Harz beiseite
Handball in Kenia: Das große Abenteuer des Simon Gorholt
20-Jähriger macht ein Jahr Freiwilligendienst in Nairobi. Hier ist Teil eins seiner beeindruckenden Geschichte.

Drei Mann, ein Ball: Handball in Kenia ist Handball draußen – auf erdigem Belag und natürlich ohne Harz. (Foto: sg)

Dies ist die außergewöhnliche Geschichte über und mit einem jungen Mann, der den Handball liebt. Das gilt natürlich für andere 20-Jährige genauso. Die allermeisten werden wenig mit dem Profi-Sport zu tun haben. Sie sind „nur“ aus Leidenschaft dabei, sie sind bereit, eine Menge zu investieren. Alles ganz normal bis zu dieser Stelle. Auch Simon Gorholt hat sich im Handball schon immer zu Hause gefühlt. Trotzdem hat er vor Kurzem den Niederrhein verlassen und für ein Jahr ist seine neue Heimat ungefähr 6500 Kilometer Luftlinie entfernt. Wer das Auto nehmen wollte, müsste sogar über 9000 Kilometer und eine einwöchige Anfahrt einplanen. Simon wird das Folgende vielleicht selbst für übertrieben halten, weil er gar nicht im Mittelpunkt stehen muss: Aber er ist gerade als Handball-Botschafter unterwegs. Und mehr Völkerverständigung geht kaum. Der Korschenbroicher, der seine ersten handballerischen Gehversuche mit sechs Jahren beim TVK unternahm, hat sich einem internationalen und staatlich anerkannten Freiwilligen-Dienst angeschlossen, den der Verein „Jugend im Ausland“ aus Kiel organisiert. Simons „Dienstsitz“ ist Kenia, der Großraum der Hauptstadt Nairobi. Dort taucht Simon nun in eine komplett andere Welt ein – kulturell, sprachlich, sportlich, wirtschaftlich, im Umgang der Menschen miteinander. Das war genau das Ziel, das er haben wollte: „Ich habe mich für das Jahr entschieden, da ich einerseits keine Lust hatte, nach der Schule direkt zu studieren und ebenfalls mehr von der Welt sehen wollte und andere Kulturen kennen lernen möchte. Somit war dieses Projekt und die Arbeit mit den Kindern im  Handball einfach perfekt geeignet. Andererseits ist so etwas, glaube ich, komplett anders, wenn man es vor dem Studium macht als danach. Ich finde es einfach spannend, vor Herausforderungen gestellt zu werden, mit denen ich nicht vertraut bin.“

Alte Heimat Korschenbroich, neue Heimat Kenia: Simon Gorholt zeigt auch in Nairobi, wo seine handballerischen Wurzeln liegen. (Foto: sg)

Simon Gorholt hat sein (Sport-) Abitur am Rhein-Maas-Berufskolleg in Kempen abgelegt und dort auch die Qualifikation zum Freizeitsport-Leiter erworben. Als Co-Trainer einer Jugend-Mannschaft des TVK sammelte er erste Erfahrungen darin, wie der Handball mit all seinen Elementen am besten zu vermitteln ist. Genau darum geht es jetzt wieder: „Ich werde ein Jahr lang in Kenia verbringen, dort in einer Gastfamilie leben und in Schulen in den Townships arbeiten. Dabei werde ich vor allem Handball-Projekte für Mädchen und Jungen leiten. Diese sollen zum Beispiel zur mentalen Stärkung der Jugendlichen mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Mädchen beitragen. Ebenfalls soll Handball als Mittel zum Zweck benutzt werden, um gesellschaftspolitische Themen wie Umweltschutz, sozialen Zusammenhalt, Inklusion sowie Gesundheit anzusprechen. Zusätzlich werde ich außerhalb der Schulzeit die Kinder unterstützen und verschiedene Angebote unter anderem in Community Centern durchführen. Vor Ort wird mein Projekt von der lokalen Organisation PLAY HANDBALL in Kenia organisiert.“ Was schon in der Vorbereitung ziemlich aufregend gewesen sein muss, konnte Simon inzwischen mit mindestens genauso aufregendem Inhalt füllen: Ein Monat seines Abenteuers liegt hinter ihm. Im Folgenden erzählt er uns, wie es ihm bisher ergangenen ist. Hier ist der erste Teil seines Tagebuchs aus Kenia:

Dribbelkurs: Ballkontrolle auf staubigem Untergrund – eine Herausforderung, bei der vielleicht sogar Bundesligaspieler ein paar Probleme hätten. (Foto: sg)

„Am 30. September hat mein Freiwilligendienst mit dem Flug nach Nairobi angefangen. Dieser war schon anders als erwartet, da ich alleine geflogen bin. Dies war aufgrund dessen, dass bei dem Mitfreiwilligen ein paar Unklarheiten aufgetreten waren. Somit war ich verständlicherweise ziemlich aufgeregt. Diese Aufregung war allerdings mit dem Zeitpunkt verflogen, als ich in Nairobi am Flughafen Carol und George kennengelernt habe, welche mich empfangen haben. Carol stellt die Leitung der Organisation „PLAY HANDBALL“ in Kenia, welche mit meiner Entsendeorganisation aus Deutschland zusammenarbeitet. Vom Donnerstag bis Sonntag, den 3. Oktober, habe ich dann in einem Hotel in Nairobi geschlafen. Diese Zeit sollte als Eingewöhnung dienen. Somit hatte ich die Möglichkeit, Nairobi besser kennenzulernen und habe in dieser Zeit bereit die ersten Erfahrungen mit dem kenianischen Essen gemacht, welche nur positiv ausfielen. In Nairobi ist mir vor allem der Unterschied zur deutschen Gesellschaft aufgefallen, bezogen auf das Einkommen. Die in Deutschland starke Mittelschicht fällt in Kenia deutlich kleiner aus und der Spalt zwischen der Oberschicht und Unterschicht ist unvorstellbar groß. Dies wird deutlich, je nachdem, wo man in Nairobi ist. Somit hatte ich auch die erste ziemlich krasse Erfahrung, als wir nach Mathare gefahren sind, einem der vier großen Slums von Nairobi.

An die Töpfe, fertig, los: Nakileto ist ein Freiwilliger aus Kenia. „Er leitet das Fußballprogramm und er hilft mir beim Planen und Ausführen des Trainings in den Schulen“, sagt Simon Gorholt. (Foto: sg)

Am Montag, 4. Oktober, wurde ich nach Juja gebracht. Die Stadt liegt in der Nähe von Nairobi und ist Teil ihrer Metropolregion. Dort hat auch die Organisation Pendo Amani (Pendo Amani Youth Organization), die mit PLAY HANDBALL zusammenarbeitet, ihren Standort. Pendo Amani ist eine gemeinnützige Organisation, welche sich als Ziel gesetzt hat, junge Menschen mit den Fähigkeiten, dem Wissen und den Möglichkeiten auszustatten, die sie benötigen, um sich selbst und einander zu unterstützen. Dazu wurde ein Zentrum in Juja eröffnet: Dieses soll als sichere Umgebung dienen, in der die jungen Menschen lernen und ihre Talente fördern können. Neben Sport gibt es noch andere Angebote wie beispielsweise Musik und Tanz. Mit dieser Organisation und der Community vor Ort werde ich für den Zeitraum meines Freiwilligendienstes zusammenarbeiten und an den Schulen in der Umgebung die Jugendlichen in Handball trainieren. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings noch Ferien und somit konnte das Projekt noch nicht starten. In den Ferien und am Samstag während der Schulzeit wird ebenfalls eine Fußballliga ausgetragen, welche auch zu diesem Zeitpunkt stattfand. In dieser Woche wurde zudem für die Community eine Veranstaltung zum Thema “Women Against Rape” (Frauen gegen Vergewaltigung) angeboten. Außerdem habe ich in dieser Woche meine Gastfamilie kennengelernt, mit der ich mich von Anfang an gut verstanden habe.

Am Wochenende hatte ich die Möglichkeit, durch ein Gespräch mit der Projektleitung alles Revue passieren zu lassen und mögliche Probleme zu besprechen. Dabei ist mir vor allem aufgefallen, dass ich am Anfang ein wenig überfordert war, wenn 30 bis 40 Kinder um einen herumstehen und ununterbrochen Fragen stellen – in einer Sprache, die ich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gut verstehe. Hierbei und unterwegs wurde und werde ich ständig mit “Mzungu” gerufen. Das bedeutet so viel wie „weißer Mann“ und ich habe dies keineswegs als beleidigend aufgefasst, sondern vielmehr als Versuch, Aufmerksamkeit zu bekommen von meiner Seite. Dies legt sich auch mit der Zeit, zumindest in der Community, sobald dein Name bekannt ist.

Auf dem Weg zum Training: Der Handball in Kenia findet in einer anderen Welt statt. (Foto: sg)

Was mir hingegen viel schneller sehr deutlich auffiel: Dass sehr viele Menschen, obwohl sie nicht viel haben, sehr großzügig teilen und mit dem, was sie haben, zufrieden sind und sich nicht ständig beschweren. Andererseits möchte ich auch noch mal anmerken, dass dies nicht bedeutet, dass es den meisten Menschen hier einwandfrei gut geht. Die Coronakrise hat auch hier schwere Spuren hinterlassen und so haben unglaublich viele Menschen ihren Job verloren und stehen aktuell ohne ein regelmäßiges Einkommen da – welches zumeist selbst vor Corona oftmals nicht ausgereicht hat.

Am 11. Oktober haben eine von den Mitfreiwilligen, welche mir ebenfalls beim Training in den Schulen helfen, und ich eine von uns geplante Handball-Session für die Community angeboten. Hierbei war der Zweck, den Jugendlichen einen ersten beziehungsweise erneuten Einblick in den Sport zu gewähren. Dabei wurde mir erneut aufgezeigt, mit wie viel Motivation und Freude alle bei der Sache waren. Was ich nicht erwartet hatte: Einige hatten bereits ziemlich vorgeschrittene Skills und ebenfalls überdurchschnittliches Talent. Am Donnerstag, 15. Oktober, habe ich dann leider eine ziemlich starke Lebensmittelvergiftung bekommen, die mich über eine Woche bis zum 24. Oktober aus dem Projekt gerissen hat.

Lass uns anstoßen: Simon und George verstehen sich blendend. „George ist der Mann von Carol. Er arbeitet in einer Sportfirma und hilft Carol im Play-Handball-Programm“, erzählt Simon Gorholt. (Foto: sg)

Ab dem 25. bis zum 29. Oktober haben wir gemeinsam die bereits angefragten Schulen besucht und neben einer ersten Vorstellung von unserem Projekt und unserer Arbeit erzählt – und davon, wie vor allem die Jugendlichen davon profitieren können. Einige hatten bereits Erfahrungen mit den „Vorfreiwilligen“, anderen konnten wir tatsächlich noch mal den Sport von Grund auf vorstellen. Im Endeffekt haben wir aktuell fünf Schulen, in denen wir das Training durchführen können. Angefragt wurden weitaus mehr. Allerdings ist zum einen diese Anzahl genug, da wir so einmal pro Woche in jeder Schule trainieren können, andererseits wollten uns manche Schulen nur 45 Minuten zur Verfügung stellen – was für ein effektives Training viel zu wenig ist. In den verbleibenden Schulen können wir jetzt zwischen 90 und 120 Minuten trainieren. Jetzt kann es im November endlich losgehen. Und  freue mich überaus, dass das Projekt endlich an den Start gehen kann.“

Was Simon in seinem Beitrag nicht erwähnt hat: Das seit 2017 in Kenia aktive Projekt, das auch der DHB unterstützt, wird über das Entwicklungs-Programm „weltwärts“ gefördert. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) übernimmt allerdings nur einen Teil der Kosten. „Wir Freiwilligen sollen unsere Arbeit bewerben und möglichst die fehlenden Gelder für unsere Projekte durch Sammlung von Fördergelder/Spenden unterstützen“, erläutert Simon Gorholt. Wer mehr darüber wissen will, kann uns gerne eine Mail zukommen lassen (redaktion@harzhelden.news). Wir versuchen dann, den Kontakt zu Simon herzustellen.

Infos zum gesamten Projekt:
jugend-im-ausland.de/laender/kenia
https://play-handball.org/de/home-de/
https://play-handball.org/de/informieren/