09. Februar 2022 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Natürlich ist die Lage des TSV Bayer Dormagen weit entfernt von aussichtslos. Das war sie nicht unter dem alten Trainer Dusko Bilanovic, der seinen Posten am Anfang des Jahres räumen musste, und das ist sie auch nicht unter Bilanovic-Nachfolger Peer Pütz, der vorher Co-Trainer war und nun als Interims-Chefcoach das Unternehmen Klassenerhalt bis zum Saisonende leiten soll – am besten erfolgreich. Mit dem eher vermeidbaren 23:25 bei den Eulen Ludwigshafen zur Fortsetzung der Meisterschaft im Jahr 2022 ist aber sicher (noch) keine Entspannung eingetreten, denn Dormagen hängt mit nun 9:27 Punkten weiter auf dem vorletzten Platz fest. Wäre jetzt Feierabend, müsste der TSV Bayer gemeinsam mit dem EHV Aue (Rang 18/13:27 Punkte) und dem TuS Ferndorf (8:30) den Gang in die 3. Liga antreten. Wie ein Mühlstein scheint den Dormagenern dabei die 2021/2022 chronisch gewordene Auswärtsschwäche am Hals zu hängen: Aus zehn Partien gab es nur 1:19 Zähler und der Vorletzte hat als einziges Team kein Spiel in einer fremden Halle gewonnen. Das einzige Unentschieden stammt vom 18. Dezember, als es ein 28:28 beim direkten Keller-Nachbarn EHV Aue gab. Deutlich besser ist die Bilanz im Sportcenter des TSV: Dort sind ausgeglichene 8:8 Punkte zu finden – unter anderem dank starker Ergebnisse gegen Klubs aus der oberen Hälfte. Zuletzt gab es da kurz vor Weihnachten ein 25:25 gegen den Achten TuSEM Essen und einen 23:19-Sieg über den Zweiten HSG Nordhorn-Lingen.
Es sind solche Ergebnisse, an denen sich Dormagen hochziehen will – und nach dem verpassten Happy End in Ludwigshafen auch muss. Dass Trainer Pütz dort vor allem defensiv mit einer Leistung voller Leidenschaft gegen Ludwigshafens starken Rückraum durchaus Schritte in die richtige Richtung sah, lässt ihn für die bevorstehende Aufgabe hoffen. Und die wird nicht einfach, denn am Freitagabend kommt der Fünfte ASV Hamm-Westfalen – der gerade in einer ganz anderen sportlichen Welt unterwegs zu sein scheint. Mit 23:11 Zählern aus 17 Begegnungen ist die Mannschaft von Trainer Michael Lerscht noch aussichtsreich im Rennen, denn vorne hat sich nur der VfL Gummersbach (30:8 Punkte) ein bisschen abgesetzt. Dahinter geht es im Kampf um zweiten Platz für den Aufstieg in die höchste deutsche Klasse richtig rund, denn Nordhorn-Lingen (28:12), der TV Hüttenberg (26:12) und der VfL Eintracht Hagen (25:13) liegen besonders eng zusammen – und der Fünfte Hamm-Westfalen ist nach Minuspunkten sogar günstiger ausgestattet als die Mitbewerber. Auch in Sachen Personal hat der ASV klare Vorteile gegenüber Dormagen: Als Verstärkung kam nun der erfahrene Kreisläufer Benjamin Meschke, der zuletzt beim TVB Stuttgart im Einsatz war und reichlich Erfahrung aus der Bundesliga mitbringt. Und im Sommer kehrt Savvas Savvas nach Westfalen zurück – der aktuell erfolgreichste Torschütze in der 2. Bundesliga (19 Spiele/132 Treffer). Zum Vergleich: Dormagen verstärkte seinen Kader in der Breite kürzlich aus der 3. Liga (Gruppe C) durch Rückraumspieler Mislav Grgic vom SV Anhalt-Bernburg, für den er in 17 Spielen immerhin 107 Tore erzielte.
Pütz will mit seiner Mannschaft an den Auftritt bei den Eulen anknüpfen und die nächsten Fortschritte erzielen: „Es waren viele positive Ansätze da. Wir müssen unser Zusammenspiel noch verbessern und an der Feinabstimmung arbeiten.“ Dabei ist ihm völlig klar, dass kein Lob für Engagement, Leidenschaft oder überhaupt gute Aktionen etwas Zählbares bringt. Und gleichzeitig bewahrt Pütz die Ruhe, weil ihm immer bewusst war, dass der Start ins Jahr 2022 schwierig sein würde – ohne die Garantie darauf, dass Dormagen von jetzt auf gleich eine Siegesserie hinlegen kann. Trotzdem ist der Druck nicht von der Hand zu weisen: „Irgendwann müssen die Punkte kommen.“ Dormagens Trainer geht fest davon aus, dass der TSV wenigstens mittelfristig die Ernte einfährt, die für eine Positionen am rettenden Ufer erforderlich ist. Vielleicht doch schon gegen Hamm-Westfalen? „Wir wollen uns die Chance erarbeiten, dass wir die Chance auf einen Erfolg haben“, betont Pütz. Genau das gelang ja in Ludwigshafen bis kurz vor Schluss. Da fehlt doch eigentlich „nur“ das Stückchen ganz am Schluss.
Unterstützung oder eher Hilfe zur Selbsthilfe könnten die Dormagener aus dem Ruhrgebiet gebrauchen – und bekommen, weil den Bundesliga-Absteiger TuSEM Essen mit Trainer Jamal Naji nach dem 29:32 bei der HSG Nordhorn-Lingen höchstens ein Heimsieg weiterbringt. Daran haben die Essener zunächst ein ureigenes Interesse, denn sonst verlieren sie endgültig den Kontakt nach oben – der bei inzwischen 21:17 Punkten und Rang acht momentan ohnehin nicht mehr hautnah ist. Gegner des TuSEM in der Halle Am Hallo ist am Freitagabend der EHV Aue, der ebenfalls unten festhängt. Wie Dormagen. Das wiederum ist der Verein, bei dem Naji bis vor knapp zwei Jahren erfolgreich im Jugendbereich tätig war, ehe er im Sommer 2020 zum damaligen Bundesliga-Aufsteiger Essen wechselte. Von dort aus verändert er sich in ein paar Monaten zurück in die höchste deutsche Klasse, denn Naji wird beim Bergischen HC der Nachfolger von Sebastian Hinze (zu den Rhein Neckar Löwen). Wer ihm dann als Co-Trainer zur Seite steht? Genau: Peer Pütz, der durchaus befreundete Dormagener Coach.
Dass er ihn durch einen Sieg über Aue ein wenig unterstützen würde, weiß Naji natürlich – und trotzdem steht das Fortkommen der Essener im Vordergrund. Deshalb warnt der TuSEM-Coach zunächst eindringlich davor, den nächsten Gegner Aue alleine am Tabellenstand zu messen: „Die Mannschaft steckt gerade unten drin, hat aber auf einigen Positionen richtig Qualität.“ Damit meint er unter anderem Rückraumspieler Adrian Kammlodt, Kreisläufer Bengt Bornhorn und Rechtsaußen Maximilian Lux, die zusammen bereits weit über 200 Tore erzielt haben. Naji nennt Bausteine, die er für einen Essener Erfolg als zwingend erforderlich ansieht: „Wir müssen es deutlich besser schaffen, ins Tempospiel zu kommen. Dem liegt natürlich immer eine gute Abwehr zugrunde, dass wir da Bälle gewinnen. Ich hoffe, dass sich unsere personelle Konstellation ein bisschen besser darstellt.“ Während wichtige Stützen wie Eloy Morante Maldonado oder Justin Müller nach überstandener Erkrankung in Nordhorn zunächst lediglich sehr dosiert mitmachen durften, können sie gegen Aue ausgedehntere Einsatzzeiten bekommen. „Wir werden zumindest mehr Möglichkeiten und mehr Energie in der Wechselrotation haben als gegen Nordhorn“, glaubt Naji, der den Essenern selbstverständlich einen Erfolg zutraut – wie vor einigen Monaten, als TUSEM in der Hinrunde zur Saisoneröffnung am 11. September 2021 mit dem 32:28 in Aue ebenfalls zwei Punkte erkämpfte.
In ganz anderen Sphären sind sie im Oberbergischen zu Hause, wo der VfL Gummersbach als Spitzenreiter über allen thront. Auch am vergangenen Wochenende zeigte das Team von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson beim letztlich unglücklich entstandenen 27:29 gegen den HC Erlangen, dass wohl gar nicht endlos viel an den Anforderungen für die Bundesliga fehlt. Der Vorteil im Viertelfinale des DHB-Pokals: Gummersbach hatte als klassentieferer Gegner eher nichts zu verlieren – was ab sofort wieder ganz anders sein wird. Der Spitzenreiter wird gejagt – von allem, in jedem Spiel. Deshalb muss der VfL so schnell wie möglich zurück in den Liga-Alltag schalten, der ihm ab Freitag innerhalb von 17 Tagen gleich fünf Aufgaben bringt – zuerst jetzt beim VfL Lübeck-Schwartau (Elfter), dann gegen den VfL Eintracht Hagen (Vierter/16. Februar), gegen den ThSV Eisenach (Platz 13/20. Februar), beim Dessau-Roßlauer HV (Rang 16/23. Februar) und gegen den TV Großwallstadt (Rang 17/28. Februar). Der März beginnt bei den gefährdeten Dormagenern (4. März) auch nicht wirklich mit einer Aufgabe, die sich im Vorbeigehen bewältigen lässt.
Lübeck war in dieser Saison bislang bei Weitem nicht so gut unterwegs wie erhofft, zuletzt aber als Einstieg für 2022 zweimal hintereinander auswärts erfolgreich – mit 24:23 in Großwallstadt und mit 31:29 beim HC Elbflorenz Dresden. Obwohl sich demnach der Wechsel auf dem Trainerposten von Piotr Przybecki zu Michael Roth direkt auf dem Punktekonto bemerkbar gemacht hat, ist Roths Engagement in ein paar Monaten wieder beendet. Seit November steht schließlich bereits der neue Coach des VfL fest: David Röhrig. Er arbeitet zurzeit bei den Dormagenern und ist dort für die zweite Mannschaft (Oberliga) sowie für die A-Jugend (Bundesliga) verantwortlich. Ganz nebenbei geht er Peer Pütz in der Mission Klassenerhalt zur Hand. Für Gummersbach lässt sich aus allem dieser Schluss ziehen: Die Lübecker werden alles geben, um ihrem künftigen Trainer eine Zweitliga-Mannschaft an die Hand zu geben – und sie haben sicher die Qualität für einen Platz weiter oben. Die Gummersbacher, die ihre acht Minuspunkte durchweg in Auswärtsspielen kassierten, sollten sehr aufmerksam sein.