30. November 2021 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Wann immer sie in diesen Tagen im Oberbergischen aus dem Fenster schauen, sehen sie meistens einen grau-verhangenen Himmel. Und es ist bisweilen, aufgrund der Jahreszeit keine Überraschung, winterlich kalt. Rund um die Schwalbe-Arena scheint aber gerade die Sonne und seit dem vergangenen Wochenende sogar ein bisschen mehr als sonst. Weil die Mannschaft von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson den Härtetest beim Bundesliga-Absteiger HSG Nordhorn-Lingen teilweise glanzvoll bestand, hat sie nun 20:4 Punkte auf dem Konto – und sie thront damit irgendwie über der verfolgenden Konkurrenz, die im Moment vor allen Dingen aus dem VfL Eintracht Hagen (19:7), Nordhorn-Lingen (18:8), dem TV Hüttenberg (17:7) und dem ASV Hamm-Westfalen (16:6) besteht. Der HC Empor Rostock und TuSEM Essen (beide 13:11) schauen sich das Ganze schon aus fast respektvoller Entfernung an, während der mit drei Partien im Rückstand und auf Platz acht liegende Dessau-Roßlauer HV (12:8) bei entsprechenden Ergebnissen in seinen Nachholspielen ein Stück aufrücken könnte. Insgesamt bietet sich dem VfL die günstige Gelegenheit, sich in den sieben restlichen Aufgaben in diesem Jahr bis zum 26. Dezember ganz oben zu behaupten – dort, wo die Gummersbacher am allerliebsten auch nach dem 38. Spieltag am 11. Juni 2022 gegen den HSC Coburg stehen würden. Dann wären sie am Ziel ihrer Träume – das ein halbes Jahr entfernt in der Zukunft liegt. Ein wichtiges Nahziel fürs große Ganze ist die Aufgabe am Mittwochabend gegen die SG BBM Bietigheim, die eins bestimmt nicht aus Baden-Württemberg mit ins Oberbergische bringen wird: Geschenke im Advent. Auf den VfL wartet im Meisterschafts-Marathon vielmehr die nächste hohe Hürde, zumal Bietigheim den aktuellen elften Rang (10:14) als ziemlich unbefriedigend empfindet und alles für einen Befreiungsschlag investieren wird.
Der prominenteste Name bei der SG ist – wie bei den Gummersbachern – der Trainer: Iker Romero (41), spanische Handballer-Legende mit einem unglaublichen Schatz an Erfahrung, begann den „Seitenwechsel“ nach dem Ende der aktiven Karriere als Co-Trainer des Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf. Nach der Saison 2020/2021 trat er in Bietigheim seine erste Station als Chefcoach an – und beide Seiten verbanden damit die Hoffnung, dass der einstige Bundesligist nach der durchwachsenen Serie 2019/2020 mit Rang acht und 38:34 Punkten doch bald wieder in den Aufzug nach oben steigen könnte. Der Plan ist allerdings bis jetzt nicht richtig aufgegangen und zuletzt gab es drei Spiele ohne Sieg – 25:27 in Coburg, 36:36 in Dessau, 24:26 gegen Dresden. Was die Gummersbacher auf der anderen Seite trotzdem zu größter Vorsicht und höchstem Einsatz motivieren sollte, sind die Bietigheimer Siege gegen TuSEM Essen (34:25) und den TV Hüttenberg (35:28). Kapitän Timm Schneider deutet an, dass die Botschaft in der Mannschaft angekommen ist und die Gummersbacher bereit sind, alles für einen weiteren Erfolg zu investieren: „Wir wollen unseren Fans wieder ein geiles Heimspiel bieten.“ Die bisherige Bilanz steht hier bei 12:o Punkten und 200:147 Toren.
Von einem ähnlichen Stimmungshoch wie die Gummersbacher ist der nach der vergangenen Saison aus der Bundesliga abgestiegene TuSEM Essen zurzeit sehr weit entfernt. Nach vier Auftaktsiegen gab es den 25:34-Einbruch in Bietigheim, ehe die beiden folgenden Begegnungen eine Erholung andeuteten – 24:24 gegen die Eulen Ludwigshafen, 25:20 bei der DJK Rimpar Wölfe. Damals war die Welt in Essen bei 13:3 Punkten völlig in Ordnung, doch der folgende Auftritt in Gummersbach mit diesem 23:29 am 30. Oktober führte die Mannschaft von Trainer Jamal Naji in einen echt trüben November. Nach dem 28:29 gegen Hagen und dem 24:33 gegen Nordhorn-Lingen fiel die Partie beim ThSV Eisenach aus, bevor zuletzt die 27:29-Niederlage gegen den VfL Lübeck-Schwartau hinzukam. Trainer Jamal Naji weiß, dass die Essener derzeit ihr Potenzial nicht ausschöpfen, und er nimmt seine Spieler sowohl in Schutz als auch in die Pflicht – in Schutz deshalb, weil Erkältungen und Blessuren zu verzeichnen sind, in die Pflicht deshalb, weil das alles keine Ausrede sein soll und sich die Mannschaft nur selbst aus der unbefriedigenden Situation befreien kann. „Wir müssen sehen, dass wir Schritt für Schritt wieder nach vorne kommen“, sagt Naji. Dass die bevorstehende Prüfung am Mittwochabend beim Dessau-Roßlauer HV in Sachsen-Anhalt eine hohe Hürde darstellt, steht seiner Ansicht nach fest: „Das ist eine richtig gute und heimstarke Mannschaft.“ Im Prinzip droht den Gästen sogar, dass sie im Fall einer Niederlage hinter die Hausherren zurückrutschen – die zudem mit einer eigenen Serie von 8:2 Punkten aus fünf Spielen ohne Niederlage aufwarten können.
Echte Bauchschmerzen macht den Essenern immer noch, aber nicht nur die insgesamt verschlafene erste Halbzeit (9:14) gegen Lübeck. Außerdem erschließt sich einige Tage danach und ein ausführliche Analyse der entsprechenden Video-Sequenzen später für Naji weiterhin nicht, warum Rückraumspieler Dennis Szczesny in der 51. Minute die Blaue Karte sah. Tatvorwurf: Nachtreten. „Das ist unglaublich ungerecht“, findet der TuSEM-Coach, „selbst Lübeck hat bestätigt, dass da nichts war.“ Läuft es ganz schlecht für Essen, ergibt sich für Szczesny in einem mit der Blauen Karte und einem Sonderbericht verbundenen Disziplinarverfahren eine Sperre. Für den Auftritt in Dessau wäre ein Ausfall des 28-Jährigen ein zusätzliches Handicap, zumal der bereits gegen Lübeck fehlende Linksaußen Noah Beyer ebenfalls nicht zur Verfügung steht.
Während es den Gummersbachern glänzend und den Essenern eher mittelgut geht, läuten beim TSV Bayer Dormagen im Keller der Tabelle seit Kurzem alle vorhandenen Alarmglocken. An den brauchbaren Saisonstart mit 4:4 Zählern schloss sich ab dem 10. Oktober mit dem 18:28 in Gummersbach zunächst eine qualvoll lange Serie von fünf verlorenen Partien mit 0:10 Punkten an. Hauptgrund dafür: Das Team von Trainer Dusko Bilanovic durchleidet seit vielen Wochen eine unendlich lang wirkende Phase mit Verletzungen/Erkrankungen – die der ohnehin nicht üppig ausgestattete Kader im Grunde gar nicht wegstecken kann. Als wäre die personelle Lage nicht kritisch genug, fielen zuletzt gegen den TV Emsdetten in Regisseur Ian Hüter (schwere Prellung) und Linkshänder André Meuser (Gehirnerschütterung) zwei Stammkräfte aus, auf die Dormagen so gut wie gar nicht verzichten kann. Aus der Not heraus stellte Bilanovic den einen oder anderen Spieler auf ungewohnten Positionen auf die Platte – was unter anderem beim sonstigen Rechtsaußen Jakub Sterba mit dem Wechsel in den Rückraum sogar gut funktionierte. Deshalb konnte der TSV-Coach dem 18:18 im torarmen Treffen mit dem TV Emsdetten auch Positives abgewinnen: „Hut ab vor meiner Mannschaft, die Jungs haben richtig ihr Herz auf die Platte gebracht.“
Kampf und Einsatz in ähnlicher Größenordnung werden am Mittwochabend wieder nötig sein, denn der Tabellenvierte Hüttenberg kommt ins Sportcenter und wird die Dormagener wohl noch mehr fordern als Emsdetten. Ein Beleg dafür: Hüttenbergs Regisseur Dominik Mappes, vom Bundesliga-Absteiger Ludwigshafen zu seinem früheren Verein zurückgekehrt, ist mit 87 Treffern aus elf Einsätzen aktuell die Nummer eins in der Torschützenliste der 2. Bundesliga. Alleine deshalb brauchen die Gastgeber besonders im Deckungszentrum erneut eine überdurchschnittliche Leistung – und sie hätten außerdem wenig dagegen, dass Keeper Martin Juzbasic seine Gala aus dem Spiel gegen Emsdetten wiederholt. Insgesamt besteht kein Zweifel, dass Dormagen auf Rang 19 (Vorletzter) mit 5:15 Zählern mitten im Abstiegskampf steckt und bis zum 26. Dezember in der Addition sieben anspruchsvolle Aufgaben (Hüttenberg eingeschlossen) vor sich hat. Der Standpunkt von Bilanovic lässt sich nachvollziehen: „Wir nehmen alles, was uns Punkte bringt. Wir haben keine Zeit für schönen Handball.“