2. Bundesliga
Gummersbach, Dormagen, Essen: Stressige Weihnachtstage
Am Mittwoch beginnt der Jahres-Endspurt - zu dem insgesamt sechs Aufgaben im Kampf um den Aufstieg oder gegen den Abstieg gehören.

Da war die Welt noch in Ordnung: Neuzugang Odinn Thor Rikhardsson erzielt im Achtelfinale des DHB-Pokals gegen Nordhorn-Lingen einen seiner drei Treffer und Gummersbach erreicht durch ein 38:26 das Viertelfinale. Gut eine Woche darauf muss/will der VfB im Heimspiel gegen den TuS Ferndorf vor allem Wiedergutmachung für die 25:28-Pleite bei der DJK Rimpar Wölfe betreiben. (Foto: Thomas Schmidt)

Krasser kann der Unterschied kaum sein. Hier steht der VfL Gummersbach, der mit 26:8 Punkten die Tabelle anführt und sich in der Summe sicher im intern festgelegten Zielkorridor aufhält – der am Ende der Saison natürlich zurück in die höchste deutsche Klasse führen soll. Dort steht der TuS Ferndorf, der mit 6:26 Punkten das Schlusslicht bildet und der Lage im Tabellenkeller weniger Erfreuliches abzugewinnen vermag. Also sollte der Sieger im Duell der Nachbarn am vorweihnachtlichen Mittwochabend eigentlich Gummersbach heißen. Außerdem spielt der VfL ja in der Schwalbe-Arena, die in dieser Saison bisher uneinnehmbar zu sein scheint, denn nach acht Begegnungen weist die Bilanz acht Siege mit 16:0 Punkten und 262:201 Toren auf. Im Durchschnitt hat das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson also seine Heimspiele mit sieben Treffern Differenz gewonnen. Zwei Partien gegen Ferndorf im Laufe der vergangenen Monate gingen ebenfalls an den VfL – 40:31 in der Vorbereitung, 30:22 in der zweiten Runde des DHB-Pokals. Deshalb passt es zum Selbstverständnis des Spitzenreiters, dass er jetzt den nächsten Sieg fest einplant. „Unser Ziel ist es, maximal motiviert und maximal bereit für jede einzelne Aktion während der gesamten 60 Minuten zu sein. Wenn wir so spielen, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir gewinnen werden“, sagt etwa Szymon Dzialakiewicz, der vor der Saison aus Polen gekommene Gummersbacher Neuzugang – der als Linkshänder zusammen mit Janko Bozovic die Position im rechten Rückraum ausfüllt. 

Maximal motiviert und maximal bereit? Das sah jüngst ganz anders aus, als der VfL bei der um den Klassenerhalt kämpfenden DJK Rimpar Wölfe nach einer insgesamt indiskutablen Leistung mit 25:28 den Kürzeren zog und so die Konkurrenz vorne wieder ein Stück herankommen ließ. Der Auftritt passte zu den bisweilen rätselhaften Auswärts-Darbietungen des Aufstiegs-Kandidaten – der oft gerade dann einiges schuldig bleibt, wenn keiner damit rechnet. Das bedeutet jetzt wiederum wenig Gutes für die Ferndorfer, denn Gummersbach muss den Warnschuss gehört haben – und wird daraus wohl ein paar Schlüsse ziehen. Zwei Dinge muss Sigurdssons Teams zusätzlich beachten. Erstens: Ferndorf kommt mit dem Rückenwind eines überzeugenden 34:32-Sieges beim Elften SG BBM Bietigheim, durch den die Mannschaft von Trainer Robert Andersson unten überhaupt wieder den Anschluss gefunden hat. Zweitens: VfL-Linksaußen Hakon Styrmisson fällt wegen eines Kreuzbandrisses für den Rest der Saison aus und auch Raul Santos (Muskelfaserriss in der Wade) stand in Rimpar nicht zur Verfügung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Rückraumspieler Alexander Hermann erneut auf der für ihn ungewohnten Position aushilft. Für den ebenfalls verletzten Rechtsaußen Lukas Blohme (Innenband Knie) hatten die Gummersbacher, die ihren letzten Auftritt in diesem Jahr am 26. Dezember (2. Weihnachtstag) beim Zehnten HSC Coburg bestreiten, kürzlich den Isländer Odinn Thor Rikhardsson nachverpflichtet. 

Das Gummersbacher Ergebnis bei den Wölfen kam für alle überraschend – nicht zuletzt für den TSV Bayer Dormagen, den die beiden Punkte für Rimpar sogar doppelt schmerzten, weil sich die DJK mit jetzt 14:20 Zählern vom viertletzten Platz auf Rang 13 verbesserte und ein Stück von Dormagen entfernte (Platz 19/7:23). Der TSV Bayer seinerseits musste sich nach einer sehr intensiven Partie im Keller der Tabelle beim Drittletzten EHV Aue mit einem 28:28 begnügen – was angesichts eines 12:18-Rückstands ein Erfolg war, aber angesichts der 28:26-Führung keine anderthalb Minuten vor dem Ende eher zu wenig. Das nächste Lob für die engagierte Vorstellung in fast aussichtsloser Lage brachte den Vorletzten sowieso nicht weiter – was sich fast wie ein roter Faden durch die vergangenen Wochen und Monate zieht. Dormagens bisher letzter Sieg war am 1. Oktober (vierter Spieltag) das 27:24 gegen Rimpar, ehe vor allem aufgrund extrem hoher personeller Sorgen eine mittlerweile bei elf Spielen ohne Sieg stehende Durststrecke begann. Inzwischen schrillen bei 7:23 Zählern längst alle Alarmglocken beim Vorletzten, der vermutlich nahezu alle anderen Weihnachts-Geschenke gegen zwei weitere Punkte auf dem bescheiden aussehenden Konto eintauschen würde. Die bevorstehenden Aufgaben im Endspurt für 2021 haben es allerdings in sich – jede auf ihre eigene Art. Der Startschuss fällt am Donnerstagabend mit dem Heimspiel gegen den Dritten HSG Nordhorn-Lingen, in dem die Gastgeber trotz ihres Willens, alles zu versuchen, klarer Außenseiter sein werden.

Dormagen hat auf der einen Seite überwiegend gegen Teams gewonnen oder gepunktet, die aktuell in der unteren Tabellenhälfte stehen – 21:20 gegen die SG BBM Bietigheim (Elfter), 27:24 gegen Rimpar (Rang 13), 18:18 gegen TV Emsdetten (Zwölfter), 28:28 in Aue. Als besonderer Mutmacher dient dem Team von Trainer Dusko Bilanovic dafür das erst gut eine Woche alte 25:25 gegen den Siebten TuSEM Essen, als Benjamin Richter elf Sekunden vor der Schluss-Sirene noch den gefeierten Ausgleich erzielte. Ein ähnliches Resultat wäre nun ebenfalls ein beachtlicher Erfolg, weil nun der Dritte HSG Nordhorn-Lingen kommt – der mit 24:10 Zählern mehr als dreimal so viele Pluspunkte wie die Dormagener hat und weniger als die Hälfte der Minuspunkte aufweist. Außerdem will die HSG am liebsten den Abstieg aus der Bundesliga unter der Regie von Trainer Daniel Kubes so schnell wie möglich reparieren. Sollte Dormagen eine starke Leistung abliefern und vielleicht sogar etwas Zählbares behalten, hätte es eine bessere Basis für die Aufgabe am 26. Dezember. Dann geht es nach Ferndorf zum Tabellenletzten. Anschließend hoffen die Dormagener, dass sie den weiteren Kampf um den Klassenerhalt nach der EM-Pause (im Januar) ab dem 6. Februar mit einem wieder volleren Kader und unter anderem mit dem Comeback des zurzeit ebenfalls verletzt pausierenden Regisseurs Ian Hüter fortsetzen können. Es ist trotzdem eine wenig weihnachtlich-romantische Tatsache: Dormagen muss sein Konto noch in diesem Jahr ein bisschen aufstocken. Daran, dass sonst für die Pause womöglich das Abrutschen auf den letzten Tabellenplatz droht, will im Sportcenter lieber keiner denken.

Die Essener scheinen trotz des 25:25 in Dormagen vor allem ihre November-Depression hinter sich gelassen zu haben und bereit für neue Taten zu sein. Drei Niederlagen gab es damals in der Halle Am Hallo – 28:29 gegen den VfL Eintracht Hagen, 24:33 gegen Nordhorn-Lingen, 27:29 gegen VfL Lübeck-Schwartau. Zusammen mit dem vorherigen 23:29 beim VfL  Gummersbach waren das 0:8 Zähler, die TuSEM im Kampf um einen der Spitzenplätze deutlich zurückwarfen. Trainer Jamal Naji, der immer wieder versichert, keinen Blick für die aktuelle Tabelle übrig zu haben, sah dann ab dem 1. Dezember vier folgende Partien mit 7:1 Punkten, während vorne die Konkurrenten entweder nicht stabil wirkten oder sich gegenseitig beharkten – wie im Duell des Zweiten Hagen mit dem Dritten Nordhorn-Lingen (24:25). Vor dem Jahres-Endspurt hat der Siebte TuSEM (20:12 Punkte) sogar wieder Sichtkontakt nach ganz vorne zu den Gummersbachern (26:8) und den Hagenern (25:9), die momentan die beiden zum Aufstieg berechtigenden Positionen einnehmen. Beim Blick ins neue Jahr steht für den 4. Februar die Aufgabe in Nordhorn-Lingen auf dem Programm – die ein echtes Spitzenspiel werden könnte. Eine Voraussetzung: Essen müsste die durchaus nicht kleinen Hürden am Mittwochabend beim Fünften TV Hüttenberg (21:11) und am Sonntag gegen den Sechsten HC Empor Rostock (21:13) überspringen. Welche der bevorstehenden Aufgabe schwieriger ist? Die Antwort darauf hat viel mit den Essenern selbst zu tun – die sich offensichtlich einigermaßen wohl dabei fühlen, ein Stück unter dem Radar zu segeln und den anderen die Hauptrollen im Kampf um die beiden Aufstiegs-Tickets zu überlassen.

Hüttenbergs jüngstes Resultat werden sie in Essen eher mit sehr gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen haben, weil der bis dahin zu Hause in allen sieben Spielen siegreiche TVH eine erstaunliche Heimpleite hinnehmen musste – 27:34 nach einer 16:11-Führung in der 33. Minute gegen den HC Empor Rostock, der die Hausherren in der letzten Viertelstunde überrollte. Selbst Regisseur Dominik Mappes, mit 110 Treffern in 15 Begegnungen die Nummer drei unter den besten Werfern der 2. Bundesliga, konnte die Heimpleite nicht verhindern. Im Paket mit dem noch erstaunlicheren 19:33 vom 12. Dezember in Emsdetten hat Hüttenberg innerhalb einer Woche reichlich Boden eingebüßt, sodass der Versuch einer baldigen Trendumkehr keinen im Ruhrgebiet überraschen dürfte. Vielleicht hilft es den Essenern ja, dass sie in der gesonderten Auswärts-Tabelle mit 9:5 Punkten immerhin die vierte Kraft in der Klasse sind.