2. Bundesliga
Gefühlslagen: Gummersbach obenauf, Dormagen am Boden
VfL verteidigt Spitze mit 37:35 in Coburg. Gefährdeter TSV Bayer verwirft beim 22:25 in Ferndorf vier Siebenmeter. Essen holt noch ein 31:31 gegen Rostock.

Allein gegen alle? Jonas Stüber (Nummer 40) macht der Platzmangel am Kreis meistens wenig aus – und in Coburg hatte er noch weniger Probleme damit. Acht Treffer waren der verdiente Lohn für eine starke Leistung. (Foto: Thomas Schmidt)

HSC Coburg – VfL Gummersbach 35:37 (14:19). Es war der zweite Weihnachtstag und damit offensichtlich noch einmal die Zeit für Geschenke auf den letzten Drücker. Weil die Gummersbacher am Ende zwei wichtige Punkte holten und ihr Konto auf 30:8 Zähler aufstockten, werden sie vermutlich schnell darüber hinwegsehen und froh sein, dass sie das Jahr 2021 als souveräner Tabellenführer beenden – verbunden mit den besten Aussichten, im zweiten Teil der Meisterschaft (beginnt im Februar nach der EM-Pause im Januar) den angestrebten Aufstieg in die höchste deutsche Klasse unter Dach und Fach zu bringen. Der Sieg beim Bundesliga-Absteiger war wertvoll, weil die Konkurrenz im Kampf um die beiden ersten Plätze zum Teil ebenfalls erfolgreich war – allerdings nicht der Zweite VfL Eintracht Hagen, der beim HC Elbflorenz Dresden mit 29:32 den Kürzeren zog. Der VfL liegt nun vor der HSG Nordhorn-Lingen (26:12), Hagen (25:13), Hüttenberg (24:12) und Hamm (23:11).

Der Start in die Partie deutete auf einen sonntäglichen Spaziergang hin, weil die Hausherren dem Spitzenreiter manche Chance durch technische Fehler oder Ballverluste fast auf dem Silbertablett servierten – 4:1 (4.). Beim 8:4 (10.) und 10:6 (16.) hatte Gummersbach ebenfalls alles im Griff, ehe Coburg in der ersten Flaute der Gäste auf 9:10 (20.) und 10:12 (23.) herankam – und der VfL mit viel Schwung auf 16:10 (27.) davonzog. Der Torschütze: Rechtsaußen Odinn Thor Rikhardsson, der nicht nur in dieser Szene seine Qualitäten als perfekter Spieler für Tempogegenstöße nachwies. Kein Zufall: Kreisläufer Jonas Stüber (acht Treffer), bei dem über die 60 Minuten immer wieder sehenswerte Anspiele landeten, und Rikhardsson (sieben) waren unter dem Strich die besten Gummersbacher Werfer. 

Das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson fand in der zweiten Halbzeit gegen deutlich verbesserte Hausherren in aller Regel die richtigen Antworten – nach dem 23:20 (36.) zum 26:21 (41.), nach dem 29:27 (46.) zum 31:27 (47.), nach dem 31:29 (50.) zum 34:30 (54.), nach dem 34:32 (55.) zum entscheidenden 37:32 (58.). Klar: Handball-Gummersbach freut sich nun auf die Fortsetzung der Saison in 2022, die zunächst mit dem Viertelfinale des DHB-Pokals am 5. Februar gegen den Bundesligsten HC Erlangen direkt den nächsten Höhepunkt bietet.

VfL Gummersbach: Nagy, Ivanisevic – Rikhardsson (7), Fanger, Vidarsson (2), J. Köster (2), Schroven, Hermann, Schneider (1), Herzig (4), Pregler (2), Dzialakiewicz (1), Santos (3), Kiesler, Stüber (8), Bozovic (7/4).

 

TuS Ferndorf – TSV Bayer Dormagen 25:22 (14:8). Der Krimi hatte alle Zutaten, um als Wunder von Ferndorf in die Dormagener Geschichte einzugehen, denn nach einem hohen Pausen-Rückstand kämpfte sich die Mannschaft von Trainer Dusko Bilanovic noch einmal in die Partie zurück – und sie war plötzlich sogar drauf und dran, das Spiel zu ihren Gunsten zu kippen. Bittere Wahrheit jedoch nach 60 Minuten: Nur drei Tage nach dem aufsehenerregenden 23:19 über den Bundesliga-Absteiger HSG Nordhorn-Lingen erlitt der TSV Bayer im Kampf um den Klassenerhalt einen schmerzhaften Rückschlag, weil die Niederlage bei einem direkten Keller-Konkurrenten passierte. Nun ist es ausgerechnet Ferndorf, das vom letzten Tabellenplatz aus (8:28 Punkte) mit einem besseren Gefühl ins neue Jahr geht. Der TSV Bayer (Rang 19/9:25) hingegen verpasste erstens die Chance, den TuS etwas zu distanzieren, und zweitens die Gelegenheit, den Kontakt zum rettenden Ufer intensiver zu gestalten. Dort hält sich momentan mit vier Zählern Vorsprung der TV Großwallstadt auf (Platz 17/13:21). 

Dormagens Trainer Dusko Bilanovic erwies sich trotz aller Enttäuschung über das Ergebnis wie immer als fairer Verlierer: „Das ist ein verdienter Sieg für Ferndorf. Wir hatten in der ersten Halbzeit nicht die Emotionen, die wir uns vorgestellt haben.“ Das war wirklich eine treffende Einschätzung des Gesehenen, denn die gehemmt wirkenden Gäste rannten in diesem für den Kampf gegen den Abstieg zentral wichtigen Duell sehr oft hinterher und sie blieben bloß bis zum 4:4 (12.) dran. Mit dem 5:9 (22.) und 6:11 (25.) oder 8:13 (29.) schien Dormagen die Auseinandersetzung früh zu entgleiten – was sich mit dem Start in den zweiten Durchgang bis zum 11:17 (36.) wenig änderte. Es kam vielmehr noch schlimmer für die Gäste, denn die Unparteiischen zeigten Linkshänder André Meuser nach einem Gerangel mit Ferndorfs Julian Schneider die Rote Karte (37.) und der TSV musste fortan ohne seinen kaum zu ersetzenden Spieler im rechten Rückraum auskommen. Erstaunlich: Ausgerechnet diese Schwächung schien Dormagen neue Stärke zu verleihen. „Wir haben in der letzten Viertelstunde richtig Gas gegeben“, fand Bilanovic, der sich trotzdem permanent die Haare raufen durfte.

Beim Stande von 14:19 (42.) ließ Jan Reimer den ersten Siebenmeter ungenutzt, ehe Ante Grbavac beim 18:23 (49.) dasselbe passierte. Aufgeben? Kam für die Dormagener nicht in Frage. Beim 21:24 trat dann Benjamin Richter an die Linie – und verkürzte auf 22:24 (55.). Und natürlich nahm sich der Rückraumspieler kurz darauf erneut den Ball, um per Strafwurf vielleicht auf 23:24 zu verkürzen. Sein Pech: Diesmal scheiterte er an TuS-Keeper Kai Rottschäfer (57.). Und das Unglück setzte sich kurz darauf fort, als Dormagen einen weiteren Siebenmeter zugesprochen bekam: Wieder versuchte es Jan Reimer und auch er scheiterte an Rottschäfer (59.). Schäfers 25:22 (60.) für Ferndorf besiegelte kurz darauf die Niederlage, die lange unvermeidbar zu sein schien – und die sich auf der Zielgeraden hätte vermeiden lassen. 

TSV Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen (1) – Dasburg, Reuland, Meuser (4), M. Köster, Biernacki (1), Reimer (3/2), Richter (1/1), Zurga, P. Hüter (5), Sterba (2), Grbavac (1), Seesing, Steinhaus (4), Mast. 

 

TuSEM Essen – HC Empor Rostock 31:31 (12:14). Wenn sich ein Punkt jemals wie ein Sieg angefühlt hat, dann vermutlich an diesem zweiten Weihnachtstag dieser für die Spieler des TuSEM. Die Mannschaft von Trainer Jamal Naji lag nach der Pause zwischenzeitlich mit sieben Treffern hinten und begann dann eine ganz starke Aufholjagd, die allerdings ohne Zählbares zu enden drohte. Die Gäste aus Rostock spielten beim Stande von 30:31 ihren letzten Angriff in der Schlussminute lange aus und bekamen letztlich einen Siebenmeter zugesprochen. Den Versuch von Robin Breitenfeld parierte Essens Keeper Sebastian Bliß 19 Sekunden vor dem Ende. Die Hausherren warfen jetzt alles nach vorne, spielten Jonas Ellwanger frei – und der Kapitän markierte kurz vor der Schluss-Sirene den 31:31-Ausgleich. Der Punktgewinn dürfte gut für die Moral der Essener sein und sie mit einem positiven Gefühl in die Spielpause im Januar entlassen. In der Tabelle bringt der eine Zähler Najis Team dagegen wenig weiter und der TuSEM steht nun bei 21:15 Punkten als Siebter weiter im Mittelfeld und ein ganzes Stück entfernt von der Spitzengruppe.

Ellwangers Last-Minute-Ausgleich war der erste Gleichstand seit langer Zeit. Nur bis zum 3:3 (4.) bewegten sich die Mannschaften auf Augenhöhe, dann legte Rostock über das 5:3 (7.) ein 9:6 (17.) vor. Die Gastgeber fanden insgesamt zu wenig gute Lösungen und konnten selbst aus der Roten Karte gegen Empors Richard Lüßner (19.) kein Kapital schlagen. Vorne kam der HC dafür immer wieder mit seinem bekannten Mittel, den siebten Feldspieler einzusetzen, zum Erfolg. Und so lief der TuSEM bis zur Pause und darüber hinaus hinterher – 8:11 (21.), 11:13 (28.), 12:15 (31.).

Vom 14:17 (36.) an bedeuteten vier schnelle Gegentreffer zum 14:21 (39.) den höchsten Rückstand von sieben Toren und auch kurz darauf deutete beim 18:25 (44.) wenig auf eine Wende hin. Vielleicht war es ein Vorteil, dass Najis Team die Situation, einen Rückstand aufholen zu müssen, aus der vergangenen Erstliga-Saison gut kennt. Jedenfalls dachte Essen gar nicht ans Aufgeben und kämpfte sich mit einem 5:0-Lauf zum 23:25 zurück (50.). Wichtigster Mann in dieser Phase: Eloy Morante Maldonado. Der Mittelmann brachte es insgesamt auf elf Treffer und war damit mal wieder erfolgreichster TuSEM-Akteur des Abends.

Die Gäste konnten die Aufholjagd zunächst erfolgreich stoppen (52./23:27, 55./25:29). Dabei blieb Rostock bei seiner Variante mit dem zusätzlichen Feldspieler – und wurde diesmal bestraft. Tim Rozman nutzte zwei Ballgewinne in der Abwehr und beförderte das Spielgerät gedankenschnell ins jeweils leere HC-Tor, sodass beim 27:29 (58.) wieder viel möglich war. Morante Maldonado behielt kurz vor Schluss seinerseits vom Siebenmeterpunkt aus die Nerven und verkürzte auf 30:31 (59.), doch dem TuSEM lief die Zeit davon. Weil in den letzten 20 Sekunden der Partie aber alles passte, reichte es noch für den Punkt – der sich wohl selten so wie ein Sieg anfühlte. Naji sah das im Grunde genauso: „Am Ende des Tages ist das eine unglaubliche Energieleistung von uns. Wir haben große Probleme mit ihrem sieben gegen sechs. Es ist einmalig, wie die Rostocker das spielen. Wir haben in den letzten 15 Minuten ein paar Ballgewinne generieren können dadurch, dass wir die Abwehr ein bisschen offener gestaltet haben. Am Ende des Tages fühlt sich der Punkt gegen eine wirklich tolle Mannschaft aus Rostock sehr gut an für die Moral. Wir nehmen heute das Positive mit.“

TuSEM Essen: Bliß, Diedrich – Ellwanger (2), Glatthard, Rozman (6), Dangers (3), Becher (2), Ignatow (2), Szczesny (2), Müller (1), Firnhaber (1), Seidel, Morante Maldonado (11/7), Klingler (1).