballs“ in Düsseldorf sichern will, kann das über den Ticket-Shop des DHB tun. (Banner: Deutscher Handballbund)

Schon der Vorbereitungs-Lehrgang in Verl ist eine wertvolle Erfahrung, denn Chefcoach Heuberger wollte prominente Unterstützung dabei haben: Carsten Lichtlein für die Torhüter und Martin Strobel als „Elite-Mentor“. Beide gehörten zum Kader der Nationalmannschaft, die 2016 den EM-Titel holte – und beide wissen, was sie jungen Leuten vermitteln können. Das Duell mit den Ungarn in Düsseldorf beginnt ab 12.30 Uhr und es ist für die U 20 die beste Gelegenheit, sich vor den „Großen“ zu präsentieren.  Deren Cheftrainer Alfred Gislasson wird erstens mit Sicherheit schon anwesend sein, um sich die möglichen Stars von morgen anzusehen – und er wird auch genau prüfen, wer vielleicht in Kürze für den eigenen Kader in Frage kommt. Was die Männer-Nationalmannschaft draufhat, können dann die U 20 und alle Fans des Handballs ab 15 Uhr beim Länderspiel gegen die Portugiesen überprüfen. Wir versuchen in ein paar kurzen Sätzen, die glorreichen Vier aus Dormagen vorzustellen – mit der Unterstützung von David Röhrig, der bei den Dormagenern zurzeit als Trainer der A-Jugend und des Oberliga-Teams genau an der Schnittstelle zum Profi-Handball arbeitet und die TSV-Talente genau einzuschätzen weiß.

Aron Seesing Stand bereits in der vergangenen Saison in 28 Zweitliga-Spielen für den TSV Bayer auf dem Platz – und ist längst Stammkraft im Team von Trainer Dusko Bilanovic. „Er hat eine tolle Entwicklung genommen. Aron ist auf beiden Seiten des Feldes unfassbar weit für sein Alter“, findet Röhrig. Soll heißen: Seesing ist vorne am Kreis und hinten im Abwehrzentrum gleich stark – eine besonders begehrte Qualität im Spitzenhandball. Nicht wenige trauen ihm zu, irgendwann im Kreis der A-Nationalmannschaft aufzutauchen. Dass er in der vergangenen Woche eine Daumenverletzung erlitt und deshalb die Zweitliga-Partie in Lübeck verpasste, trieb allen in Dormagen mit dem Blick auf die weiteren Aufgaben die nächsten größeren Sorgenfalten auf die Stirn. Am Dienstag-Nachmittag brachte eine genaue ärztliche Untersuchung allerdings Entwarnung: „Ich hatte Glück im Unglück.“ Der Knochen etwa ist nicht betroffen, sodass eine einwöchige Pause zur Wiederherstellung der Spielfähigkeit ausreichen sollte. In Düsseldorf wird Seesing am Sonntag trotzdem in der Halle sein, um die offizielle DHB-Ehrung für den EM-Titel mit der U 19 entgegenzunehmen. Dass er bei der U 20 nicht aktiv ins Geschehen eingreifen darf, hält der Kreisläufer mit dem Blick nach vorne für weniger tragisch: „Klar ist das schade. Aber ich denke, da kommt noch mehr.“ Davon ist tatsächlich auszugehen.

Lennart Leitz Gehört nach Röhrigs Ansicht nicht zu den höchste Eleganz ausstrahlenden Rechtsaußen, setzt aber auf einem anderen Gebiet eigene Maßstäbe: „Er ist unfassbar abgezockt. Er hat den richtigen Killerinstinkt. Peer Pütz war es, der sein Talent früh erkannt hat.“ Pütz ist Co-Trainer von Bilanovic, heute zugleich Spieler der Oberliga-Mannschaft und „Leitender Nachwuchs-Trainer Leistung“. Sein Urteil hat wie das von Röhrig besonderes Gewicht.

Lucas Rehfus Betätigt sich mit Leidenschaft und Hingabe im linken Rückraum – der nicht selten als „Königsposition“ bezeichnet wird. Rehfus‘ vermeintlichen Nachteil sieht Röhrig eher als Vorteil: „Er kommt bis jetzt nicht über die Körperlichkeit.“ Soll heißen, dass Rehfus da noch zulegen kann – und wird, weil die Zeit bei entsprechendem Training für ihn spielt. Dass Fortschritte in diesem Bereich fast garantiert sind, steht für Röhrig fest: „Es ist ein absoluter Musterprofi und macht sich sehr viele Gedanken über alles.“

Auf die Plätze: Aron Seesing (vorne) legt schon mal los – was Co-Trainer Peer Pütz, Lennart Leitz, Lucas Rehfus, Sören Steinhaus und Trainer Dusko Bilanovic (von links) sehr genau beobachten. (Foto: Thomas Schmidt)

Sören Steinhaus Er ist der Jüngste im Dormagener Quartett und noch gar nicht richtig 18 – weil er als Spieler aus dem Jahrgang 2003 erst Mitte Dezember Geburtstag hat. Als der gebürtige Troisdorfer in der C-Jugend zum TSV Bayer kam, trauten ihm höchstens Insider den Durchbruch zu – den Sören allerdings längst geschafft hat. „Er ist von den vier die größte Überraschung“, findet Röhrig, der dem Rückraumspieler (linke Seite, Mitte) ebenfalls eine tolle Entwicklung bescheinigt: „Er hat eine super Dynamik. Früher war er der reine Schütze, aber er hat seinen Stil stark erweitert.“

Sicher ist, dass die aktuell in der 2. Bundesliga unter großen personellen Problemen leidenden Dormagener ohne ihre Talente noch größere Sorgen hätten – und die Situation vielleicht überhaupt nicht bewältigen könnten. Am vergangenen Wochenende machten sich Rehfus und Steinhaus auch mit auf den Weg zur Partie beim VfL Lübeck-Schwartau (21:26) und bekamen dort ihre Einsatzzeit – obwohl etwa Steinhaus erst am Nachmittag zuvor mit der A-Jugend einen Einsatz in der Bundesliga hatte (sechs Tore beim 33:21 gegen JSG Melsungen/Körle/Guxhagen). Wer nun am Sonntag beim Tag des Handballs auf die große Bühne treten kann/darf, wird sich im einen oder anderen Fall erst kurzfristig entscheiden – was ja nicht zuletzt mit den Plänen von Martin Heuberger zusammenhängt. Die glorreichen Vier sind auf jeden Fall bereit für den nächsten Schritt. Wie lange das dann in Dormagen der Fall sein wird, ist wieder eine andere Frage.