2. Bundesliga
Krimi-Mittwoch mit Gummersbach, Essen und Dormagen
VfL tritt als Spitzenreiter beim Zweiten Hagen an, Essen erwartet Nordhorn-Lingen. TSV Bayer will gegen die Eulen die Wende zu mehr Sicherheit probieren.

Jugend forscht: Ole Pregler (19/links), vom Bundesligisten MT Melsungen ausgeliehen, und Julian Köster (21), sind bei den Gummersbachern längst feste Größen im Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson. (Foto: Thomas Schmidt)

Viel besser könnte die allgemeine Gemütslage kaum sein beim VfL Gummersbach. Das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson hat das erste Spitzenspiel gegen TuSEM Essen mit 29:23 gewonnen und das zweite beim ASV Hamm-Westfalen mit 31:26. Die aus Gummersbacher Sicht sehr schöne Begleiterscheinung: Mit 16:2 Punkten liegt der Tabellenführer plötzlich vier Zähler vor einem Trio, das VfL Eintracht Hagen, TV Hüttenberg und die HSG Nordhorn-Lingen bilden (alle 14:6). Dahinter folgen Essen (13:7), Hamm (12:6) und der HC Empor Rostock (11:7), auf dessen Konto die bisher einzige Saison-Niederlage des VfL geht (33:34). Das war im Übrigen erst vor drei Wochen am 27. Oktober – und es scheint doch aus einer anderen Zeitrechnung zu stammen. Wie stabil der Tabellenführer wirklich ist, kann er nach dem überzeugenden Erfolg in Hamm direkt wieder beweisen, denn am Mittwochabend geht es nach Hagen – zu jenem Aufsteiger, der zuletzt in Essen knapp mit 29:28 gewann und nicht erst seit diesem Ergebnis völlig zu Recht unter den Top-Teams der Klasse zu Hause ist. VfL-Trainer Stefan Neff sah zunächst sogar einen Start mit vier Siegen hintereinander, ehe Hagen nur eins der folgenden fünf Spiele für sich entscheiden konnte. Schon das 26:26 in Rostock war dann aber erneut sehr beachtlich, ehe der Erfolg in Essen den Sprung zurück auf Platz zwei brachte – der am Ende wie die Meisterschaft ein Ticket für die 1. Bundesliga wert ist. Zweiter gegen Erster: Die 2. Bundesliga hat ihr nächstes Gipfeltreffen.

Verständlich: Die Eintracht sieht sich insgesamt trotzdem als Außenseiter. Das machte die Vorbereitung für Trainer Stefan Neff vielleicht ein bisschen einfacher – weil so niemand einen Erfolg von den Hagenern verlangt. Ebenfalls nachvollziehbar: Hagen rechnet damit, dass seine Krollmann-Arena mit einem Fassungsvermögen von 1278 Zuschauern ausverkauft sein wird und die große Mehrheit der Fans der Eintracht den Rücken stärken werden. Dass die Hagener Alexander Becker, Pouya Norouzi Nehad und Jan-Lars Gaubatz eine Gummersbacher Vergangenheit haben, ist eine Randnotiz – und viel wichtiger, dass sie zu den wichtigen Stützen des VfL zählen. Abwehrchef und Kreisläufer Becker ist ebenso eine Bank wie die Rückraumspieler Gaubatz (rechts) und Norouzi Nehad (links). Gummersbach wird wohl wieder eine Leistung brauchen, die deutlich über dem Durchschnitt liegt – wie es zuletzt unter anderem bei Keeper Tibor Ivanisevic und Linkshänder Janko Bozovic der Fall war. Der 36-Jährige hat sich mit insgesamt 71 Treffern in zehn Partien inzwischen an die Spitze der Torjägerliste in der 2. Bundesliga gesetzt. Auch nicht schlecht: Hagens Philipp Vorlicek, ebenfalls im rechten Rückraum zu Hause, steht bei 61 Toren auf Platz sieben.

Bei den Essenern sieht Trainer Jamal Naji trotz des 23:29 in Gummersbach und des folgenden 28:29 gegen Hagen nicht den geringsten Grund für Hektik. „Wir liegen nur einen Punkt hinter Platz zwei“, sagt Naji, „und wir haben erst 25 Prozent der Saison gespielt.“ Außerdem war für ihn nicht besonders verwunderlich, dass TuSEM etwa gegen Hagen besonders in der ersten Halbzeit (10:14) manches schuldig blieb: Die personellen Möglichkeiten waren aufgrund der gerade durchs Team gehenden Erkältungsfälle eingeschränkt. Tim Rozman, im rechten Rückraum die mögliche Alternative für Lucas Firnhaber, konnte gar nicht mitmischen, andere waren angeschlagen. Für die nächsten Wochen hofft Naji, dass sich die personelle Lage entspannt, zumal sich die langsame Rückkehr von Jonas Ellwanger (nach Kreuzbandriss und einer monatelangen Pause) konkreter abzeichnet. Ein Risiko wollen die Essener allerdings nicht eingehen: „Wir werden ihn langsam heranführen.“

Die bevorstehende Aufgabe hat es wieder in sich – und es ist in der insgesamt starken 2. Bundesliga die dritte hintereinander aus der allerhöchsten Schwierigkeits-Kategorie. Nach den Duellen mit dem Ersten Gummersbach und dem Zweiten Hagen wartet nun ebenfalls am Mittwochabend das Spiel gegen den wie Essen aus der 1. Bundesliga abgestiegenen Fünften Nordhorn-Lingen. Was TuSEM-Trainer Naji von den Gästen hält, passt in sieben Worte: „Sie haben den stärksten Kader der Liga.“ Erfahrenste Kraft bei der HSG ist der einstige Bundesliga-Torschützenkönig Robert Weber, der unter anderem in zehn Jahren beim SC Magdeburg mehr als 350 Pflichtspiele absolvierte und dabei über 2000 Tore erzielte. Im vor einem Jahr aus Emsdetten gekommenen Tschechen Daniel Kubes (43) steht zudem ein Trainer mit reichlich Erfahrung im Handball auf Top-Niveau an der Seitenlinie (als Spieler unter anderem beim THW Kiel, bei der MT Melsungen, beim TBV Lemgo und von 2006 bis 2008 bei der HSG Nordhorn). Daraus ergibt sich, dass den Essenern wohl kaum besonders viele Fehler unterlaufen dürfen. Gewinnen wollen auf jeden Fall beide, sodass vieles für einen weiteren spannenden Abend in der Halle „Am Hallo“ spricht.

Schmerzhaft: Ante Grbavac (rechts/hier im Zweikampf mit Hagens Philipp Vorlicek) und seine Dormagener bekamen in den vergangenen vier Spielen mit vier Niederlagen eine Menge ab. Gegen die Eulen aus Ludwigshafen wird es wieder nicht einfach. (Foto: Thomas Schmidt)

Die größten Sorgen hat zurzeit der TSV Bayer Dormagen, der mit 4:12 Punkten weit hinter den eigenen Erwartungen liegt und zurzeit auf einem Abstiegsplatz. Das Team von Trainer Dusko Bilanovic ist dort allerdings unter Wert positioniert, zumal es noch die Nachholspiele beim HC Elbflorenz Dresden (15. Dezember) und gegen den ThSV Eisenach (bisher ohne Termin) bestreiten kann. Allein bei einer entsprechenden Ausbeute daraus sähe die Lage direkt freundlicher aus bei den Dormagenern, die vor einem Jahr nach acht Spieltagen mit 10:6 Zählern praktisch in einer anderen Welt unterwegs waren. Dass die Serie jetzt viel zäher läuft, liegt wohl in erster Linie an einer nicht enden wollenden Serie von Verletzungen und Ausfällen im ohnehin relativ knapp besetzten Kader. So konnte der TSV bei allen Fähigkeiten des Improvisierens überhaupt nicht auffangen, als Regisseur Ian Hüter ausfiel. Folge: In Gummersbach (18:28) gegen Hagen (25:30) und gegen den Dessau-Roßlauer HV (23:27) hatte der TSV am Ende wenig Chancen und nichts in der Hand.

Mit Hüter ging es in der Partie beim VfL Lübeck-Schwartau (21:26) ein Stück zurück in die richtige Richtung und bis zum 15:15 nach gut 40 Minuten reichten die Kräfte des erneut stark dezimierten Aufgebots, aus dem diesmal unter anderem Linkshänder André Meuser und Junioren-Nationalspieler Aron Seesing fehlten. Bei beiden geht Bilanovic zuversichtlich von einer Rückkehr aufs Feld aus, was für die Mittwochs-Aufgabe gegen die Eulen Ludwigshafen (Achter/10:8 Punkte) vermutlich dringend erforderlich sein dürfte. Für besonders große Schlagzeilen bei den Eulen (ebenfalls Bundesliga-Absteiger) war in dieser Saison bisher Hendrik Wagner zuständig: Der Rückraumspieler, der mit 71 Toren mit an der Spitze der Torschützenliste in der 2. Bundesliga steht, gab kürzlich sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft. Dormagens Coach hat vor ihm und dem gesamtem Team seines Kollegen Ceven Klatt eine Menge Respekt – aber nicht so viel, dass er den Sieg freiwillig hergeben will. Außerdem ist Bilanovic sehr darum bemüht, die Lage nicht zu dramatisieren: „Natürlich ist diese Situation nicht schön. Wir müssen anfangen, guten Handball zu spielen und zu punkten. Es ist außergewöhnlich, wenn du direkt am Anfang der Saison von so einem Pech betroffen bist. Im Laufe einer Saison kann das aber jeden so treffen. Wir sind jetzt voll fokussiert und ich bin sicher, dass es besser wird.“ An die Alternative dazu mag in Dormagen vermutlich keiner denken: Es wäre der dauerhafte Kampf gegen den Abstieg.